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4. Strafausschliessungsgrund des Abs. 2

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§ 217 Abs. 2 StGB berücksichtigt das fehlende Strafbedürfnis gegenüber Personen, die ihren Angehörigen oder anderen engen Bezugspersonen in einer emotional sehr belastenden und schwierigen Ausnahmesituation beistehen wollen.[283] Eine Teilnahme in Form einer Anstiftung oder Beihilfe zu einer geschäftsmässigen Förderung der Selbsttötung ist nach den allgemeinen Grundsätzen von §§ 26, 27 StGB strafbar.[284] Als typische Beihilfehandlungen wären etwa die Auf- und Vorbereitung der Räumlichkeiten oder das Präparieren der Giftinjektion denkbar; fraglich erscheint, ob auch „psychische“ oder „physische“ Handlungen, welche in erster Linie den Suizidenten bei der Umsetzung seines Vorhabens unterstützen sollen, zugleich als Beihilfe zur Haupttat des Förderers gelten.[285] Da es sich bei der Geschäftsmässigkeit um ein strafbarkeitsbegründendes Merkmal im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB handelt, setzt die Strafbarkeit des Teilnehmers nicht voraus, dass er selbst geschäftsmässig handelt, weshalb die Strafbarkeit selbst nicht geschäftsmässig handelnder Personen als Teilnehmer einer geschäftsmässigen Suizidförderung grundsätzlich möglich ist.[286] Mit Absatz 2 soll daher sichergestellt werden, dass solche, einen Einzelfall betreffende Verhaltensweisen bei Angehörigen und anderen dem Suizidwilligen nahestehenden Personen nicht bestraft werden, wenn sie sich als Teilnahmehandlung zu einer geschäftsmässigen Suizidhilfe darstellen.[287] So würde sich bei Fehlen eines solchen Strafausschliessungsgrundes etwa ein Verwandter oder eine nahestehende Person wegen Beihilfe zum geschäftsmässigen Suizid strafbar machen, wenn sie einen Angehörigen über deutsches Bundesgebiet in die Schweiz verbringt und dort einer Sterbehilfeorganisation zuführt.[288] Oǧlakcιoǧlu stellt kritisch und zurecht infrage, weshalb – bei Vorbringen des Schutzkonzepts und der „bestehenden Gefahren für den Suizidenten“ als Legitimationspfeiler für die Strafwürdigkeit des Verhaltens – ausgerechnet diejenigen, welche hinsichtlich der Suizidprävention besonders in der Pflicht stehen, aus dem Visier der Strafverfolgung genommen werden.[289] Tatsächlich erschiene vom gesetzgeberischen Ansatzpunkt aus eine umgekehrte Ausgestaltung in Form einer ausschliesslichen Strafbarkeit des Verleitens zum Suizid durch Nahestehende und Angehörige eher legitimierbar, da damit Handlungsweisen erfasst werden, in denen unmittelbar auf die Entschliessungsfreiheit des Selbsttötungskandidaten eingewirkt wird.[290]

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Eine Legaldefinition des Begriffs des Angehörigen findet sich in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB, derjenige der nahestehenden Person entspricht dem des § 35 Abs. 1 StGB.[291] Aufgrund der Gleichstellung mit den Angehörigen ist das Bestehen eines auf eine gewisse Dauer angelegten zwischenmenschlichen Verhältnisses erforderlich, wobei entscheidend ist, dass dem Angehörigenverhältnis entsprechende Solidaritätsgefühle existieren, woraus eine vergleichbare psychische Zwangslage folgt.[292] Als solche Verhältnisse „basaler Zwischenmenschlichkeit“ gelten etwa feste Liebesverhältnisse, nahe Freundschaften, im Regelfall auch nichteheliche bzw. nicht eingetragene Lebens- und langjährige Wohngemeinschaften, möglicherweise auch bei dauerhafter Aufnahme in den eigenen Haushalt, nicht aber der sympathiegetragene gesellschaftliche Umgang mit Sports- und Parteifreunden oder Berufskollegen und Nachbarn.[293] Gefordert wird ein Verhältnis, welches auf Gegenseitigkeit beruht; nicht genügend ist zudem ein Betreuungsverhältnis.[294] Die kumulative Formulierung des Nichtvorliegens einer Geschäftsmässigkeit neben der Angehörigenstellung verdeutlicht, dass der Strafausschliessungsgrund von Absatz 2 bei lediglich nicht geschäftsmässig Handelnden, die nicht in einem Näheverhältnis der genannten Art stehen, keine Anwendung findet.[295]

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