Читать книгу Silvia - Folge 1 - Jürgen Bruno Greulich - Страница 8

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Über die Sensibilität des Kerkermeisters

Als Silvia wieder erwachte, wusste sie nicht, wie spät es war, ob noch tiefe Nacht oder vielleicht schon früher Morgen. Alles war still um sie herum bis auf ein leises Schnarchen links von ihr und ein schlaftrunkenes Röcheln von gegenüber. Noch immer erhellte nur die Notbeleuchtung dürftig den Raum, was aber nichts besagte, da ja kein Lichtstrahl von draußen hereindringen konnte. Vielleicht wurde die Welt dort draußen, zu der sie nicht mehr gehörte, gerade von der Morgendämmerung erhellt, vielleicht schon von der Sonne beschienen, als sei nichts geschehen.

Sie warteten noch immer an den Gittern, die Belagerer, die bald Eroberer sein würden, warteten ebenso geduldig wie unerbittlich, verwegen pralle Schemen im roten Licht der künstlichen Nacht. Doch maß Silvia ihnen zu viel Bedeutung bei. Sie waren nicht die Bezwinger, waren keine beseelten Wesen, sondern nur gleichgültige Gegenstände, Werkzeug, das sie vorbereiten würde auf die Wünsche ihres Gebieters und der unbekannten Männer.

Ob er das wusste, ihr liebender Gatte, der ihr, wie sie annahm, einen Seitensprung nie und nimmer verziehen hätte? Aber sicherlich hatte die Herrin ihm nicht verheimlicht, dass man sein Weib zu prostituieren gedachte, unmöglich, so etwas ohne sein Einverständnis zu tun. Weshalb ließ er das zu? Weil es nicht ihrem Privatvergnügen diente, sondern ihrer „Erziehung“, und weil sie es nicht aus eigenem Antrieb tat, sondern auf Befehl, in seinem Auftrag sozusagen, womit es ihn nicht herabsetzte, nicht schmähte, ihn ganz im Gegenteil zu ihrem Herrn erhob, der über sie nach Belieben bestimmte?

Ein harmloses Spiel, wie von ihm behauptet, war das jedenfalls nicht, mit klammen Herzen musste sie begreifen, dass er sie tatsächlich und allen Ernstes zu seiner Sklavin abrichten ließ, vielleicht für immer und alle Zeiten, unwiderruflich? Aber war sie nicht die ganze Zeit schon von ihm abhängig gewesen, angewiesen auf sein Geld und seiner Dominanz unterworfen, hatte er nicht die Entscheidungen getroffen und sie sich gefügt, von Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten abgesehen? Wurde nun das heimlich Vorhandene so unverschleiert wie ihr Körper gezeigt? Es wird dir nichts geschehen, was du dir nicht im Grunde deines Herzens wünschst. Sollte diese Behauptung etwa noch viel wahrer sein, als sie ahnte?

Die schwere Eingangstür wurde geöffnet, langsam, als leiste sie Widerstand, und müde Schritte schlurften herein. Im nächsten Moment ging die gelbe Sonne der Deckenbeleuchtung auf, wurde es Tag von einer Sekunde auf die anderen. Der dunkelhaarige Aufseher stand im Raum, bekleidet mit der Kluft von gestern.

„Hallo, Mädchen, aufwachen“, sagte er mit brüchiger Stimme, konnte lauter mit dem Schlüsselbund klappern als sprechen. Entweder hatte er eine harte Nacht gehabt oder klang seine Stimme von Natur aus wie die eines verkaterten Trinkers, auch das sollte es ja geben, sinnierte Silvia, während er eine Zellentür nach der andern aufschloss. Dann stand er vor ihrem Käfig und blickte erstaunt in ihre klaren Augen. „Ach, du bist schon wach?“

„Ja. Schon eine ganze Zeit.“

Er schaute sie tadelnd an, als habe er sie bei einem unverzeihlichen Vergehen ertappt, gleich aber winkte er ab, als fehle ihm die Kraft für einen Verweis oder Schlimmeres. „Na ja, du bist neu hier … aber du weißt, wie die richtige Antwort lautet?“

„Oh, ich hatte vergessen“, hauchte sie betreten.

„Das nächste Mal lasse ich es dir nicht mehr durchgehen, merk dir das!“ Natürlich war er mahnend erhoben, der Zeigefinger.

„Ja, mein Behüter, ich merke es mir.“ Das war nun endlich die richtige Sprache, sie brachte ihr ein lobendes Nicken ein. Der Aufseher steckte den Schlüssel ins Schloss ihrer Zellentür und drehte ihn mit sanfter Hand. Ob er in diesem Moment das Gleiche wie Silvia dachte? Sie schämte sich ihrer obszönen Fantasie, begegnete seinem dunklen Blick, senkte die Lider und hörte sein verwirrtes Räuspern, dann ging er weiter.

Verschlafen trotteten die Mädchen aus ihren Käfigen. Isabel rieb sich die Augen wie ein müdes Kind, Claudia gähnte mit offenem Mund, Maria seufzte schwer, da ihr anscheinend einfiel, was dieser Tag ihr bringen würde, und Jasmin, die noch gar nichts sah, hätte um ein Haar mit dem Ellbogen den Poformer von der Ablage gewischt. Ganz am Rande der kleinen Plattform kam er zum Stehen und vorsichtig rückte sie ihn zurecht. Nur Silvia befand sich im Vollbesitz der Sinne, was kein Vorteil war.

Sie gingen zur Toilette, ließen sich auf den Bidets nieder, nahmen eine Dusche. Die Hemdchen landeten im Wäschekorb und einer der beiden Jungs für alles verteilte frische Kleidung. Es waren keine langen Gewänder, sondern … Silvia wusste nicht, wie sie diese spitzenbesetzte Nichtigkeit nennen sollte, die dunkelblau war und natürlich durchsichtig. Sie reichte knapp bis zur Taille, ein Träger schlang sich um den Nacken und zwei Bänder wurden am unverhüllten Rücken zu einer Schlaufe gebunden. Eine Art Schürze war es wohl, aber eine, die man nirgendwo anders als hier tragen konnte. Durch die großen Maschen des Netzgewebes lugten die Knospen hindurch. Zum Glück verbreitete die Bodenheizung angenehme Wärme, ein Frösteln gab es nicht auf der Haut, nur in der Seele.

Zum dunklen Blau der Schürze wurden schwarze Stöckelschuhe getragen. Diese gab es im Mädchenraum in der schwarzen Kommode, die sich als Schuhschrank entpuppte. Auch sie war in sechs Fächer unterteilt und hielt für jedes Mädchen weiße, schwarze und rote Schuhe bereit, alle mit hohen dünnen Absätzen.

Es duftete nach Kaffee und frischen Brötchen, der Tisch war reichlich gedeckt, fast wie für Prinzessinnen, es wunderte Silvia sehr, so schlecht wie befürchtet wurden sie also gar nicht behandelt. Während sie sich labten an Croissants, an Milch und Honig, Schinken und Käse, Früchten und Saft, saß der Aufseher abseits an seinem Aufsehertisch und rührte gedankenverloren in seinem schwarzen Kaffee. Traurig sah er aus, aber das war ja kein Wunder. Den ganzen Tag von hübschen, aufreizend zurechtgemachten, fügsamen, weder schnippischen noch zickigen Mädchen umgeben und trotzdem in ausgeschlossener Einsamkeit verloren, das war ein hartes Los. Es musste ein merkwürdiger Job sein für einen Mann, sofern er nicht durch und durch schwul war, eine nicht enden wollende Übung in Enthaltsamkeit, die reinste Tantalusqual. Ob er wenigstens gut bezahlt wurde?

Doch war zu viel Mitgefühl für einen Kerkermeister nicht angemessen, auch nicht für einen traurig dreinblickenden. Vielleicht war er auch gar nicht traurig, sondern tatsächlich nur verkatert, vielleicht auch in sich versunken, sinnierend – gar sensibel? Nein, unmöglich, denn dann wäre er nicht hier! Stark war sein Bartwuchs, auch frisch rasiert, wie er war, wurde sein Gesicht von einem dunklen Schatten überzogen, voll waren die Lippen, etwas krumm stach die Nase hervor, ein bisschen phlegmatisch war der Blick seiner dunklen Augen. Ebenso wie sein Kollege war er noch relativ jung, dreißig vielleicht oder knapp darüber.

Wie er zu diesem Job hier wohl kam, der doch kaum Perspektiven für die Zukunft und keine Aufstiegschancen bot, höchstens zum Oberaufseher vielleicht, falls es einen solchen gab? Ein abgebrochenes Jurastudium hätte Silvia ihm zugetraut, vielleicht gehörte er aber auch zur Heerschar der erfolglosen Künstler, die auf irgendeine Weise ein bisschen Geld nebenher verdienen mussten. Er bemerkte ihren Blick, seine Miene straffte sich, als müsse er Autorität beweisen. Silvia senkte die Lider, wie es sich hier gehörte für ein Mädchen wie sie.

Jasmin fragte, ob sie noch Kaffee wolle, und schüttelte fast unmerklich den Kopf, tadelnd fast, wie es Silvia schien, aber wahrscheinlich täuschte sie sich. Während sie die Tasse hochhielt und sich noch ein Schlückchen einschenken ließ, mahnte Claudia besorgt, dass sie mit dem Lernen der Regeln bald anfangen solle, da schneller Donnerstag sei, als sie denke. Und es sei sehr ratsam, sie zu kennen, fügte Maria bekümmert hinzu. Wenn sie wolle, könne man ihr helfen.

Natürlich hatte Silvia dagegen nichts einzuwenden und Claudia fragte, ob sie die Regel sechs kenne. Silvia kannte sie nicht, woher auch, hatte das Werk ja nur einmal kurz überflogen.

Es war Isabel, die den Text rezitierte: „Jede eigenständige Kontaktaufnahme gleich in welcher Form mit den Behütern ist den Mädchen nicht gestattet.“

Ach, so war das! Hatte sie den Aufseher etwa so offensichtlich angestarrt, dass sie alle es bemerkten? Sie zupfte sich verlegen am Ohr und versprach zerknirscht, ab sofort mit dem Lernen der Regeln zu beginnen.

Ab sofort bedeutete allerdings nicht jetzt sofort, denn vor dem Lernen der Regeln galt es sie zu befolgen, was zwar unlogisch war, in der Gruppe aber durchaus praktizierbar, sie musste ja nur tun, was alle taten. Aufgescheucht von ihrem Behüter, in den plötzlich Leben einkehrte, erhoben sie sich vom Tisch. Jasmin, die als „Helferin des Tages“ fungierte, öffnete neben der Kommode eine versteckt eingelassene Tür, die in eine kleine Kammer führte. Diese beherbergte Putzutensilien wie Besen, Kehrbleche, Wischeimer und andere Dinge, zum Beispiel runde schwarze Blechdosen, die aussahen, als enthielten sie Schuhcreme. Aber nein, diese Vermutung Silvias war falsch. Creme war es schon, aber nicht für Schuhe, sie war farblos und diente besserer Gleitfähigkeit, so stand auf dem Deckel geschrieben. Oh. Der erste der Belagerer setzte zur Eroberung an!

Zögernd bereitete Silvia ihm selbst den Weg, wie es auch die anderen taten. Sie ging zu ihrer Zelle, bedachte den klobigen schwarzen Dildo mit skeptischem Blick, nahm ihn vorsichtig zur Hand, als wäre er bissig, und begann ihn mit der Creme zu bestreichen. Zaghaft glitt ihr Finger über die vordere Rundung, über den glatten, festen Schaft, über die Verdickung in der Mitte, beschmierte ihn reichlich, damit es nicht an Geschmeidigkeit mangele. War er nicht viel zu groß für die vorgesehene jungfräuliche Öffnung, in die noch nie etwas eingedrungen war außer einem Fieberthermometer in Kindheitsjahren, schon damals war es ihr peinlich gewesen, hatte sie sich komisch gefühlt, hilflos und gedemütigt, auch wenn ihr dieses Wort damals noch unbekannt gewesen war. Inzwischen war es ihr vertraut, wurde zum treuen Begleiter, bekam jetzt, zu dieser morgendlichen Stunde eine neue Dimension. Sie sah, wie die Mädchen den Dildo auf die Ablage zurückstellten und sich auf die Knie niederließen, das Gesicht auf den Boden betteten, die Beine spreizten und den Po in die Höhe reckten wie Vogelküken den Schnabel zur Fütterung.

Nur Jasmin blieb stehen, führte das Gummi in sich ein, halb in den Knien; Silvia sah nicht, wie sie es empfing, denn auch sie kauerte auf dem Boden, das Gesicht in die Hände gelegt, die Beine geöffnet, den Unterleib emporgereckt, würdelos. Gut möglich, dass die Mädchen, die das alles mit sich geschehen ließen, für den Aufseher gar keine Versuchung waren, vielleicht empfand er nichts als Verachtung für sie, vermutete Silvia, erfüllt von abgrundtiefer Scham.

Jasmin musste von einer zur andern gehen und sie mit dem Dildo spicken, atemlose Stille lag im Raum, unterbrochen von manch aufgewühltem Seufzer. Niemals, dachte Silvia mit pochendem Herzen, ihr ganzes Leben nicht würde sie diese Minuten der tiefsten Erniedrigung vergessen, wie sich ja auch die Szene mit dem Thermometer fest ins Gedächtnis gegraben hatte. Dann stand Jasmin hinter ihr und sie spürte etwas Kühles den After berühren, zuckte zusammen, wollte ausweichen.

Eine Hand am Schoß aber trieb ihren Po wieder hoch und beschwichtigend klang Jasmins Flüstern: „Ganz ruhig. Es ist nicht schlimm.“

Das Gummi fand seinen Weg, von sanfter Hand geführt, durchbrach die Sperre, kam in sie, groß, dick, drängend. Es tat weh, ließ sie qualvoll stöhnen, dann glitt die dickste Stelle durch den Engpass hindurch und es wurde eingesogen, fand festen, unverrückbaren Halt, war mit einem Male wirklich nicht mehr schlimm, quälte nicht, füllte sie bis in den letzten Winkel aus, war ein unwiderstehlicher Eroberer, dem sie sich bebend ergab. Ein sanfter Klaps auf den Hintern hieß sie aufstehen und seufzend kam sie auf die Beine, versuchte ihre Gefühle zu verbergen, was aber nicht gelang. Angeregt wiegten die Hüften und jede kleine Bewegung entfachte unbekannte, reizvolle, zitternde Lust. Den andern erging es nicht anders, auch sie boten ein Bild der Sinnlichkeit mit verklärten Mienen und halb geöffneten Lippen, an diese Fülle gewöhnte man sich anscheinend nicht.

„Nun denn, geht an die Arbeit“, befahl der Aufseher mit milder Stimme. Ein aufmunterndes Händeklatschen entsprach nicht seinem Naturell, ein Grund mehr, ihn etwas sympathischer zu finden als seinen blonden Kollegen, sofern ein Wort wie sympathisch im Bezug auf einen Schergen der Herrin erlaubt war.

Die erste Arbeit bestand im Abräumen des Tisches, vorbei war es mit der Prinzessinnenzeit. Sie packten das Geschirr und die Essensreste auf drei Tabletts und folgten dem Aufseher die Treppe hinauf mit behutsamen kleinen Schritten. Silvia musste keines tragen, da sie die Neue war, noch nicht integriert, und auch Isabels Hände blieben leer, bei ihr ohne Grund, einfach weil es mehr Mädchen als Tabletts gab und also nicht jede eines haben konnte. In der Halle oben wurden sie von den Skulpturen wie von Freundinnen begrüßt, den Botinnen stummer Duldsamkeit, die sich das Treiben der Menschen mit stiller Heiterkeit beguckten.

Ihr Weg führte nicht in die Richtung von gestern Abend, sondern nach rechts, sie gelangten in einen anderen Korridor, der sich vom bekannten nicht unterschied, öffneten eine der ersten Türen und betraten eine geräumige Küche. Trübes Licht fiel durch die hohen Fenster herein, graue Wolken trieben über den Park, der sich duckte unter dichtem Regen. Es war passendes Wetter für den Aufenthalt hier, dem heller Sonnenschein nicht angemessen gewesen wäre. Ein großer Gasherd stand in der Mitte der weiß gekachelten Küche, zugänglich von allen Seiten und überdacht von einer metallen glänzenden Dunstabzugshaube. Weiße Schränke rundum beherbergten das Geschirr und die Töpfe, Pfannen und Schüsseln oder sollten es jedenfalls beherbergen, das meiste aber türmte sich außerhalb auf zweigeschossigen Servierwagen, das Geschirr des ganzen gestrigen Tages, des gesamten Personals und der Mädchen, schmutzig und verkrustet wartete es auf den Abwasch. Ihre nächste Arbeit. Offenbar sollten sie nicht nur zu Sklavinnen, sondern auch zu perfekten Hausfrauen abgerichtet werden, was aber sowieso kein Unterschied war.

Isabel und Claudia spülten, Jasmin und Silvia trockneten ab, Maria räumte ein und der Aufseher saß auf einem Stuhl und passte auf. Es gab Momente, in denen Silvia das Gummi im Hintern einfach vergaß, als sei es nicht vorhanden, doch rief es sich immer wieder in Erinnerung, ließ sie zusammenzucken, ihren Körper zittern, zwang sie in die Knie, trieb aufgewühlte Seufzer von ihren Lippen. Auch die anderen Mädchen stöhnten bei jeder unbedachten Bewegung unterdrückt auf, erledigten die Arbeit mit wiegenden Hüften, hielten immer wieder mal kurz inne mit verkrampftem Leib und verklärtem Gesicht. Es war ein sinnlicher Abwasch, den sie dem Aufseher boten, jede fühlte das Gleiche, keine konnte sich der Stimulanz entziehen, keine die Kontrolle über ihren Körper wahren, keine war allein mit ihrer Lüsternheit, jede sah, dass es den andern ebenso erging, dass sie die Schmach mit ihnen teilte. Das war ein Trost und wohl eine Voraussetzung für das Funktionieren der merkwürdigen „Erziehung“. Nach dem Abwasch mussten sie den Boden wischen, die Schränke, den Herd und die Abzugshaube reinigen, bis alles blitzblank blinkte.

Damit aber war erst ein Teil der vormittäglichen Arbeit erledigt, weiter ging es unten, wo sie die Toiletten und den Duschraum zu putzen hatten. Noch öfter als in der Küche ließen sich die lustvollen Laute dabei vernehmen, da sie sich über Toilettenschüsseln beugen, vor Bidets knien und sich zu den Duschwänden und Spiegeln recken mussten, Bewegungen, bei denen der Poformer aufreizend drängte und drückte, wie lebendig geworden.

Auch der Schminkraum wurde gereinigt, den Silvia noch nicht gesehen hatte. Er war sowohl vom Dusch- wie auch vom Mädchenraum erreichbar und in dunklem Rot gehalten. Sechs Stühle standen vor runden Spiegeln, die zusätzlich zum weißen Deckenlicht von Strahlern beleuchtet wurden, auf gläsernen Ablagen gab es ein reiches Angebot von Cremes, Lidschatten, Lippenstiften, Parfüms und was frau noch so alles zur Verschönerung brauchte. Darum durften sie sich aber erst später kümmern, zuvor mussten sie noch die Schuhe putzen und anschließend die Lust-, nein Vorbereiter auf Männerwünsche und das Symbol der Sinnlichkeit säubern, die Belagerer, die noch immer geduldig an den Gittern warteten, bis sie an die Reihe kamen. Mit einem feuchten Tuch in Händen näherte sich Silvia den Kugeln, nahm sie skeptisch von der Ablage und hörte sie dumpf klacken. Was war das?

Isabel, ihre Zellennachbarin, bemerkte ihre Ratlosigkeit und nahm sie ihr unbekümmert: „Das Klacken kommt von kleineren Kugeln, die sich in ihrem Innern befinden. Sie kullern gegen die äußere Wand und versetzen sie in Schwingung, die man, nein, die frau dann spürt. – Sie sind neu für dich, nicht wahr?“

„Allerdings. Ich wusste nicht, dass es so etwas gibt.“

„Na ja, so ging’s mir auch, bevor ich hierherkam. Aber sie sind sehr angenehm.“

Sorgsam wischte Silvia sie ab, obgleich es nichts abzuwischen gab, keinen Fleck auf der metallenen Haut, keine Spur von irgendetwas, nicht einmal ein Staubkorn. Behutsam, als fürchte sie, dass sie zerbrechen könnten, legte ihre Hand sie in die Vertiefung zurück. Das nächste Stück bedurfte keiner Erklärung, das verstand sie auch so. Mit ehrfürchtig spitzen Fingern nahm sie den „Freudenslip“ vom Haken. Welch eine stolze Nachbildung männlicher Kraft sie da in Händen hielt, er war größer als der von Wolfgang, um einiges sogar, faltig war der Schaft, wulstig die Spitze. Und das zum Essen? Wie sollte man mit diesem Ding in sich auch nur einen Bissen hinunterbekommen? Sie umschloss ihn mit dem Tuch, ließ es sanft auf- und abgleiten, obgleich es auch an ihm nichts zu reinigen gab. Aber wenn man es so verlangte? Na ja, irgendwie würde das Essen auch damit möglich sein, ermutigte sie sich, es war ja schließlich auch kein Problem gewesen, das schwarze Ding dort hinten zu tragen, wo sie es sich ganz und gar nicht hatte vorstellen können. Es war so vieles hier möglich, viel mehr, als sie je geglaubt hatte … Sie hängte den Slip an den Haken zurück und lehnte die Spitze des Godemiché an die metallene Platte an, die man eigens dafür ans Gitter geschraubt hatte, damit er nicht unwürdig nach unten hänge.

Eines fehlte noch, davon musste, nein, durfte sie jetzt Abschied nehmen. Sie ahmte das Beispiel der anderen Mädchen nach, fasste mit beiden Händen nach der Abschlussplatte dort hinten und zog den Pfropfen behutsam heraus, begleitet von erlösten, erregten, für einen Moment auch schmerzhaften Seufzern. Warm lag er in ihrer Hand und an ihm gab es etwas zu wischen. Sie reinigte ihn gründlich mit dem feuchten Tuch, trocknete ihn sorgsam ab und stellte ihn auf die Ablage, wo er bis morgen bleiben würde.

Die Mädchen nahmen eine Dusche, durch die gläsernen Wände vom Aufseher gewissenhaft beobachtet, und zogen danach die bereitliegenden knöchellangen Gewänder über, die denen von gestern glichen, aber nicht weiß waren, sondern dunkelblau wie die Schürzen.

„Jeder Tag hat seine eigene Farbe“, bekam Silvia von Jasmin erklärt. „Und Montag ist Dunkelblau.“

„Dann sind sie sozusagen unsere Kalender“, stellte Silvia fest und linste scheu zum Aufseher hinüber, der sich glücklicherweise nicht für sie zu interessieren schien. So also fand sie den Mut zu weiteren Worten: „Es könnte die Welt untergehen und wir würden es hier nicht mitbekommen.“

„Na ja, vielleicht würde es uns die Herrin mitteilen …“

Ein mahnendes Räuspern des Aufsehers berichtete ihnen, dass er aufmerksamer war als gedacht, und mit einem unschuldigen Blick zu ihm hinüber beendeten sie das Gespräch.

Silvia - Folge 1

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