Читать книгу Strafrecht - Besonderer Teil II - Jörg Eisele - Страница 16

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62aaa) Die Zueignungsabsicht muss zum Zeitpunkt der Wegnahme gegeben sein und sich auf den weggenommenen Gegenstand beziehen159. Kommt es im Tatverlauf zu Modifikationen, so ist für die Beurteilung der Kongruenz von Wegnahme und Zueignungsabsicht der Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung entscheidend.160 Wird die Zueignungsabsicht zeitlich erst nach Wegnahme gefasst, kommt nur § 246 in Betracht161.

Bsp.: T nimmt bei O heimlich dessen Tennisschläger mit und möchte ihn nach einem Probespiel wieder zurückgegeben. Als das Spiel damit gut „läuft“, verzichtet er auf eine Rückgabe und absolviert weitere Spiele. – T hat dem O vorsätzlich eine fremde bewegliche Sache weggenommen. Zum Zeitpunkt der Wegnahme hatte er jedoch keine Zueignungsabsicht; da er den Schläger wieder zurückgeben wollte, besaß er keinen Vorsatz hinsichtlich einer dauernden Enteignung des O. Es lag zu diesem Zeitpunkt nur eine straflose Gebrauchsanmaßung (furtum usus) vor. Als T jedoch den Schläger für weitere Spiele behält und ihn sich damit zueignet, verwirklicht er § 246 Abs. 1.

63bb) Der Täter muss die Zueignungsabsicht endgültig gefasst haben. Macht er die Zueignungsabsicht von Bedingungen abhängig, so kommt es darauf an, ob er sich die endgültige Entscheidung über die Zueignungsabsicht noch vorbehält; in diesem Fall ist noch keine Zueignungsabsicht gegeben162. Zu bejahen ist diese hingegen, wenn der Täter sein Verhalten vom Eintritt einer Bedingung abhängig macht, auf deren Eintritt er keinen Einfluss hat.

Bsp.: T nimmt den Tennisschläger des O mit nach Hause; dort möchte er sich überlegen, ob er diesen behält oder nicht. – Weil sich T die Entscheidung über die Zueignungsabsicht noch vorbehalten hat, liegt diese zum Zeitpunkt der Wegnahme nicht vor. Behält er den Schläger später tatsächlich, so macht er sich nur gemäß § 246 strafbar. Macht T hingegen die Zueignungsabsicht davon abhängig, ob er in Verdacht gerät, O den Schläger zurückfordert oder der Schläger beim Spiel nicht seinen Erwartungen entspricht, so wäre diese zu bejahen, da er auf diese Bedingungen keinen Einfluss hat.

64cc) Die Zueignungsabsicht setzt voraus, dass der Täter den Eigentümer (faktisch) aus dessen Position dauerhaft verdrängen möchte (Enteignungswille) und sich in tatsächlicher Hinsicht eine eigentümerähnliche Stellung an der Sache anmaßt (se ut dominum gerere), um die Sache selbst oder ihren Sachwert zumindest vorübergehend dem eigenen Vermögen oder dem Vermögen eines Dritten einzuverleiben (Aneignungsabsicht)163.

65Die Enteignungskomponente erfordert wenigstens bedingten Vorsatz, der auf eine dauernde Enteignung gerichtet sein muss; ein Vermögensschaden muss damit nicht verbunden sein. Die Aneignungskomponente verlangt hingegen Absicht im Sinne von dolus directus 1. Grades; diese muss auf eine wenigstens vorübergehende Aneignung gerichtet sein. Entsprechend dem Charakter als Eigentumsdelikt kommt es – anders als bei §§ 253, 259, 263 – nicht auf das Erstreben einer Bereicherung an; die Zueignungsabsicht kann daher auch auf völlig wertlose Gegenstände gerichtet sein. Nach der von der h. M. vertretenen sog. Vereinigungstheorie kann die Zueignungsabsicht entweder auf die Sachsubstanz oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Sachwert gerichtet sein164. Dabei kann die Frage nach der Zueignung der Sachsubstanz oder des Sachwertes sowohl beim Enteignungswillen als auch bei der Aneignungsabsicht Bedeutung erlangen.

Bsp.: Die O besitzt ein schönes Schmuckstück, das sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Die neidische T bietet ihr an, dieses für 5000 € abzukaufen, was dem Gegenwert entspricht. O lehnt dankend ab. T nimmt bei günstiger Gelegenheit das Erbstück weg und überweist 7000 € auf das Konto der O. – T begeht einen Diebstahl, da sie den Vorsatz besitzt, die O dauerhaft vom Eigentum auszuschließen, und zudem die Absicht hat, das Schmuckstück (Sachsubstanz) ihrem Vermögen einzuverleiben. Dass O keinen Vermögensschaden erleiden soll und T keine Bereicherung erstrebt, ist unerheblich, da § 242 wertunabhängig das Eigentum an einem konkreten Gegenstand schützt, mit dem der Eigentümer gemäß § 903 BGB nach Belieben verfahren darf.

66(1) Der Sachwert erfasst richtigerweise nicht schon jeden wirtschaftlichen Vorteil durch den Gebrauch der Sache (lucrum ex negotio cum re). Andernfalls würde der Tatbestand seine Konturen verlieren und die Abgrenzung zur bloßen Bereicherungsabsicht verschwimmen. Vielmehr ist erforderlich, dass die Zueignungsabsicht auf einen nach Art und Funktion bestimmungsgemäß mit der Sache verknüpften Wert (lucrum ex re) gerichtet ist165.

Bsp.: T nimmt dem O ein Gemälde und ein Mobiltelefon weg, um diese zwei Wochen später zurückzugeben. Das Gemälde verwendet er für eine Ausstellung und von dem Mobiltelfon kopiert er Bilddateien166. – § 242 ist mangels Enteigungsvorsatz zu verneinen. Dieser liegt hinsichtlich der Sachsubstanz nicht vor, weil Gemälde und Mobiltelefon zurückgegeben werden sollen. Ein spezifischer Sachwert wird nicht entzogen, da der Gebrauch in keinen Verbrauch umgeschlagen ist; beide Gegenstände sind mit keinem Wertverlust behaftet.

Verdeutlicht werden kann dieser Unterschied bei der Wegnahme eines fremden Sparbuchs einerseits und einer fremden ec-Karte andererseits, wenn damit jeweils Geld abgehoben werden soll. Während das Sparbuch einen Sachwert – Guthaben als Forderung des Kunden gegen die Bank – verkörpert167, ist dies bei der ec-Karte nicht der Fall; diese ermöglicht mit ihrer „Schlüsselfunktion“ lediglich das Abheben am Geldautomaten, ohne das Guthaben zu verkörpern168.

Bsp. (1):169 T nimmt dem O ein Sparbuch weg, um es nach dem Abheben eines Geldbetrags von 100 €, den er für sich verwenden möchte, zurückzulegen. – Hinsichtlich eines Diebstahls am Sparbuch ist zu beachten, dass T keine Zueignungsabsicht hat; es fehlt bezüglich der Sachsubstanz am Vorsatz hinsichtlich einer dauernden Enteignung. Der Enteignungswille ist aber auf den mit dem Sparbuch bestimmungsgemäß verknüpften Sachwert bezogen, weil das Geld als Forderung gegen die Bank vom Sparbuch, das ein qualifiziertes Legitimationspapier i. S. d. § 808 BGB darstellt, verkörpert wird; besonders deutlich wird dies, wenn im Sparbuch das Abheben des Betrags vermerkt wird. Hinsichtlich der Aneignungsabsicht kann man auch auf das Sparbuch (Sachsubstanz) abstellen, weil die zumindest vorübergehende Aneignung notwendiges Zwischenziel war, um an das Geld zu gelangen170. Einer Art „Stoffgleichheit“ zwischen der vom Vorsatz umfassten Enteignung und der angestrebten Aneignung bedarf es nicht. Ein Diebstahl am Geld scheidet aus, weil dieses vom Bankangestellten gemäß § 929 Satz 1 BGB an T übereignet wurde und daher nicht fremd ist. Ein etwaiger Betrug gemäß § 263 durch Täuschung des Bankangestellten, der zu Lasten des O verfügt (§ 808 BGB), hängt davon ab, ob man einen Irrtum bejaht oder aufgrund § 808 BGB davon ausgeht, dass sich der Bankangestellte wegen der befreienden Leistung gar keine Gedanken zu machen braucht und daher auch nicht irrt171; jedenfalls wäre § 263 gegenüber dem Diebstahl am Sparbuch mitbestrafte Nachtat172.

Bsp. (2):173 T entwendet bei O dessen ec-Karte für die Benutzung des Bankautomaten. O hat die PIN leichtsinnigerweise auf einem Zettel notiert, den er zusammen mit der Karte aufbewahrt. T hebt am Geldautomaten 100 € ab, die vom Girokonto des O abgebucht werden. Anschließend lässt er O die Karte – wie von Anfang an beabsichtigt – wieder zukommen. – Ein auf die Enteignung der Karte (Sachsubstanz) gerichteter Vorsatz scheidet auch hier aus, weil T die Karte – nicht anders als das Sparbuch in Bsp. 1 an O zurückgeben wollte. Hinsichtlich des Sachwerts ist nun zu beachten, dass das Guthaben auf dem Konto nicht durch die Karte verkörpert wird; diese verschafft dem Täter lediglich bei Kenntnis der PIN die Möglichkeit, einen bestimmten Betrag vom Konto abzuheben („Schlüsselfunktion“)174. Die Zueignungsabsicht ist daher zu verneinen175.

67(2) Entsprechend dem letztgenannten Beispiel fehlt es an der Zueignungsabsicht, wenn mittels eines weggenommenen Ausweises, der später zurückgegeben werden soll, Geld oder andere Sachen in Empfang genommen werden. In Betracht kommt in solchen Fällen aber ein Betrug, da über die Legitimation getäuscht wird176. Ähnlich gelagert sind auch Fälle des Falschparkens, bei denen der Täter einen Verwarnungsbescheid an einem anderen Wagen zeitweilig entfernt und an seinem, im Parkverbot abgestellten Wagen anbringt, damit er selbst keinen (weiteren) Verwarnungszettel erhält. Auch hier wird dem Verwarnungsbescheid kein spezifischer Sachwert entzogen177. Letztlich gilt auch für den häufig diskutierten Dienstmützenfall nichts anderes178, bei dem ein Soldat die Dienstmütze seines Kameraden wegnimmt, um diese später in der Kleiderkammer der Bundeswehr abzugeben und so den Verlust der eigenen Dienstmütze zu verschleiern. Teilweise wird hier von einer Zueignungsabsicht ausgegangen, weil eine eigene Rückgabeverbindlichkeit getilgt und Schadensersatzansprüche abwehrt werden179; dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Soldat nicht als Eigentümer auftritt, sondern mit der Rückgabe das Eigentum des Bundes respektiert. Der Dienstmütze wird im Übrigen auch kein spezifischer Sachwert entzogen. Auf eine etwaige Bereicherungsabsicht kommt es bei § 242 dagegen nicht an.

68(3) Dass im Einzelfall freilich feinsinnige Unterscheidungen zu treffen sind, zeigt das Verwenden einer Zahlungskarte als elektronische Geldbörse bzw. Geldkarte. Dort wird auf dem Chip das „Guthaben“ des Karteninhabers gespeichert, das dann beim Zahlungsvorgang abgebucht wird. Die elektronische Geldbörse verkörpert daher – nicht anders als das Sparbuch – einen Sachwert. Entsprechendes gilt auch für andere aufladbare Karten wie Mensakarten, Telefonkarten, Gutscheine mit einem Guthaben sowie Eintritts- und Fahrkarten, die durch den Gebrauch ganz oder teilweise entwertet werden.

69dd) Die Zueignungsabsicht erfordert zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich einer dauerhaften Enteignung des Eigentümers. Einer Absicht im Sinne von dolus directus 1. Grades bedarf es diesbezüglich nicht. Ansonsten würde der Tatbestand in vielen Fällen leer laufen, weil es dem Täter regelmäßig um die Erlangung des Gegenstandes aus eigennützigen Motiven und nicht um die Schädigung des Opfers geht180. Die Enteignungskomponente ist deshalb verwirklicht, wenn der Täter es billigend in Kauf nimmt, dass die weggenommene Sache oder ein darin verkörperter Sachwert nicht mehr an den Berechtigten zurückgelangt und damit endgültig entzogen wird. Die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse sind hierfür unerheblich; ein Eigentumsverlust ist aufgrund § 935 Abs. 1 BGB regelmäßig ausgeschlossen.

70(1) An der Enteignungskomponente fehlt es hingegen in Fällen einer bloßen Gebrauchsanmaßung (furtum usus), bei der die Sache nach Gebrauch wieder zurückgegeben werden und daher der dinglichen Rechtslage entsprochen werden soll. Die Gebrauchsanmaßung ist nur strafbar, wenn hierfür ein spezieller Straftatbestand (vgl. §§ 248b, 290) besteht.

Bsp.: T nimmt dem O seinen Wagen weg. Er möchte damit eine kurze Spritztour unternehmen und diesen dann zurückbringen. – Hier fehlt es am Vorsatz hinsichtlich einer dauernden Enteignung. T macht sich nur nach § 248b strafbar. Eine etwaige Strafbarkeit nach § 242 hinsichtlich des verbrauchten Benzins wird von § 248b als notwendige und typische Begleittat konsumiert, weil andernfalls die bloße Gebrauchsanmaßung über die mitverbrauchten Betriebstoffe doch über § 242 bestraft werden könnte181. Anders wäre zu entscheiden, wenn T das Fahrzeug nach Ende der Spritztour an einem entlegenen Ort abstellt und es dem Zufall überlässt, ob O das Fahrzeug findet.182 Im Rahmen der notwendigen Beweiswürdigung im Einzelfall kann auch zu berücksichtigen sein, ob das Fahrzeug verschlossen oder dem Zugriff Dritter preisgegeben war183.

71Da die Zueignungsabsicht bereits zum Zeitpunkt der Wegnahme vorliegen muss, ändert sich an der Straflosigkeit nach § 242 nichts, wenn sich der Täter erst während der Spritztour entschließt, das Fahrzeug doch zu behalten oder preiszugeben. Neben § 248b kommt dann jedoch eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung nach § 246 in Betracht. Umgekehrt ändert ein später gefasster Rückführungswille nichts an einer bereits gefassten Zueignungsabsicht184.

72(2) Erfasst werden von § 242 hingegen Fälle, in denen der Berechtigte die Sache zurückerlangen soll, infolge des Gebrauchs aber eine empfindliche bzw. wesentliche Minderung des Sachwerts eintritt, d. h. der Gebrauch bereits in einen Verbrauch umschlägt185. Entsprechendes gilt, wenn der Entzug der Sache so lange währen soll, dass ein objektiver Dritter sich bereits vernünftigerweise Ersatz beschaffen wird186.

Bsp. (1): T nimmt dem O seinen Wagen weg; möchte er den Wagen erst nach zwei Monaten und gefahrenen 5000 km zurückbringen, so wird dem Wagen ein spezifischer Sachwert entzogen.

Bsp. (2): T nimmt dem O, der leidenschaftlicher Wintersportler ist, seine Skier vor dem Ski-Opening im Dezember weg und kündigt an, diese erst im folgenden Frühjahr zurückzubringen. – Unabhängig davon, ob durch einen Gebrauch ein spezifischer Sachwert entzogen wird, ist die Enteignungskomponente durch Substanzentzug zu bejahen, weil O sich aufgrund der langen Zeitdauer vernünftigerweise Ersatz beschaffen wird.

Bsp. (3):187 T nimmt ein neues Buch aus der Buchhandlung O mit, um dieses nach dem Lesen zurückzubringen. Vorsatz hinsichtlich der Enteignung der Sachsubstanz ist zu verneinen, da T das Buch zurückbringen will. T könnte aber einen funktionstypischen Sachwert entzogen haben. Eine Minderung des Gebrauchwerts für einen späteren Leser liegt nicht vor. Anders kann man nur entscheiden, wenn das Buch deutliche Gebrauchsspuren aufweist. Man könnte jedoch mit der h. M. den wirtschaftlichen Neuwert als bestimmungsgemäßen Sachwert einstufen, weil diesem im Rechtsverkehr eine erhebliche Bedeutung zukommt188. So kann nicht geleugnet werden, dass der Wert von Vorführwagen oder von Ausstellungsstücken gemindert ist. Gegen die Annahme einer Zueignungsabsicht speziell bei Büchern kann man freilich einwenden, dass es in Buchhandlungen üblich ist, dass Bücher angelesen und durchgeblättert werden. Auch werden im Buchhandel Bücher z. T. zur Ansicht versandt, ohne dass sie deshalb später nicht anderweitig veräußert werden könnten.

73(3) Umstritten sind Fälle, in denen der Täter bei Wegnahme den Vorsatz hat, die Sache unter Leugnung des fremden Eigentums an den Eigentümer zurückzuverkaufen oder mit weggenommenem Geld Verbindlichkeiten beim Eigentümer zu tilgen.

Bsp.: T nimmt dem O eine wertvolle Vase weg. Kurz darauf bietet er diese – wie von Anfang an geplant – dem O zum Kauf an. O erwirbt diese als „Ersatz“, weil er davon ausgeht, dass T „zufällig“ ein ähnlich aussehendes Exemplar für ihn gefunden hat.

74Die Sache soll dem Eigentümer auch hier nicht dauerhaft entzogen werden. Daher nimmt eine Ansicht hinsichtlich der Sachsubstanz zunächst eine bloße Gebrauchsanmaßung an; auch eine Sachwertentziehung wird abgelehnt, weil der Kaufpreis nur einen mittelbaren Vorteil darstelle, der durch den Gebrauch der Sache erlangt werde189. Anders als in Fällen der bloßen Gebrauchsanmaßung soll die Sache hier jedoch vom Täter als angeblich eigene und nicht als dem Eigentümer gehörende Sache angeboten werden. Der Rückverkauf dient damit nicht der Wiederherstellung der Eigentümerposition190. Vielmehr maßt sich der Täter die Eigentümerposition selbst an, so dass richtigerweise der Enteignungswille bereits auf die Sachsubstanz bezogen ist191. Die Annahme eines Enteignungswillens hinsichtlich des Sachwertes vermag hingegen nicht zu überzeugen, weil der Kaufpreis keinen spezifisch in der Sache verkörperten Wert darstellt192. Die spätere Täuschung über die Eigentümerposition beim Rückkauf begründet – wenn man darin einen eigenständigen Schaden erblickt – § 263, der jedoch als mitbestrafte Nachtat im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktritt193.

75(4) Vieldiskutiert (und in Prüfungsarbeiten beliebt) sind „Pfandflaschenfälle“, bei denen der Täter Leergut entwendet, um es später zurückzugeben und dafür das Flaschenpfand zu kassieren. Die Frage, ob die Mitnahme des Leerguts in dieser Absicht einen Diebstahl begründet, hängt sowohl hinsichtlich der Frage der Eigentumsverhältnisse als auch der Zueignungsabsicht von nicht ganz einfachen zivilrechtlichen Wertungen ab, wobei zu beachten ist, dass diese Fälle nichts mit dem zivilrechtlichen Pfandrecht zu tun haben. Handelt es sich um standardisiertes Einheitsleergut wie bei typischen Sprudel- oder Bierflaschen, die von vielen Herstellern genutzt werden, so soll das Eigentum stets vom Hersteller an den Ver­käufer, von diesem an den Kunden, vom Kunden zurück an den Verkäufer usw. übertragen werden194. In diesem Fall entspricht die Lösung den Rückübereignungsfällen, wenn der Täter die Flaschen als eigene unter Leugnung des fremden Eigentums zurückgeben möchte, so dass Enteignungsvorsatz zu bejahen ist195. Bei speziellem Leergut wie Coca Cola-Flaschen196 oder bestimmten Saftflaschen soll das Eigentum beim jeweiligen Hersteller verbleiben, da die Flaschen jeweils an ihn zurückgelangen sollen. Weil in diesem Fall das Leergut aus Sicht des Täters regelmäßig ohne Leugnung des fremden Eigentums zurückgegeben werden soll und dem Leergut auch kein Sachwert entzogen, sondern nur das Flaschenpfand kassiert wird, scheidet ein Diebstahl aus197. Maßgeblich für die Frage, ob fremdes Eigentum geleugnet werden soll, ist dabei stets die subjektive Tätersicht und nicht, ob der Eigentümer objektiv enteignet wird198. Freilich kann man die Differenzierung zwischen Standard- und Individualflaschen und die damit verbundenden Ergebnisse durchaus kritisch sehen199. Hinsichtlich der späteren Rückgabe der Flaschen kann im Übrigen noch (Sicherungs­)Betrug nach § 263 StGB bzw. ein Computerbetrug nach § 263a StGB zu prüfen sein200.

76(5) Für § 242 – aber auch für die parallel gelagerte Problematik bei § 249201 – sind weiter Fälle der sog. Inpfandnahme zu beachten. Es geht hier um Konstellationen, in denen der Täter eine Sache als „Pfand“ wegnimmt, um so das Opfer zur Begleichung bestehender Schulden beim Täter zu veranlassen. Der Enteignungsvorsatz ist hier zu verneinen, wenn der Täter von baldiger Zahlung ausgeht und er deshalb die Sachsubstanz zurückgelangen lassen möchte202. Hat der Täter hingegen für den Fall der Nichtzahlung durch den Schuldner bereits den unbedingten Entschluss gefasst, die Sache durch Veräußerung zu verwerten, so liegt der notwendige Enteignungswille und damit Zueignungsabsicht vor.

77(6) Die eben geschilderten Grundsätze gelten auch für Fälle der Drittzueignung. Geht der Täter davon aus, dass der Dritte die Sache nach Gebrauch dem Eigentümer zurückgeben wird, so ist der Enteignungswille zu verneinen. Eine abweichende Beurteilung ist wiederum beim übermäßigen Gebrauch – verbunden mit einer erheblichen Sachwertminderung – geboten. Im Übrigen ist auch hier nach Substanz- und Sachwertgesichtspunkten zu unterscheiden, so dass sich bei der Wegnahme von Sparbüchern, ec-Karten usw. dieselben Fragen stellen203.

Bsp.: T nimmt für D das Fahrrad des O weg, mit dem D einen Ausflug unternehmen möchte. Soll das Rad später durch T oder D zurückgegeben werden, so scheidet eine Strafbarkeit nach § 242 aus. D macht sich jedoch nach § 248b strafbar, T – je nach Sachverhalt – gemäß § 248b, § 25 Abs. 2 bzw. § 27.

78ee) Die Aneignungskomponente erfordert Absicht im Sinne zielgerichteten Wollens (dolus directus 1. Grades) hinsichtlich einer wenigstens vorübergehenden Aneignung der Sache oder des Sachwertes. Dass der Täter dies als bloße Nebenfolge billigend in Kauf nimmt, genügt demnach nicht. Die Absicht kann dabei auf die Aneignung für den Täter oder einen Dritten (Drittzueignungsabsicht) gerichtet sein.

79(1) Bei der Selbstzueignung handelt der Täter zu eigenen Zwecken. Eine solche kann auch bei einer Weitergabe an Dritte vorliegen, wenn der Täter als Verkäufer204 oder Schenker bzw. Spender205 auftritt. In diesem Fall bedarf es nämlich zunächst einer Selbstzueignung durch Anmaßung der dinglichen Verfügungsbefugnis, um anschließend wie ein Eigentümer mit der Sache zu verfahren. Ferner ist zu beachten, dass sich der Schenker eigene Aufwendungen erspart. Daneben wird in der Literatur teilweise auch noch eine Drittzueignung der Sachsubstanz für den Empfänger des Gegenstandes angenommen, weil die Aneignung gleichzeitig in mehrere Richtungen gehen und verschiedene Aspekte (Substanz- und Sachwertzueignung) betreffen kann206. Die Gegenauffassung bestreitet dies, da die Bejahung einer Selbstzueignung das gleichzeitige Vorliegen einer Drittzueignung ausschließe207. Selbst wenn man zugleich eine Drittzueignung bejahen möchte, so ist diese gegenüber der Selbstzueignung aber jedenfalls subsidiär208.

80(2) Die Absicht, irgendwelche „messbaren“ Vorteile zu erlangen, begründet hingegen keine Selbstzueignungsabsicht209, weil ansonsten die im Jahre 1998 mit dem 6. StrRG eingeführte Drittzueignungsabsicht weitgehend gegenstandslos bliebe. Wird eine Sache daher für einen Dritten weggenommen, ohne dass der Täter einen unmittelbaren eigenen wirtschaftlichen Vorteil i. S. e. Gebrauchs oder Verbrauchs anstrebt, so kommt nur eine Drittaneignungsabsicht in Betracht. Für die Drittzueignung sind die für die Selbstzueignung geltenden Grundsätze zu übertragen. Dabei kann der Täter die Sache dem Dritten unmittelbar verschaffen oder sonst für ihn ein Sachherrschaftsverhältnis bzw. eine sachenrechtsähnliche Position begründen, wodurch ihm die Aneignung ermöglicht wird210. Einer Übergabe der Sache oder eines Verbringens in den Herrschaftsbereich des Dritten bedarf es nicht211. Auch kommt es nicht darauf an, ob sich der Dritte dann die Sache tatsächlich zueignen möchte oder sich diese sogar zueignet212.

Bsp. (1): T nimmt vor dem Blumengeschäft des O auf Bitte seiner Freundin F einen Strauß aus einer Vase und gibt diesen sogleich F, die damit weiterläuft. – T bricht hier den Gewahrsam des O, der nach der Verkehrsanschauung auch vor dem Ladengeschäft fortbesteht, und begründet neuen Gewahrsam bei F. Neben Vorsatz muss auch Zueignungsabsicht vorliegen, wobei die Enteignungskomponente unproblematisch ist. Im Übrigen ist von Drittzueignungsabsicht auszugehen, weil sich T weder Sachsubstanz noch Sachwert vorübergehend aneignet. Bei F liegt Anstiftung zum Diebstahl gemäß §§ 242, 26 vor. Zudem verwirklicht sie durch Selbstzueignung täterschaftlich § 246, der jedoch formell subsidiär ist213. Hinzu tritt in Tateinheit eine Strafbarkeit wegen Hehlerei nach § 259214.

Bsp. (2): T nimmt das Fahrrad des O und stellt dieses in die Garage des bedürftigen D, damit dieser das Fahrrad dauerhaft nutzen kann; anschließend informiert er den D. – Es liegt Drittzueignungsabsicht vor, weil hierfür die Einräumung einer sachenrechtsähnlichen Position genügt, die dem D die Aneignung ermöglicht. Eine Selbstzueignung scheidet jedenfalls dann aus, wenn T nicht als Eigentümer oder Schenker auftritt.

Bsp. (3): Stellt T in Bsp. 2 das Rad heimlich ab, so ist die Anmaßung einer Eigentümerposition und damit eine Selbstzueignung zu bejahen. Dagegen wird zwar angeführt, dass sich der Täter bei anonymen Schenkungen bzw. Spenden die Eigentümerstellung nicht nach außen oder jedenfalls nicht erkennbar anmaßt215. Da der Dritte allerdings ohne weitere Anhaltspunkte regelmäßig von einem Akt des Eigentümers ausgehen wird und der Täter sich auch aus seiner Sicht die Eigentümerstellung anmaßt, ist dies jedoch auch nicht erforderlich216.

81Entsprechend bleibt es auch dann bei einer Drittzueignungsabsicht, wenn der Täter vom Dritten eine Belohnung oder einen Anteil erhält. Dies wäre etwa der Fall, wenn er im vorgenannten Bsp. (1) durch ein solches Versprechen zur Wegnahme angestiftet wird. Man könnte hier zwar an eine Selbstzueignung des Sachwertes (Belohnung/Anteil) denken217, jedoch stellt diese keinen spezifischen von der Sache verkörperten Sachwert dar218. Auch muss man sehen, dass derjenige, der die Sache auf Veranlassung des Dritten wegnimmt, sich diesem gegenüber nicht eine Eigentümerposition anmaßt.

82(3) Zu beachten ist, dass bei der Abgrenzung von Selbst- und Drittzueignung die Grenzen von Täterschaft und Teilnahme nicht verschoben werden dürfen. Die Zueignungsabsicht ist zwar notwendiges, aber nicht hinreichendes Merkmal einer Täterschaft219. Trotz Selbst- oder Drittzueignungsabsicht kommt daher lediglich Anstiftung oder Beihilfe in Betracht, wenn nach allgemeinen Abgrenzungskriterien lediglich Teilnahme und nicht Täterschaft anzunehmen ist. Dies ist insbesondere nach der Tatherrschaftslehre der Fall, wenn die Wegnahme von einem anderen Beteiligten vollzogen wird. Dies lässt sich am Schulbeispiel des vor dem 6. StrRG 1998 vieldiskutierten Gänsebuchtfalls verdeutlichen.

Bsp. (1):220 Auszubildender T treibt auf Geheiß des Landwirts D und in Kenntnis der Umstände die Gänse aus der Gänsebucht von Nachbarn O in den Stall des D, um dem finanziell angeschlagenen D zu helfen. – T handelt in Drittzueignungsabsicht221 und macht sich daher gemäß § 242 strafbar. D ist Anstifter nach §§ 242, 26.

Bsp. (2): Wie Bsp. 1, T handelt jedoch nur, weil er den verhassten Nachbarn O ärgern will. Ob die Gänse im Stall des D verbleiben oder von dort entfliehen, ist ihm egal. – Nunmehr entfällt bei T die Zueignungsabsicht. Es kommt ihm nicht im Sinne von dolus directus 1. Grades darauf an, dass sich D die Gänse aneignet. Mangels Haupttat scheidet auch eine Anstiftung des D aus. Die Annahme einer mittelbaren Täterschaft des D nach §§ 242, 25 Abs. 1 Var. 2 (T als absichtslos doloses Werkzeug aufgrund der fehlenden Zueignungsabsicht) und einer Beihilfe des T hierzu überzeugt nicht, weil D jedenfalls nach den Grundsätzen der Tatherrschaftslehre nicht die Stellung eines Täters hat; von einer Willens- bzw. Wissensherrschaft des D gegenüber dem den Plan durchschauenden T kann nicht ausgegangen werden. Ein solches Ergebnis lässt sich allenfalls auf Grundlage einer normativen Tatherrschaft begründen222. D begeht aber ggf. eine Unterschlagung gemäß § 246, wenn er die Gänse behält (Selbstzueignung); T leistet ggf. gemäß §§ 246, 27 Beihilfe, weil hierfür genügt, dass er die Zueignung des D billigend in Kauf nimmt223.

Bsp. (3): Wie Bsp. 1, D behauptet jedoch, dass Nachbar O im Krankenhaus sei und er daher die Gänse zeitweilig versorgen möchte. In Wahrheit möchte D die Gänse nicht zurückbringen. – T verwirklicht zwar den objektiven Tatbestand des § 242; da er von einer Rückgabe der Gänse ausgeht, hat er jedoch keinen Enteignungswillen, so dass die Zueignungsabsicht entfällt. D, der das Geschehen kraft überlegenen Wissens beherrscht, macht sich nach §§ 242, 25 Abs. 1 Var. 2 strafbar, da er mittelbarer Täter ist (T ist absichtslos doloses Werkzeug) und mit Selbstzueignungsabsicht handelt.

83(4) An der Absicht einer zumindest vorübergehenden Aneignung der Sachsubstanz oder des Sachwertes fehlt es, wenn die Tat auf eine bloße Sachbeschädigung oder Sachentziehung gerichtet ist224. Ein nur kurzzeitiger Besitz ohne Gebrauch der Sache begründet dabei die Aneignungsabsicht noch nicht, weil diese ansonsten als Folge der Wegnahmehandlung praktisch immer zu bejahen wäre225. Nicht von § 242 – möglicherweise aber von §§ 133, 274 Abs. 1 Nr. 1 oder § 303 – erfasst werden damit Vorenthaltungen der Sache, um das Opfer zu ärgern oder zu schädigen. Das gilt auch für die Drittzueignungsabsicht, weil diese darauf gerichtet sein muss, einen Dritten in eine Lage zu bringen, die dem vorübergehenden Sich-Aneignen bei der Selbstzueignung entspricht.

Bsp. (1): T nimmt den Papagei des O auf Bitte des D für ihn aus dem Käfig, damit D ihn nach Übergabe fliegen lassen kann. – Würde T den Vogel selbst fliegen lassen, wäre zwar die Enteignungskomponente zu bejahen, jedoch würde es an der Absicht einer vorübergehenden Sich-Aneignung fehlen, weil ein bloßer Sachentzug erfolgen soll. In Fällen der Drittzueignung gilt nichts anderes, wenn der Dritte den Sachentzug bewirken soll.

Bsp. (2): Student T nimmt dem Mitglied einer rivalisierenden Motorradgang seine Kutte weg und steckt diese in eine Mülltonne.226 Anschließend nimmt er auch Professor O vor Vorlesungsbeginn sein Manuskript weg, damit dieser endlich einmal „frei“ spricht. – Die Aneignungsabsicht ist jeweils zu verneinen, weil der Besitz des T nur der Sachentziehung dient. Anders wäre zu entscheiden, wenn T das Manuskript oder die Kutte als „Trophäe“ behalten möchte227.

84Entsprechendes gilt, wenn der Täter die Sache für Zwecke des Opfers verwendet228, etwa mit der weggenommenen Farbe die Garage des Opfers neu streicht. Liegt die Sachvernichtung allerdings im Verbrauch der Sache zu Zwecken des Täters oder eines Dritten, so ist die Aneignungsabsicht zu bejahen. Typische Fälle sind der Konsum fremder Speisen, Getränke oder Betäubungsmittel sowie das Heizen mit fremden Brennmaterialien229. Die Aneignungsabsicht ist weiterhin zu bejahen, wenn die Sachvernichtung erst nach dem Gebrauch der Sache erfolgen soll230.

Bsp.: T nimmt einen Schlüssel, eine ec-Karte usw., um an Geld zu gelangen. Anschließend soll der Gegenstand weggeworfen werden. – Neben dem unproblematischen Enteignungswillen ist hier auch die Absicht vorübergehender Aneignung zu bejahen.

85Bei den häufig diskutierten Fällen der Wegnahme von Sachen in Behältnissen muss zwischen Behältnis und Inhalt differenziert werden. Geht es dem Täter allein um den Inhalt und möchte er das Behältnis sogleich loswerden, so bezieht sich die Aneignungsabsicht nur auf den Inhalt231. Hinsichtlich des weggeworfenen Behältnisses liegt dann ein bloßer Sachentzug vor. Stellt sich heraus, dass das Behältnis leer ist, so liegt letztlich nur ein versuchter Diebstahl am Inhalt vor232; Entsprechendes soll gelten, wenn sich in dem Behältnis eine andere als die erwartete Sache befindet233.

Bsp.:234 T nimmt dem O eine Stofftasche in der Hoffnung weg, dass diese Gegenstände enthält, die T selbst verwenden oder mit Gewinn veräußern kann. Die Stofftasche selbst und den wertlosen Inhalt möchte er wegwerfen. In der Tasche befinden sich nur wertlose Prospekte, die T dann auch sogleich samt Stofftasche entsorgt. – T hat mit der Stofftasche samt Inhalt fremde bewegliche Sachen weggenommen. Enteignungsvorsatz liegt vor, da O die Stofftasche samt Inhalt nicht mehr zurückerhalten sollte. Die Aneignungsabsicht bezog sich von vornherein nicht auf die Stofftasche, so dass insoweit ein Diebstahl ausscheidet; sie war aber auch nicht auf die wertlosen Prospekte bezogen. Damit verbleibt ein nur versuchter Diebstahl an Wertgegenständen, hinsichtlich derer es objektiv an der Wegnahme fehlt.

Anders kann zu entscheiden sein, wenn der Täter das Behältnis als Transportmittel benutzen möchte bzw. notwendigerweise benutzen muss, weil dieses etwa verschlossen ist und erst später geöffnet werden kann235. Beim Diebstahl eines Autos wird sich die Zueignungsabsicht häufig nur auf den Wagen, nicht aber den Inhalt – wie etwa eine sich darin befindliche Sporttasche – beziehen236.

86ff) Zusammenfassend darstellen lassen sich die Probleme anhand der sog. Pseudobotenfälle237.

Bsp.: T nimmt bei Verkäufer O ein für die Auslieferung an den Käufer D bestimmtes Paket mit einer von O unterzeichneten Quittung weg. Wie von vornherein geplant, liefert er die Sache „als Fahrer des O“ an D aus und kassiert dort das Geld, wofür er dem D die Quittung übergibt.

87Hinsichtlich eines Diebstahls am Paket könnte man einwenden, dass dem O das Eigentum nicht dauerhaft entzogen werden sollte, da er aufgrund des Übereignungsanspruchs des D ohnehin zur Lieferung verpflichtet war und das Verhalten des T daher der Eigentumsordnung nicht zuwiderläuft238. Dem steht aber entgegen, dass O nur Zug um Zug gegen Zahlung an D liefern musste239. Die Enteignungskomponente ist daher zu bejahen. Fraglich ist ferner, ob eine Selbstaneignungsabsicht vorliegt. Dagegen spricht, dass die Sachsubstanz sogleich an D übergeben wurde und T nicht als Veräußerer oder Schenker auf eigene Rechnung handelte, d. h. nicht wie ein Eigentümer auftrat, sondern die Ware als Bote des Eigentümers überbrachte240. Auch hinsichtlich des Sachwertes kann eine Selbst­aneignungsabsicht nicht bejaht werden, weil der Kaufpreis kein spezifisch von der Sache verkörperter Wert ist, sondern erst durch Geschäfte mit der Sache erlangt wird. Es liegt allerdings eine Drittzueignung der Sachsubstanz an D vor; diesbezüglich besaß T auch Absicht, weil für die Erlangung des Kaufpreises die Übergabe der Ware an D notwendiges Zwischenziel war241. Für einen Diebstahl an der Quittung gelten hinsichtlich der Enteignungskomponente die für das Paket genannten Erwägungen. Die Selbstaneignungsabsicht wird hier aufgrund der legitimierenden Wirkung der Quittung gemäß § 370 BGB242 z. T. mit Sachwertgesichtspunkten bejaht243, da die Quittung anderen Legitimationspapieren (z. B. Sparbüchern) gleichzustellen sei. Nach der vorzugswürdigen Gegenauffassung244 kommt auch hier nur eine Drittaneignungsabsicht in Betracht, weil T der Quittung nicht ihren Wert entziehen wollte, sondern diese – nicht anders als das Paket – lediglich dazu dienen sollte, den Kaufpreis zu erlangen.

88c) Die erstrebte Zueignung muss ferner rechtswidrig sein, d. h. der Rechtsordnung widersprechen. Es handelt sich dabei um ein objektives Tatbestandsmerkmal, auf das subjektiv der Vorsatz gerichtet sein muss, wofür freilich dolus eventualis genügt245.

89aa) Objektiv nicht rechtswidrig ist die erstrebte Zueignung vor allem bei einem fälligen und einredefreien Anspruch auf die weggenommene Sache (Stückschuld). In diesem Fall führt der Täter eine Lage herbei, die im Ergebnis materiell der Rechtsordnung entspricht, wenngleich der Wegnahmevorgang formell eine Selbsthilfe darstellt (und daher die Wegnahme auch rechtswidrig ist). Die Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung entfällt bei Drittzueignungsfällen auch dann, wenn nicht der Täter, dafür aber der Dritte einen Anspruch besitzt246.

Bsp.: Verkäufer O weigert sich, den gekauften Bauernschrank an T zu übereignen. T transportiert diesen heimlich ab. – T hat eine fremde bewegliche Sache weggenommen und in Zueignungsabsicht gehandelt. Diese ist jedoch nicht rechtswidrig, weil er gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Übereignung besaß.

90(1) Da § 242 das Eigentum an einem bestimmten Gegenstand und nicht schlechthin das Vermögen schützt, muss sich der Anspruch auf die konkret weggenommene Sache beziehen. Bei Gattungsschulden hat der Gläubiger nur das Recht auf Leistung von Sachen mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB), nicht aber auf einen konkreten Gegenstand. Die Wegnahme einer bestimmten Sache durch den Gläubiger widerspricht der Rechtsordnung, weil das Auswahl- und Konkretisierungsrecht des Schuldners (§ 243 Abs. 2 BGB) unterlaufen wird247. Umstritten ist die Lösung von Fällen, in denen sich der Täter zur Befriedigung einer Geldschuld die entsprechende Summe vom Schuldner nimmt. Auf Grundlage der h. M. ist die erstrebte Zueignung objektiv rechtswidrig, weil der Täter keinen Anspruch auf den konkret weggenommenen Geldschein bzw. die Münze besitzt248. Die Rechtsprechung nimmt allerdings einen Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 an, weil in der Bevölkerung die Vorstellung bestehe, der Gläubiger könne sich aus beliebigen, ihm zugänglichen Zahlungsmitteln des Schuldners befriedigen249. Damit soll der Vorsatz des Täters hinsichtlich des normativen Merkmals der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung entfallen; damit wird freilich der Irrtum von einem Verbotsirrtum i. S. d. § 17 zu einem Tatbestandsirrtum verschoben250. Anders entscheidet die im Rahmen des § 242 vorzugswürdige Wertsummentheorie, wonach der Gläubiger bei fälligen Geldschulden einen Anspruch auf die jeweilige Summe hat, so dass die erstrebte Zueignung nicht rechtswidrig ist251. Dafür spricht vor allem, dass das Konkretisierungsrecht bei Geldschulden keinen rechten Sinn macht.

91(2) Ferner ist die erstrebte Zueignung auch dann nicht rechtswidrig, wenn diese durch einen Rechtfertigungsgrund, vor allem eine rechtfertigende Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung des Eigentümers gedeckt ist252. In diesem Fall ist bereits der Tatbestand ausgeschlossen. Vertretbar ist es aber auch, eine solche Rechtfertigung auf der zweiten Stufe des Verbrechensaufbaus bei der allgemeinen Rechtswidrigkeitsprüfung anzusprechen.

Bsp.: Eigentümer E gestattet dem T den dauerhaften Gebrauch seines Snowboards, das von D verwahrt wird. Ist D mit der Mitnahme nicht einverstanden, so nimmt T eine fremde bewegliche Sache weg, weil für den Gewahrsamsbruch allein der Wille des Gewahrsamsinhabers D maßgeblich ist. Die erstrebte Zueignung ist aber nicht rechtswidrig, weil der von der Enteignungskomponente betroffene E eingewilligt hat. Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man die allgemeine Rechtswidrigkeit aufgrund einer rechtfertigenden Einwilligung verneint. Ist hingegen der D mit der Mitnahme einverstanden, so liegt aufgrund eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses bereits keine Wegnahme vor.

92bb) Der Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung entfällt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1, wenn der Täter irrig einen bestehenden Anspruch annimmt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Täter davon ausgeht, bereits einen wirksamen Vertrag geschlossen und damit einen fälligen Anspruch zu haben, dies aber objektiv nicht der Fall ist253.

Strafrecht - Besonderer Teil II

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