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10 Am Tag nach der Konferenz

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Am nächsten Morgen lasen die Leser und Leserinnen in den New Yorker Tageszeitungen den folgenden Artikel:

Unerwarteter Durchbruch schon am ersten Tag der Konferenz zur Lösung eines sich anbahnenden Konfliktes im Streit um eine kleine Inselgruppe im Nordwest-Pazifischen Becken.

Die Vertreter der fünf an der Konferenz beteiligten Länder fanden unter Mitwirkung der UNO nach langem, intensiven, und am Ende die Kräfte aller Teilnehmer bis aufs Äußerste beanspruchten Ringen, folgenden Kompromiss:

Die fünf Länder China, Japan, Südkorea, Vietnam und USA werden kurzfristig eine gemeinsame Flotte aus Kriegsschiffen zusammenstellen, die sicherstellt, dass jeder Versuch eines Aggressors, die einmalige und schützenswerte Fauna und Flora auf und in den Gewässern um die Inselgruppe im Nordwest-Pazifischen Becken zu stören, sofort und nachhaltig im Keim erstickt wird. Das Oberkommando über dieses bis heute einmalige Bündnis wechselt jeden Monat. Die Chinesen erhalten als erste das Oberkommando.

Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden.

Während Monsieur Représentant nach der Lektüre dieser Meldung sofort den Generalsekretär der UNO in Australien von seinem Erfolg unterrichtete, wussten die Chefdiplomaten der Staaten, die an der Konferenz teilgenommen hatten, nicht so richtig, was sie von diesem Abschlusskommuniqué halten sollten. Die Profidiplomaten waren auch nach zwei Tagen immer noch nicht ansprechbar. Der Respekt ihrer Kolleginnen und Kollegen war ihnen sicher, denn alle glaubten, nachvollziehen zu können, welch übermenschlicher Einsatz notwendig gewesen sein musste, um diesen historischen Kompromiss zu erzielen. Eine Woche später boten sich Russland und Australien an, dieser neu geschaffenen Allianz NWPP, North­West­Pacific­Pelvis = Nordwest­Pazifisches Becken, anzuschließen.

Die fünf Profidiplomaten wurden nach ihrer vollständigen Genesung befördert und gemeinsam erfolglos für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Die fünf schwiegen hartnäckig über den tatsächlichen Ablauf der Konferenz zur Beilegung des Konfliktes im Nordwest­Pazifischen Becken, denn Jonathan Confused hatte ihnen für den Fall, dass sie ihr Schweigen brechen würden, die Veröffentlichung des Inhalts der fünf kleinen Mappen mit den jeweils sehr persönlichen Informationen in Aussicht gestellt.

Rising Sun und Jonathan Confused wurden einen Monat später von ihrem Chef Monsieur Représentant mit ausdrücklicher Billigung des UN­Generalsekretärs zu Sonderbotschaftern und hochrangigen UNO­Beamten befördert.

In der Folgezeit gelang es den beiden Dank des nahezu unbegrenzten Budgets, über das der Inder nun nach eigenem Gutdünken verfügen konnte, verbunden mit der professionellen Unterstützung Wladimirs, auch bis dato als unlösbar geltende Konflikte in kürzester Zeit zu lösen. Mit der Zeit verringerte sich die Anzahl der Konflikte auf dieser Welt deutlich, denn die besondere Art der Konferenzführung des Inders und des Indianers zur Lösung der Konflikte hatte sich bei den Profidiplomaten und den regierenden Politikern aus aller Welt herumgesprochen. Alle Anstrengungen der Geheimdienste der von den Konflikten betroffenen Staaten, die Informationsquelle der beiden hochrangigen UNO­Beamten zu finden und trocken zu legen, blieben genauso erfolglos, wie die Versuche, den Indianer und den Inder dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen. Die beiden schienen ihren potenziellen Gegnern immer einen Schritt voraus zu sein.

Anlässlich eines Besuchs, den Tom Wladimir abstattete, klopfte der Engländer seinem Freund anerkennend auf die Schulter.

„Mein Freund, was du in der letzten Zeit gemeinsam mit dem Indianer und dem Inder erreicht hast, ist sensationell. Ich soll dir von deinen früheren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sagen, dass sie euch auch weiterhin mit dem größten Vergnügen unterstützen werden. Und was mich betrifft: Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass die UNO einen Teil ihres Budgets sinnvoll ausgibt. Und damit meine ich nicht, dass ich einer der Hauptnutznießer dieses Geldsegens bin, sondern, dass mit dem Einsatz dieses Geldes wirklich Konflikte gelöst werden.“


Hungriges Braungesicht pendelte mittlerweile regelmäßig zwischen seiner Arbeitsstelle in New York und dem Dorf der Namenlosen. Dort bewohnte er gemeinsam mit Duftende Blume ein Zelt, das Listiger Fuchs und Liebliche Kaktee für ihre Tochter und deren Freund gebaut hatten. Nur zum Philosophieren zog der Inder in seine Tonne, die immer noch neben denen von Häuptling Diogenes und Rising Sun stand.

Eines Abends saßen Rising Sun und Hungriges Braungesicht wieder einmal im Dorf der Namenlosen vor ihren Tonnen, um unter dem einmaligen Sternenhimmel zu philosophieren. Da unterbrach der Inder die Stille.

„Rising Sun, wir haben uns in der letzten Zeit sehr erfolgreich um die Lösung von Konflikten aller Art in unserer Welt gekümmert. Ich bin der Meinung, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, dass wir uns nun endlich dem Thema widmen sollten, weswegen du bei der UNO angefangen hast: Dem Schutz bedrohter kleiner Völker, die leider über keine Lobby verfügen.“

„Das ist ein guter Vorschlag, Hungriges Braungesicht. Ich werde darüber nachdenken.“

Und genau in dem Moment, in dem sich Rising Sun wieder ganz auf das Philosophieren konzentrieren wollte, ging eine Nachricht auf seinem Mobiltelefon ein. Der Indianer las sie sofort. Sie stammte von dem kanadischen Kollegen David Chercheur, der vor einiger Zeit den Film über die Inselgruppe im Nordwest­Pazifischen Becken gedreht und damit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der ersten Konferenz zur Konfliktlösung unter der Leitung des Indianers geleistet hatte. Rising Sun wusste, dass der Kanadier irgendwo in Zentralafrika unterwegs war, um im Auftrag der Abteilung von Monsieur Représentant nach einem geheimnisvollen Waldgebiet zu forschen.

Rising Sun, rette die Sonnenkinder vor dem guten Herrscher Charles, dem Ersten, und seinen Spezialeinheiten. Wegen der Ausbeutung wertvoller Bodenschätze ist der Fortbestand dieses kleinen und besonders schützenswerten Volkes bedroht. Einen ausführlichen Bericht habe ich mit der Post aus Frankreich an Jonathan geschickt. David

P.S. Ich werde gefangen gehalten, mit dem Ziel, dass ich die Sonnenkinder verrate.“

Rising Sun zeigte dem Inder die Nachricht ihres Kollegen.

„Was hältst du davon, Hungriges Braungesicht?“

„Es geht los mit dem Schutz bedrohter kleiner Völker. Ich regle die Formalitäten bei der UNO, damit du über ein ausreichend großes Budget verfügen kannst, und du kümmerst dich um unseren Kollegen und die Sonnenkinder.“

„Was weißt du über diesen guten Herrscher Charles, den Ersten, und das Volk der Sonnenkinder?“

„Spontan fällt mir dazu nicht viel ein. Der gute Herrscher Charles, der Erste, gilt im Gegensatz zu den meisten Regierungschefs auf dieser Welt vielen jungen Menschen als Vorbild, und vom Volk der Sonnenkinder habe ich noch nie etwas gehört. Als Mitglied in spe des Stamms der Namenlosen sagt mir mein Bauchgefühl, dass wir uns morgen Abend nach unserer Rückkehr nach New York mit unserem Freund Wladimir treffen sollten. Wie du weißt, hat er Zugang zu Informationen, die ich offiziell gar nicht oder nur sehr langsam bekomme. Ich leite deshalb sofort die Nachricht, die du gerade von David bekommen hast, ergänzt durch die Bitte, uns auch diesmal zu unterstützen, an ihn weiter und lade ihn für 19.00 Uhr in unser Stammlokal ein.“

Die beiden saßen noch eine Stunde vor ihren Tonnen, um zu philosophieren. Aber Rising Sun war nicht in der Lage, sich zu entspannen. In Gedanken weilte er im für ihn unbekannten fernen Afrika. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er dort Menschen kennenlernen würde, die so dachten und fühlten wie er und seinen weiteren Lebensweg entscheidend beeinflussten. Rising Sun sah noch einmal hinauf zu den Sternen und hatte das Gefühl, dass sein Lieblingsstern besonders hell strahlte, um ihm genügend Kraft zu geben, die vor ihm liegenden Aufgaben zu bewältigen.


Die Arche der Sonnenkinder

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