Читать книгу Die Arche der Sonnenkinder - Jörg Müller - Страница 13

9 Eine Konferenz der besonderen Art

Оглавление

Eine Woche, nachdem Rising Sun Wladimir Puschkin kennengelernt hatte, trafen sich an einem Freitagmorgen um 9.00 Uhr in einem gut abgeschirmten Sitzungsaal im Keller des UNO­Gebäudes sieben Männer, die alle eins gemein hatten: Einem dem Anlass angemessenen ernsten Gesichtsausdruck. Sechs der Herren hatten noch etwas gemeinsam. Sie trugen alle einen schwarzen Designeranzug, ein weißes Hemd, eine dunkle Fliege, schwarze Lackschuhe und eine auffällige Brille. Der siebte im Bund trug ein blaues Baumwollhemd, eine blaue Jeans und war barfuß unterwegs. In dem Sitzungssaal standen zwei Tische mit jeweils sieben Sitzgelegenheiten. Der eine Tisch sah aus wie ein normaler Konferenztisch. Vor jedem Stuhl lagen wie gewöhnlich Schreibutensilien parat und in der Mitte stand eine große Auswahl an nichtalkoholischen Getränken nebst Gläsern. Der zweite Tisch war für ein gemeinsames Mittagessen eingedeckt und irritierte fünf der anwesenden Herren doch sehr. Sie waren davon ausgegangen, dass wie bei jeder Konferenz an einem Freitag um 9.00 Uhr auch diese Sitzung um 11.00 Uhr ohne Ergebnis beendet sein würde, damit sie sich dann völlig ausgeruht und entspannt dem ebenso anstrengenden wie abwechslungsreichen New Yorker Wochenende hingeben konnten, um dann am darauffolgenden Freitag zur gleichen Zeit und am gleichen Ort die Konferenz mit dem gleichen Ergebnis fortzusetzen. Während sechs Konferenzteilnehmer auf den bequemen und sehr exklusiven Designerstühlen Platz nahmen, setzte sich der siebte auf einen bereitstehenden Hocker.

Auf der einen Seite des Konferenztisches saßen mit dem Rücken zum aus Sicherheitsgründen nur aufgemalten Kellerfenster die beiden UNO­Verwaltungsbeamten und ihnen gegenüber die im UNO­Dschungelkrieg sehr erfahrenen Vertreter der fünf Möchtegernbesitzer der Inselgruppe im Nordwest-Pazifischen Becken. In einem Punkt waren sich diese fünf einig: Sie konnten mit dem ihnen gegenübersitzenden sehr großen Indianer mit der in Diplomatenkreisen unüblichen Kleidung absolut nichts anfangen. Und genau dieser Mann eröffnete die Sitzung.

„Meine Herren, ich möchte Sie ganz herzlich zu dieser Konferenz begrüßen. Ich bin mir sicher, dass wir uns gut austauschen und anschließend mit einem zufriedenstellenden Kompromiss vor die Presse treten werden.“

Rising Sun machte einen Augenblick Pause, um zu sehen, wie die fünf auf der anderen Seite des Tisches auf seine einleitenden Worte reagierten. Die Reaktion war bei allen gleich. Spätestens bei dem Wort „Presse“ waren alle hellwach und schenkten ab sofort dem Indianer ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, die bei dem Adjektiv „zufriedenstellend“ von einem spontan einsetzenden Misstrauen begleitet wurde. Der Indianer fuhr fort:

„Ich möchte mich zuerst kurz vorstellen. Mein Name ist Rising Sun, und ich arbeite seit mehreren Wochen für die UNO in der Abteilung Konfliktlösungen aller Art. Den Herrn zu meiner Linken, Jonathan Confused, kennen Sie sicher.“

Natürlich kannten die fünf den Inder gut. Er hatte in der Vergangenheit noch nie ernsthaft versucht, einen Konflikt zu lösen. Das Misstrauen schwand wieder, und die Asiaten setzten jetzt schnell ihr grimmiges und wilde Entschlossenheit ausdrückendes Konferenzgesicht auf. Der Amerikaner entschied sich für die Kombination aus arrogantes und wilde Entschlossenheit ausdrückendes Konferenzgesicht.

„Kommen wir nun zum Ablauf der heutigen Konferenz. Als erstes fasst mein Kollege alle zurzeit bekannten Informationen über die Inselgruppe im Nordwest­Pazifischen Becken für Sie zusammen. Sie brauchen sich keine Notizen machen, denn Sie bekommen sofort im Anschluss ein Handout, in dem Sie alle Fakten komprimiert und sehr übersichtlich aufbereitet finden. Dann überreiche ich jedem von Ihnen eine kleine Mappe, die Herr Confused für jeden Einzelnen mit großer Sorgfalt vorbereitet hat. Ich bin mir sicher, dass der Inhalt dieser Mappen sofort Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit finden wird. Sie haben dann solange Zeit, alle Ihnen vorliegenden Unterlagen sorgfältig zu prüfen, bis ich das Zeichen gebe, dass wir mit dem nächsten Programmpunkt unserer heutigen Konferenz fortfahren. Ich meine damit die sicherlich sehr fruchtbare und erfolgreiche Diskussion über die Ihnen dann vorliegenden und von Ihnen sorgfältig geprüften Unterlagen. Im Anschluss daran schließt sich ein gemeinsames Mittagessen an. Es handelt sich um eine besondere Spezialität meines Stammes, die Herr Confused extra für Sie ausgewählt hat, damit Sie sich selbst ein Urteil bilden können, welche interessanten Rezepte bis heute von der Haute Cuisine links liegen gelassen worden sind. Nach dem Essen sehen wir dann noch einen kurzen Film, den unser Kollege, der Forscher David Chercheur, unter Einsatz seines Lebens auf den Inseln gedreht hat, um dann pünktlich gegen 15.00 Uhr das Abschlusskommuniqué zu unterzeichnen. Von meinem Kollegen weiß ich, dass Sie alle befugt sind, das Kommuniqué für Ihr jeweiliges Land rechtsverbindlich zu unterschreiben. Für die UNO unterzeichnet Herr Confused. Als krönender Abschluss treten wir gemeinsam vor die wartende Presse und verkünden das positive Ergebnis dieser Konferenz. Ich gehe davon aus, dass es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Fragen Ihrerseits gibt und erteile deshalb meinem Kollegen das Wort.“

Die fünf Herren hatten nicht nur eine Frage, sondern viele. Aber diese Fragen standen für die fünf nicht im Vordergrund, denn sie hatten alle den kaum noch zu bändigen Wunsch, diesem amerikanischen Eingeborenen schnellstens klar zu machen, dass er mit seinem Ablaufplan vollkommen auf dem Holzweg war und ihn in den nächsten Papierkorb schmeißen konnte. Aber sie hatten weder die Chance, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen, noch irgendeine Frage zu stellen, denn Herr Confused ergriff sofort das Wort und ratterte alle bekannten Fakten über die Inselgruppe im Nordwest­Pazifischen Becken wie ein Maschinengewehr in seinem einmaligen Sprachenmischmasch herunter. Sein Redeschwall wurde durch viele Schautafeln und Bilder auf einer großen Leinwand untermalt, die direkt über Jonathan Confused und Rising Sun an der Wand angebracht waren. Die fünf Profidiplomaten sahen und hörten dem Inder mit weit aufgerissenen Augen und gespitzten Ohren ungläubig zu, ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Nach einer überaus anstrengenden und frustrierenden halben Stunde stand Rising Sun auf, ging um den Konferenztisch herum und legte die fünf kleinen Mappen mit dem jeweils sehr persönlichen Inhalt vor den jeweiligen Konferenzteilnehmer hin. Der Text war in der Heimatsprache des jeweiligen Konferenzteilnehmers verfasst. Diese Mappen hatten es im wahrsten Sinn des Wortes in sich. Auf der ersten Seite standen Name, Geburtstag, Geburtsort und Geburtsland, Ausbildung und beruflicher Werdegang des jeweiligen Diplomaten, was weiter kein Geheimnis war. Richtig spannend wurde es für die fünf geneigten Leser ab Seite zwei. Diese Seiten enthielten neben vielen anderen Details auch Listen, auf denen stand, wo sich der jeweilige Leser in den letzten zwölf Monaten zu bestimmten Zeiten mit wem aufgehalten hatte. Interessant war auch ein kleiner gelber Aufkleber, auf dem mit einer Schreibmaschine die aktuellen Kontostände aller persönlichen Konten des Lesers in der Schweiz notiert waren. Rising Sun nahm wieder auf seinem Hocker Platz.

„Meine Herren, ich bin mir sicher, dass Sie einige Zeit benötigen werden, um die interessanten Unterlagen, die jetzt vor Ihnen liegen, gewissenhaft zu studieren und auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ich werde Ihnen ein Zeichen geben, wenn die Zeit gekommen ist, dass wir uns dem letzten Programmpunkt des heutigen Vormittags vor dem gemeinsamen Mittagessen zuwenden.“

Die Herren auf der anderen Seite des Konferenztisches öffneten wie auf Kommando die Mappen und widmeten sich, spätestens als sie bei ihrer Lektüre zur zweiten Seite kamen, sehr intensiv der vor ihnen liegenden persönlichen kleinen Mappe. Schnell wurde ihnen abwechselnd heiß und kalt. Aber es dauerte nicht lange und das Hitzegefühl überwog, auch, weil Jonathan unbemerkt das Thermostat der Klimaanlage auf 32 Grad Celsius hochgedreht hatte. Dann verdunkelte sich das Licht im Raum etwas und ein blauer Sternenhimmel wurde an die Decke projiziert. Anschließend verriegelte der Inder von seinem Platz aus die Ausgangstür. Das in diesem Zusammenhang laut hörbare Knacken verstärkte noch das ungute Gefühl, welches die fünf Profidiplomaten seit dem ersten Blick in ihre persönliche Mappe beschlich. Jonathan und Rising Sun blickten sich zufrieden an und beschlossen, die nun eintretende Stille dazu zu nutzen, um nach bester Indianerart in aller Ruhe gemeinsam zu philosophieren. Die Minuten vergingen. Um 11.45 Uhr beendeten die beiden UNO­Beamten ihre philosophischen Betrachtungen. Die Raumbeleuchtung strahlte jetzt wieder in altem Glanz und der Sternenhimmel an der Decke erlosch. Die Tür wurde, begleitet von einem erneut gut hörbaren Knacken, wieder entsichert und das Thermostat der Klimaanlage stand jetzt auf 18 Grad Celsius. Rising Sun räusperte sich laut.

„Meine Herren, ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Ich habe nicht erwartet, dass Sie sich so lange konzentriert und intensiv mit Ihren Unterlagen auseinandersetzen. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit müssen wir die Diskussionsrunde auf den Nachmittag verschieben, denn das Essen wird gleich serviert. Falls noch jemand kurz die Waschräume aufsuchen möchte, so ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen.“

Fünf glasige Augenpaare, die in tiefen Höhlen in stark geröteten Gesichtern beheimatet waren, sahen den Indianer ängstlich und verständnislos an. Und da die fünf Profidiplomaten in den letzten Stunden fast ihren ganzen Flüssigkeitshaushalt ausgeschwitzt hatten, brauchte keiner von ihnen das Angebot des Indianers in Anspruch zu nehmen.

Kurz darauf öffnete sich die Tür zum Konferenzraum und Madame Luxuriant schwebte mit einer großen Schüssel herein. Sie trug High Heels, weiße Shorts und ein weißes T­Shirt der Größe S. Sie lächelte den Indianer an, der ihr Lächeln mit einer leichten Bewegung seines Kopfes erwiderte. Als Madame Luxuriant die Schüssel auf die Mitte des für das gemeinsame Mittagessen vorbereiteten zweiten Tisch abgestellt hatte, widmete sie ihre Aufmerksamkeit nun den fünf Profidiplomaten. Der Anblick, der sich ihr bot, brachte sie leicht aus der Fassung. Die fünf ihr zum Teil bekannten Herren starrten sie aus glasigen Augen an, aber nicht, weil sie wie sonst, wenn sie ihnen begegnete, auf ihr erotisches Outfit ansprachen, sondern, weil die Herren einen richtig ausgepowerten Eindruck machten. Madame Luxuriant führte dies fälschlicherweise auf eine besonders anstrengende, von kontroversen Diskussionen geprägte Konferenz zurück und war etwas überrascht, wie frisch der Inder und der Indianer aussahen. Kopfschüttelnd verließ sie den Konferenzraum.

Rising Sun forderte seine Gäste auf, ihre Plätze am anderen Tisch einzunehmen. Die fünf erhoben sich mühsam und setzten sich auf ihre neuen Plätze. Jonathan hatte seinen Platz bereits eingenommen und seinen Teller mit einer doppelten Portion bis zum Rand ausgelastet. Rising Sun erhob sich ebenfalls, ging um den Tisch herum und füllte die Teller der fünf Herren, die ihn immer noch verständnislos anstarrten, ebenfalls bis zum Rand. Dann nahm er seinen Platz ein und bediente sich mit für Indianer typischer Zurückhaltung aus der Schüssel.

„Meine Herren, es gibt heute zur Feier des Tages Pemmikan nach Art des Stamms der Namenlosen. Guten Appetit. Und falls es nicht reicht, Frau Luxuriant kann jederzeit noch etwas nachreichen.“

Die fünf Profidiplomaten nahmen ihre letzten Gedanken zusammen und fragten sich, was der Indianer mit ‚Zur Feier des Tages‘ meinte. Wahrscheinlich hatten sie etwas Wichtiges verpasst. Lustlos stocherten sie auf ihren Tellern herum und hatten den unter normalen und unnormalen Umständen unvorstellbaren Wunsch, jetzt irgendwo in einem Gefängnis in ihrem jeweiligen Heimatland zu sein. Denn dort war bei allen negativen Rahmenbedingungen das Essen garantiert besser, und sie waren sicher vor den beiden Irren, die ihnen gegenübersaßen. Der amerikanische Profidiplomat und erfahrene Diplomatendschungelkämpfer versuchte mit letzter Kraft, über sein Mobiltelefon einen Notruf abzusetzen, aber in diesem speziell abgesicherten Konferenzraum funktionierten Mobiltelefone nicht.

Nach einer halben Stunde, die den fünf Profidiplomaten wie eine Ewigkeit vorkamen, betrat Madame Luxuriant wieder den Raum, um die Schüssel abzuräumen. Eine innere Stimme hielt sie davon ab, die fünf Herren zu fragen, ob sie ihnen etwas von dem Pemmikan als Pemmikan to go einpacken sollte. Rising Sun bat nun seine Gäste, sich wieder auf ihre alten Plätze zu setzten. Während der Inder die Präsentation des Filmes vorbereitete, verteilte der Indianer spezielle Brillen, denn es handelte sich um einen 3D­Film. Die fünf Profidiplomaten setzten die Brillen widerstandslos auf und stierten die Leinwand an. Der Film begann auf einem Forschungsschiff, das bei Windstärke 13 versuchte, eine der Inseln der Inselgruppe im Nordwest­Pazifischen Becken zu erreichen. AlIe fünf schaukelten synchron zu den Wellen auf ihren bequemen und sehr exklusiven Designerstühlen hin und her. Als das Schiff die erste Insel erreichte, ließ das Schaukeln etwas nach, aber der Kameramann konnte sich wegen der Stürme kaum auf den Beinen halten und die Kamera schwenkte in einem atemberaubenden Tempo immer rauf, runter, kreuz und quer. Die fünf Profidiplomaten konnten sich kaum noch auf ihren Designerstühlen halten. Da wurde es urplötzlich ganz still im Konferenzraum. Der Ton war ausgefallen. Die Männer sahen unbewusst wieder auf die Leinwand. Dort sahen sie zwei possierliche Erdmännchen, die sich auf ihre Hinterbeine gestellt hatten und freundlich mit ihren Vorderpfoten in die Kamera winkten. Die fünf Männer fielen gleichzeitig in Ohnmacht. Jonathan stoppte den Film, Rising Sun holte ein kleines Fläschchen aus seiner Hosentasche und ging zu den fünf leblosen Gestalten. Jonathan stellte sich neben ihn und hielt die fünf vorbereiteten Abschlusskommuniqués in den Händen. Der Indianer öffnete den Verschluss des kleinen Fläschchens und sofort durchströmte den Raum ein Geruch, der geeignet war, Tote aufzuwecken. Nacheinander hielt der Indianer allen Fünfen die Flasche vor die Nase. Als alle leidlich wach waren, zeigte der Indianer auf die Blätter, die der Inder in den Händen hielt.

„Meine Herren, ich gehe davon aus, dass Sie kein großes Interesse daran haben, an der jetzt noch ausstehenden Pressekonferenz teilzunehmen, denn Sie machen einen etwas abgespannten Eindruck. Ich mache Ihnen deshalb folgenden Vorschlag: Sie unterzeichnen jetzt das von Mister Confused vorbereitete Abschlusskommuniqué, und dann bringen Sie fünf Krankenwagen zurück zu Ihren jeweiligen Botschaften oder zu einem anderen Ziel Ihrer Wahl. Mein Kollege und ich stellen uns dann der Presse. Ich bin sicher, Sie sind genauso stolz wie wir, dass wir gemeinsam eine so positive und nachhaltige Lösung für die Zukunft der Inselgruppe im Nordwest­Pazifischen Becken gefunden haben.“

Die Fünf unterschrieben unter großen Mühen an den gelb markierten Stellen und versanken dann endgültig in eine sie vor diesen Irren schützende Ohnmacht. Nachdem die fünf Profidiplomaten den Keller des UNO­Gebäudes unauffällig auf Tragen durch den Hinterausgang verlassen hatten, machten sich Rising Sun und Jonathan Confused auf den Weg zur ersten Pressekonferenz des Indianers.

Das Interesse der Presse an der Konferenz über die Zukunft der Inselgruppe war nicht besonders groß, denn die Profipressevertreter wussten aus langjähriger Erfahrung, dass Konferenzen an einem Freitag so gut wie nie ein brauchbares Ergebnis brachten. Deshalb erschienen um kurz vor 11.00 Uhr nur wenige männliche Vertreter der Presse. Sie wurden von Madame Luxuriant wie immer sehr professionell in Empfang genommen.

„Meine Herren, ich freue mich, dass Sie an einem Freitag die Zeit gefunden haben, um aus erster Hand das Ergebnis der Konferenz über die Zukunft der Inselgruppe im Nordwest­Pazifischen Becken von unserem neuen Mitarbeiter der Abteilung Konfliktlösungen aller Art zu erfahren. Der Mann heißt Rising Sun, ist amerikanischer Staatsbürger und gehört dem Indianerstamm der Namenlosen an. Mit dem Ende der Konferenz, und, damit verbunden, mit dem Beginn der Pressekonferenz, ist gegen 15.00 Uhr zu rechnen. Rising Sun wird dann das Abschlusskommuniqué verlesen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Die Profipressevertreter waren sprachlos, was nur zum Teil an der optischen Erscheinung von Madame Luxuriant lag. Als sie nach wenigen Augenblicken ihre Sprache wiedergefunden hatten und deshalb wieder in der Lage waren, Fragen zu stellen, hatte Madame Luxuriant den Raum schon verlassen.

Um 14.45 Uhr waren deutlich mehr Pressevertreter gekommen, denn es hatte sich in Windeseile in der Branche herumgesprochen, dass eine Freitagskonferenz bei der UNO länger als bis 11.00 Uhr dauerte und, was einer Sensation gleichkam, ein Abschlusskommuniqué verlesen werden sollte. Und Sensationen gleich welcher Art waren die Lieblingsdroge aller Pressevertreter dieser Welt.

Um 15.00 Uhr betraten Rising Sun und Jonathan Confused gut gelaunt den Raum und setzten sich an den für sie vorbereiteten Tisch. Der Indianer blickte kurz in die Runde und eröffnete dann die Pressekonferenz.

„Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich über das große Interesse an der soeben zu Ende gegangenen Konferenz, die sich mit der Zukunft einer besonders schützenswerten Inselgruppe im Nordwest­Pazifischen Becken befasst hat. Diese Konferenz hat den Teilnehmern alles abverlangt. Die Herren hatten nicht mit der Dauer der Konferenz gerechnet und müssen nun dringend zu ihren Anschlussterminen. Die Diplomaten haben mich deshalb gebeten, die Präsentation des Abschlusskommuniqués zu übernehmen, und ich komme dieser Bitte gerne nach. Bevor ich Ihnen das Abschlusskommuniqué vorstelle, möchte ich Ihnen zuerst noch einen Film zeigen, der schon das ungeteilte Interesse der Konferenzteilnehmer gefunden und maßgeblich zum Gelingen der heutigen Konferenz beigetragen hat. Selbstverständlich stehe ich Ihnen im Anschluss noch für Fragen zur Verfügung.“

Der Raum wurde verdunkelt und der Film begann. Die meisten Zuschauer waren schon nach wenigen Filmszenen seekrank und nur das noch folgende Abschlusskommuniqué hielt sie davon ab, fluchtartig den Raum zu verlassen. Das Licht ging wieder an und Rising Sun begann mit der Verlesung des Abschlusskommuniqués. Nicht alle Pressevertreter waren schon in der Lage, den Worten des Indianers zu folgen. Rising Sun beendete seine Präsentation mit den Worten:

„Vor dem Ausgang finden Sie den Wortlaut des Abschlusskommuniqués in Papierform vor. Falls Sie Fragen haben, stehe ich Ihnen jetzt gerne zur Verfügung.“

Aber zu Rising Suns Verwunderung schien dies nicht der Fall zu sein, und schon nach wenigen Minuten saßen der Inder und der Indianer alleine im Raum.

„Ich bin sehr zufrieden mit dem Ausgang der Konferenz und möchte Hungriges Braungesicht als Dank für seine Unterstützung zu einem oder mehreren Pints Guinness in unser Stammlokal einladen. Ich gehe davon aus, dass unser neuer Freund Wladimir dort schon neugierig auf uns wartet.“


Die Arche der Sonnenkinder

Подняться наверх