Читать книгу Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online - Jürg Häusermann - Страница 37

Und was bedeutet Dialog im Online-Vortrag?

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Auch der Online-Vortrag wird verbindlicher und attraktiver, wenn die Rednerin ihre Stärken aus dem direkten Gespräch nutzt. Das kann so aussehen:

»Raum: den eigenen und den fremden Raum verbinden: Rednerin und Publikum befinden sich in getrennten Räumen. Die Rednerin kann sie nur verbinden, indem sie in ihren eigenen Raum „einlädt“. Das setzt voraus, dass sie selbst in einem echten Raum – in einer dreidimensionalen Umgebung – zu sehen ist. Und sie muss die Möglichkeit schaffen, ihn zu „betreten“: indem sie sich darin bewegt (und sei es nur mit ihrer Gestik) und Dinge, die darin eine Bedeutung haben, anspricht. (Vgl. Kapitel 4.)

»Zeit: Verpflichtung zum Zeit-Management. Grundlage einer guten Kommunikation ist die Zeitabsprache. Online ist dies nur im Konferenz-Modus möglich. Aber nichts hindert die Rednerin oder den Redner daran, zu Beginn klar zu sagen, wie lange der Vortrag dauern wird. Zudem sollte das Publikum gerade bei Online-Vorträgen eine Übersicht über die zeitliche Gliederung haben. Es sollte in der Lage sein, einzelne Passagen zu überspringen, direkt zu bestimmten Punkten zu gehen oder Interessantes gezielt nochmals anzuhören. (Vgl. unten Kapitel 12.)

»Zielsetzung: Klare Angebote: Ein Online-Vortrag ist eine Kompaktlösung. Sie wird von Menschen gezielt gesucht und soll auch gezielt Antworten bieten. Die erste Auskunft, die gegeben werden muss, ist: Was nützt mir dieser Vortrag? Und wenn diese Information nicht schon aus dem Titel und anderen Kontext-Informationen klar wird, muss sie ziemlich schnell kommen. Wenn dann das Redeziel einfach und klar erkennbar ist, lassen sich Angebote zu Feedback und Beiträgen aus dem Publikum anschließen.

»Sprachliche Gestaltung: Dialogformen nutzen. Jeder Online-Vortrag kann durch Kommentare ergänzt werden. Diese sind zwar in einem anderen Medium (oder in einer Chat-Spalte) abzugeben und können deshalb nur in Live-Situationen direkt beantwortet werden. Aber man kann zumindest im Nachhinein auf die Beiträge aus dem Publikum eingehen und in einer Folgeveranstaltung darauf reagieren.

»Sprechweise: Helfer einsetzen. Wer minutenlang in eine Kamera blickt, wird garantiert monotoner klingen als im direkten Kontakt. Um dies zu verhindern, ist es notwendig, Elemente der Sprechweise aus dem alltäglichen Gespräch in die Online-Situation herüberzuretten. Das fällt leichter, wenn man jemanden bittet, sich als Zuhörerin dazu zu setzen. Nur schon durch die Anwesenheit und durch nonverbale Reaktionen wird sie die Sprechweise beeinflussen.

»Körpersprache: Raum für Gesten schaffen. Als Online-Vortragende fühlt man sich oft technisch eingeschränkt. Die Kamera ist zu nah, der Bildausschnitt zu eng, die Wirkung der Gestik schwer zu kontrollieren. Dennoch ist es immer möglich, sich so einzurichten, dass eine lebendige Körpersprache entsteht, eine Körpersprache, die das Gegenüber nicht ausschließt, sondern einbezieht. Hilfreich ist eine Einrichtung mit Hilfe von jemandem, der als „Regisseur“ mitplant.

»Medieneinsatz: Zurück zu den einfachsten Mitteln. Die Technik verführt dazu, parallel zur vortragenden Person eine Videoeinspielung, ein Foto-Insert oder eine ganze PowerPoint-Datei laufen zu lassen. Das spricht nicht an, sondern lenkt von der Rednerin ab. Ganz anders ist es, wenn sie das Buch, das sie vorstellen will, in der Hand hält, statt es im Video aufleuchten zu lassen. Eine Definition, über die sie spricht, kann sie auf einen großen Karton schreiben, statt mit ihr den Bildschirm zu füllen. Das hilft, das Reden und die Visualisierung zu koordinieren, man meldet sich nicht ab, sondern bleibt im Gespräch.

Diese Prinzipien kann der konstruktive Vortrag übernehmen

»vom Führer zum Partner des Publikums werden

online: realistische, begrenzte Ziele setzen

»die eigene Bedeutung nüchtern sehen

Dass ich am Rednerpult stehe oder vor der Kamera sitze, ist nur eine temporäre Sache. Morgen bin ich wieder auf der anderen Seite und möchte selbst als Partner angesprochen werden.

online: Ich relativiere die Vorstellung meines Impacts. Mir ist bewusst, dass meine Botschaft mit anderen konkurriert und dass das Publikum sein Wissen aus mehreren Quellen zusammensetzt.

»die klassischen Bedingungen (z.B. Zeitdruck) unterlaufen

online: Ich stelle mir einen Gesprächspartner oder eine Zuhörerin vor oder hole sie gar vor die Kamera, um mir Rhythmus und Pausensetzung zu erleichtern.

»sich vorbereiten, aber auch das Publikum einbinden

online: Ich spreche Publikum stärker an (du/Sie), lasse es mitdenken, beziehe es durch Pausen und Wiederholungen ein.

»dialogisch vorgehen: auf die Rückmeldungen aus dem Publikum eingehen

online: Ich fordere zu Rückmeldungen auf und nehme beim nächsten Mal darauf Bezug.

Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online

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