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Sophia Carrera, Tanakas Freundin, hatte gerade Kaffee aufgesetzt und wollte ihr Frühstück vorbereiten, als es an der Wohnungstür klingelte. Freudig eilte sie zur Tür. Da war Kotaro ja endlich! Nach diesem langen Wochenende ohne ihn wurde es wirklich Zeit, ihn wieder in die Arme zu schließen und lange mit ihm zu reden. Er hatte sie gebeten, mehrere Tage auf ihn zu verzichten, weil er sich auf die letzten Seiten seiner Dissertation konzentrieren wollte.

„Du bist total verrückt!“, hatte sie geschimpft, „meinst Du nicht, dass Du in meinem Bett besser schlafen kannst?“

Aber Kotaro war hart geblieben und hatte versprochen, mehrere Tage hintereinander mit ihr im Bett zu verbringen, sobald er seinen Doktortitel in der Tasche hatte. Dann hatte er sich seine Isomatte genommen, sie lange geküsst und war verschwunden.

Als Sophia die Tür öffnete, wurde sie so heftig aufgestoßen, dass die Türklinke gegen die Wand krachte. Sie konnte noch kurz in ein hinter einer Maske verstecktes Augenpaar blicken, dann traf sie ein fürchterlicher Hieb mit einem Schlagring mitten auf die Nase. Das Knacken des Nasenbeins hörte sie noch, sie wurde gegen die Wand der Diele geschleudert und brach zusammen. Danach versank sie für Minuten in tiefer Bewusstlosigkeit.

Sobald Sophia wieder zu sich gekommen war, raste der Schmerz in ihrer Nase durch den ganzen Körper. Sie hatte glücklicherweise nicht besonders viel Blut verloren, aber sie fühlte sich so schwach und elend, dass sie sich nicht bewegen konnte. Von dem Angreifer war keine Spur zu sehen, aber dann hörte sie, wie in den anderen Räumen ihrer Wohnung polternd Schubladen aufgezogen wurden und Glas zu Bruch ging.

“Mein Gott, er ist noch da“, durchfuhr es sie. Sie wollte um Hilfe schreien, aber wer sollte sie in diesem Apartmenthaus tagsüber hören. Alle anderen Hausbewohner gingen regelmäßig zur Arbeit, das Haus war menschenleer. Außerdem war es nicht gut, den Einbrecher erneut auf sich aufmerksam zu machen.

Als das Leben in ihre Glieder zurückkehrte, merkte sie erst, dass ihre Beine oberhalb der Fußgelenke mit Isolierband gefesselt worden waren.

„Dieses Schwein“, tobte es in ihr. „Aber so einfach mache ich es dem nicht!“

Vorsichtig begann sie, sich auf dem Gesäß in Richtung Wohnungstür zu schieben. Doch es war bereits zu spät. Plötzlich stand der Einbrecher über ihr, riss ihren Kopf am Kinn nach oben und schrie sie mit böse funkelnden Augen an:

„Wo ist es? Sag’ sofort, wo es ist, oder ein Nasenbeinbruch bleibt noch das kleinste Übel für dich!“

Mit schmerzverzerrtem Gesicht stammelte Sophia: „Wo soll was sein? Ich weiß nicht, wovon Sie reden.“

Drohend hob der Mann die Faust: „Mach den Mund auf oder ich schlage dir alle Zähne ein!“

Mit einem Ruck befreite Sophia ihren Kopf aus seiner Hand und tauchte unter den Beinen des Mannes weg. Sein Schlag ging ins Leere, er wirbelte herum, doch bevor er sie greifen konnte, hielt er abrupt inne. Im Treppenhaus zu Sophias Wohnung waren zwei Männerstimmen zu hören. Der Einbrecher spähte in den Flurgang. Es war niemand zu sehen, aber die Stimmen wurden lauter. Für einen Moment war er unschlüssig, was er tun sollte, spurtete dann aber in die andere Richtung auf die Nottreppe zu.

„Hilfe, Überfall, halten Sie das Schwein!“, schrie Sophia mit der Kraft, die ihr noch geblieben war.

Der Schläger verschwand auf der Nottreppe und sie hörte, wie zwei Menschen los rannten. Schon war der erste bei ihr, der zweite rannte an ihrer Wohnungstür vorbei zur Nottreppe.

Schnell hatte Kolbe die Situation erfasst, den Notarzt und die Rettung gerufen, und Sophia hatte in kurzen abgehackten Worten den Tatverlauf geschildert. Kolbe hatte ihr die Fußfesseln gelöst, ihren rechten Arm um seine Schultern gelegt und sie vorsichtig zum Sofa geführt und weich gelagert. Dann begann sie hemmungslos zu heulen, Kolbe hatte sie in seine Arme genommen und ihr beruhigend zugesprochen.

„Wer sind Sie, Sie Retter in der Not?“, brachte Sophia unter Tränen hervor.

„Ich bin ein Freund Tanakas“, antwortete Kolbe, dann unterbrach die Ankunft des zweiten Mannes weitere Erklärungen, worüber Kolbe sehr glücklich war:

„Gestatten, Dr. Georg Kolbe, Bibliothekar im Paracelsus-Institut, und das ist Björn Mager, Tanakas bester Laborkollege.“

„Der Typ ist mir entwischt, der war verdammt schnell und gut trainiert“, rang Björn Mager nach Atem.

„Ja, Björn kenne ich bereits“, Sophia brachte ein leichtes Lächeln zustande, „und von Ihnen hat Kotaro schon viel erzählt, aber warum tauchen Sie gerade jetzt bei mir auf?“

Kolbe und Mager schauten sich ratlos an. Verdammt, in dieser Lage konnten sie Sophia doch nichts über Tanakas Tod sagen, das würde ihren Zustand schockartig verschlimmern.

„Wir sind gekommen, um dir etwas Wichtiges mitzuteilen, aber das ist nun Nebensache, zuerst einmal musst du schnellstens behandelt und ins Krankenhaus gebracht werden“, versuchte Björn Mager die Situation zu retten.

„Was Wichtiges?“, begann Sophia, doch dann brach sie ab, fasste ihren Kopf mit beiden Händen und stöhnte: „Oh Gott, diese wahnsinnigen Kopfschmerzen!“

„Frau Carrera, ich glaube, Sie haben eine Gehirnerschütterung, Sie sind doch mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert worden und dazu der Nasenbeinbruch“, sagte Kolbe sachlich, „das Beste ist, dass Sie sich ganz ruhig verhalten, bis der Notarzt kommt.“

Sophia nickte, sank zurück und schloss die Augen.

Etwas später war die Fahrstuhltür zu hören, und Björn Mager, der an der Wohnungstür wartete, rief: „Hierher, hier ist es!“

Der Notarzt und zwei Rettungssanitäter eilten durch den Flur. „Wo ist die Verletzte?“, fragte der Notarzt außer Atem.

Kolbe führte die Rettungsmannschaft zu Sophia, dann klingelte sein Handy, Kolbe nahm das Gespräch an und Brettschneider sagte ohne Einleitung:

„Herr Kolbe, der EDV-Spezialist hat Tanakas PC geknackt, es ist nicht die Spur einer Doktorarbeit auf dem Gerät zu finden und in den Schubladen seines Rollcontainers auch nicht! Der IT-Spezialist hat nicht nur nach Dateien gesucht, sondern in allen Dateien nach Stichwörtern gefahndet, die vom Thema her in Tanakas Arbeit vorkommen müssen. Wir haben seinen Arbeitsplatz zweimal gründlich durchsucht und wir haben keinen Anhaltspunkt, wo sich die Doktorarbeit befinden könnte.“

Brettschneider klang sehr aufgeregt, musste tief durchatmen und fuhr fort: „Wir müssen jetzt alle Netzlaufwerke durchforsten und das kann etwas dauern.“

„Jetzt wird die Sache aber reichlich mysteriös“, antwortete Kolbe, „Tanakas Freundin ist nämlich überfallen worden und der Täter hat in ihrer Wohnung etwas Bestimmtes gesucht. Frau Carrera wird gerade vom Notarzt behandelt und wird gleich in die Klinik gebracht werden. Ich werde nun die Kriminalpolizei verständigen, sie soll die Wohnung untersuchen lassen und sie dann versiegeln.“

„Meine Güte, was für eine Schweinerei läuft da eigentlich ab?“, Brettschneider rang um Fassung, „was ist aus unserem ruhigen Hort der Wissenschaft geworden?“

Kolbe verkniff sich eine Antwort und dachte, dass auch ein Forschungsinstitut in der gesellschaftlichen Realität lebt und kriminelle Energie überall vorhanden ist.

„Es ist gut, dass Sie die Kripo verständigen“, ließ sich Brettschneider wieder vernehmen, „aber dann kommen Sie so schnell wie möglich ins Institut, Ich brauche Sie hier, weil Sie Tanaka am besten gekannt haben und vielleicht etwas über seine Gepflogenheiten wissen. Björn Mager soll in der Wohnung bleiben, bis die Kripo eingetroffen ist. Das wär’s erst mal, alles Weitere mündlich“, Brettschneider legte auf.

„Ich danke euch beiden aus ganzem Herzen, dass ihr zur rechten Zeit am rechten Platz wart“, lächelte Sophia Kolbe und Mager an, als sie auf der Rolltrage an ihnen vorüber gefahren wurde. „Das werde ich nie vergessen.“

Kolbe wurde rot und nuschelte: „Jetzt werden Sie erst mal wieder gesund, aber Sie werden wohl mit dem Besuch der Kripo an ihrem Krankenbett rechnen müssen.“

Ausweglos

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