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Drei Mütter und Kakao mit Schuss

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Der junge VW-Mechaniker untersuchte nun schon über eine Stunde lang das Auto.

»Motorhaube, Prallbox vorne und linker Kotflügel, Blinker, Scheinwerfer, Kühler eingedrückt, Sprung in der Frontscheibe und Dach eingedellt. Das sind alles in allem acht- bis zehntausend Euro. Was genau haben sie denn angefahren, einen Elch?«

Es klang nach einem flachen Scherz, aber Emilia Wollner war nicht zum Lachen zumute. »Es war ein riesiges Tier und es ist danach weggelaufen, irgendwo in der Nähe von Torfhaus. Ist auch egal, können Sie es richten? Das Geld ist nicht das Problem! Ich möchte nur vermeiden, dass mein Mann das mitbekommt. Sie verstehen sicher.«

Der Mann in seinem fleckigen Overall kratze sich an den Bartstoppeln. Emilia konnte anhand seines mehrdeutigen Blickes, der er ihr zuwarf, denken, dass er sie versuchte abzuschätzen.

»Ich krieg das schon hin. Sagen wir neuntausend und ein Abendessen.« Er grinste sie dazu verwegen an.

Emilia Wollner hatte oft eine solche Wirkung auf Männer. Es wurde Zeit, ihm seine Grenzen aufzuzeigen. Sie fixierte ihn und sagte: »Gut! Neuntausendundfünfzig und Sie gehen alleine essen!«

Der Mann hob abwehrend die Hände. »Schon gut, Sie können mir nicht vorwerfen, es versucht zu haben. Ich mache es für die Neun, aber ich brauche ein paar Tage. Wann kommt Ihr Mann zurück?«

Emilia Wollner fiel nicht auf diesen Versuch, sie doch noch weiter auszuhorchen, herein.

»Das braucht Sie nicht zu kümmern. Sie müssen ihn sowieso neu lackieren. Ändern Sie die Farbe in Blau. Ich erzähle meinem Mann dann einfach, dass ich ihn zum Lackieren gegeben habe.«

Der Mann nickte, lächelte verschwörerisch und wollte anscheinend gerade noch etwas erwidern, da schrillte ein altes Handy los und unterbrach das Gespräch.

Emilia Wollner hob ab. Es war Theobalds Mutter.

»Frau Wollner, hier ist Anna Binsenkraut. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich habe Ihre Nummer von der Klassenliste. Mein Sohn Theobald wollte mit Ihrer Tochter laufen gehen, aber das war vor über drei Stunden. Er müsste längst zurück sein. Sie sind überfällig.«

Emilias Geist verfinsterte sich. Elisabeth hatte sich zwar zum Laufen verabredet, aber sie wollte mit Sabrina trainieren. Da stimmte etwas gewaltig nicht.

»Elisabeth ist bei Sabrina, irgendwo am Zellbach. Sie wollte eigentlich mit ihr laufen.«

»Vielleicht sind sie zu dritt los. Ich weiß, wo die Schuberts wohnen. Ich fahre da gleich hin, komme sowieso gerade mit dem Auto zurück.«

»Wenn es Ihnen keine Umstände macht, könnten Sie mich an der Kreuzung Erzstraße und Altenauer aufsammeln. Ich bin zu Fuß unterwegs.«

»Ist gut, mache ich. Ich bin in ein paar Minuten da.«

Emilia Wollner winkte dem Mechaniker und gab ihm per Handzeichen zu verstehen, dass er fünf Tage hatte. Er nickte. Dann verließ sie die Werkstatt und ging zur Kreuzung. Bald hielt ein weißer VW Bulli mit dem Aufdruck Bergapotheke Zellerfeld direkt neben ihr. Emilia Wollner stieg ein.

»Danke, dass Sie so schnell gekommen sind. Denken Sie denn, dass etwas passiert sein könnte?«, wollte sie wissen.

»Nun, ich hatte Theobald aufgetragen, mich anzurufen, um die Nachbestellungen durchzugeben. Ich komme eben aus Nordhausen, da hätte ich alles gleich mitbringen können. Er hat es aber nicht getan und geht auch nicht ans Telefon. Meine Nase sagt mir, da stimmt was nicht.« Anna Binsenkraut drückte aufs Gaspedal.

»Da können Sie Gift drauf nehmen. Ich wusste gar nicht, dass Ihr Sohn auch dabei ist.«

Schon Momente später hielten sie bei den Schuberts. Regen setzte ein. Frau Schubert erschien auf das Klingeln hin an der Tür. Ein herrlicher Duft nach Apfelkuchen begleitete sie. Erstaunt blickte sie in die Gesichter der anderen beiden Mütter.

»So eine Überraschung, ich dachte, die Kinder sind zurück, weil es zu regnen beginnt. Habe gerade den Apfelkuchen fertig.« Dann erst bemerkte sie die Mienen. »Ist was passiert?«

Emilia Wollner antwortete am schnellsten. »Nun, angeblich ist meine Tochter nur mit Ihrer Tochter unterwegs und Theobald nur mit meiner. Außerdem sind die Kinder zu spät dran.«

Frau Schubert war aber nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. »Na, dann haben sie sich halt umentschieden. Sie sind alle drei weg. Kommen Sie rein, Sie werden ja noch ganz nass. Soweit ich weiß, wollten sie eine große Runde drehen, zum Negersprung, weil da ein Wolf angefahren worden sein soll, habe ich mitgehört.«

Emilia Wollner wurde bleich und ergriff Frau Schuberts Arme. »Was? Sind Sie sich sicher?«

»Ja, ja, schon, was ist denn dabei?«

Jetzt kreischte Emilia Wollner förmlich: »Was dabei ist? Das war ein … das war ein Wolf, ich meine, ein großer Wolf, den ich gestern angefahren habe. Unser Auto ist komplett zerdellt. Und trotzdem, der könnte da noch herumstreunen.«

Jetzt schauten die anderen beiden Mütter schockiert.

»Sie haben einen Wolf so schwer angefahren? Und Sie befürchten, dass er noch lebt? Unwahrscheinlich, es sei denn …« Anna Binsenkrauts Augen wurden schmal, als habe sie plötzlich eine Eingebung, die ihre Stimme eiskalt und geschäftsmäßig werden ließ. »Wir müssen los und sie suchen. Kommen Sie, ich fahre.«

Emilia entging der Stimmungswechsel nicht. Die Fahrt wurde rasant. Auf der Adolph-Roemer-Straße sprangen zwei Fußgänger verschreckt von der Fahrbahn, als der Wagen auf sie zuraste und wild hupte.

»Wie groß war der Wolf genau?«, verlangte Anna von Emilia zu wissen, die sich an den Griff der Schiebetür klammerte.

Emilia war hin und her gerissen, ihre Befürchtungen laut auszusprechen, besann sich dann aber.

»Es war so nebelig und halb dunkel, ich habe ihn nur vage gesehen.«

»Müssten Sie das nicht dem Förster melden?«, kam es von Martha Schubert, die ebenfalls reichlich nervös wirkte, am meisten wohl aufgrund des Fahrstils.

»Im Grunde ja«, sagte Anna Binsenkraut. »Aber ich kenne den hiesigen Förster. Der ist über sechzig und hatte vor Kurzem einen schweren Bandscheibenvorfall. Glauben Sie ja nicht, der würde heute da hinfahren.«

Sie drückte das Gaspedal durch und überfuhr die Ampel vor dem Oberbergamt bei Rot. Regen prasselte auf die Windschutzscheibe, während der Wagen auf die Bundestrasse Richtung Osterode schoss.

Höhe Buntenbock kamen ihnen drei Gestalten entgegengerannt. Von der Rücksitzbank sah Emilia Wollner, wie ein Junge und Sabrina vorneweg liefen und ihre Tochter schnell zu ihnen aufschloss. Sie rannten alle, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Anna Binsenkraut stieg voll in die Bremse und legte eine hollywoodreife 180°-Drehung hin. Theobald hatte den Wagen bereits erkannt und dirigierte die Mädchen zu dem Auto. Als Emilia Wollner die Schiebetür endlich aufbekam, sprangen alle drei hinein. Sabrina fiel ihrer Mutter von hinten um den Hals und schluchzte wild. Theobald setzte sich gleich hin und sagte keinen Mucks. Elisabeth zog die Tür mit einem Krachen zu. Emilia nahm ihre triefnasse Tochter in den Arm und drückte sie ganz fest. Anna Binsenkraut, die niemand umarmte, drehte sich auf ihrem Sitz nach hinten um. Sie blickte direkt ihren Sohn an, doch er hielt schuldbewusst seinen Kopf gesenkt. Trotzdem konnte man die Spannung zwischen beiden fast greifen.

»Wir reden später!«, fuhr sie ihn an.

Sabrina, die immer noch zitterte, teils vor Kälte, teils vor Angst, sprang ihrem Freund bei und sagte: »Er kann nichts dafür. Ich habe Elle vorgeschlagen, dass wir doch auf unserem Weg noch einmal an der Stelle vorbeilaufen könnten, wo der Wolf abgestürzt ist.«

Emilia Wollner erstarrte und begann zu zittern.

Anna Binsenkraut blickte Sabrina tadelnd an. »Nun, das hättet ihr ja auch sagen können, dass ihr zu dritt bis zum Negersprung wolltet. Ich bin davon ausgegangen, dass mein Herr Sohn nur kurz mit Elisabeth joggen geht und mir dann die Bestellungen durchgibt. Und Frau Wollner hier wusste nur, dass du mit Elisabeth laufen wolltest. Dass ihr alle drei eine Wolfssuchaktion durchführt, wusste keiner.«

»Doch ich!«, entgegnete Frau Schubert, schränkte dann aber ein: »Na ja, ich habe es halt mitgehört und habe mir nichts dabei gedacht.«

»Wieso hast du das mit dem Wolf herumerzählt?«, fragte Emilia Wollner, nachdem sie ihre Fassung wiedergefunden hatte, und blickte ihre Tochter vorwurfsvoll an.

»Mama, entschuldige bitte, du hättest nie zugestimmt, dass wir die Stelle nochmal ansehen. Es hat ja keiner ahnen können, dass er noch lebt.«

Panik spiegelte sich in Emilias Augen. »Waaas?«

Bevor noch jemand etwas sagen konnte, meldete sich Martha Schubert energisch zu Wort. »Es sind drei Kinder verloren gegangen, es sind drei Kinder gefunden worden und sie sind wohlauf und nass. Das verlangt nach Kakao und Apfelkuchen und ich dulde keine Widerrede, von keinem von euch. Nichts ist es jetzt wert, dass wir uns hier im Auto streiten und die Kinder eine Erkältung bekommen. Sind wir nun Mütter oder was? Frau Binsenkraut, bringen Sie uns wieder an den Zellbach. Und diesmal bitte etwas gesitteter.«

Diese sah für einen Moment aus, als wenn sie explodieren würde, aber schließlich forderte sie alle nur zum Anschnallen auf und fuhr wieder zurück.

Eine halbe Stunde später saßen sie eng nebeneinander in Handtücher gewickelt auf dem Sofa der Schuberts. Jeder hatte vor sich ein dickes Stück selbstgebackenen Apfelkuchen mit Schlagsahne und eine dampfende Tasse Kakao. Für Elisabeth hatte Frau Schubert sogar von irgendwoher Sojamilch aufgetrieben und Kuchen aß sie sowieso nicht. Die drei Mütter hatten auf den zwei Sesseln und dem Hocker Platz genommen. Auch sie hatten einen dampfenden Kakao vor sich, mit Schuss, wie Sabrina Elisabeth heimlich ins Ohr flüsterte. Der Kakao schmeckte himmlisch gut und der Apfelkuchen noch besser. Eine Weile lang sagte niemand etwas.

Nach einer Weile brach Anna Binsenkraut das Schweigen.

»Damit ich das richtig verstehe, ihr behauptet, der Wolf, den ihr gerammt habt, sodass das ganze Auto zerdellt wurde, lebt tatsächlich noch? Habt ihr ihn gesehen?«

Die Kinder wechselten Blicke, dann nahm Elisabeth sich ein Herz. »Der, den wir angefahren haben, hatte fast nur graues Fell. Derjenige, der uns mit seinem Geheule vertrieben hat, hat sich nicht gezeigt und er hat auch an den jungen Fichten gerüttelt. Es könnte derselbe sein, aber ich bin mir nicht sicher.«

Anna Binsenkraut schaute etwas verwundert, erst zu Elisabeth, die aber tapfer ihrem Blick standhielt, dann zu ihrem Sohn, der seinen Kakao-Becher zu hypnotisieren schien.

»Könnt ihr anderen beiden das bestätigen?«

Beide schüttelten den Kopf, doch Sabrina setzte noch hinzu: »Nicht alles. Ich war so fertig und bin oben auf der Straße geblieben. Als das Wolfsgeheul losging, konnte ich nicht mehr klar denken. Meine Beine sind von alleine losgelaufen. Theo war fast schon wieder bei mir, aber Elle war noch unten am Hang. Sie ist eine sehr gute Läuferin. Sie hat uns eingeholt, obwohl wir immer noch das Aufputschmittel drin hatten.«

Elisabeth konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Theobald plötzlich zu zittern begann. Schnell warf sie ein: »Ja, äh, sie haben sich so einen High-Energy-Drink reingetan. Ich halte ja nichts davon, aber sie konnten schon auf dem Hinweg ganz ordentlich mithalten.« Elisabeth machte den Fehler, ihre Mutter anzusehen, und erkannte, dass diese begriff, dass sie log. Doch zu ihrer Verwunderung sagte sie zunächst nichts.

»Vielleicht liegt der Wolf da noch und kann sich nicht mehr von der Stelle bewegen?«, mutmaßte Martha Schubert.

Ein spöttisches Lächeln umrahmte Anna Binsenkrauts Mundwinkel. »Nein, ich habe da eine ganz andere Vermutung! Ich glaube, es gab gar keinen Wolf unten am Hang.«

Emilia Wollner sah urplötzlich aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Was ist bloß mit Mama los?, fragte sich Elisabeth nicht zum ersten Mal in der letzten Zeit. Warum hatte sie so eine riesige Panik vor Wölfen?

»Ich glaube«, so trumpfte Anna Binsenkraut auf, »da war ein Wanderer im Gebüsch. Als ihr kamt und über Wölfe geredet habt, hat er sich mit euch einen Spaß erlaubt. Ja, so wird es gewesen sein!«

Elisabeth beobachtete ihre Mutter genau, als diese erleichtert aufatmete, als wenn sie eine ganz andere Erklärung erwartet hatte. Ein Seitenblick zu Anna Binsenkraut verriet ihr, dass da noch irgendetwas im Gange war, denn die fixierte immer noch Theobald und der wiederum seinen Kakao-Becher.

Elisabeth sprang auf. »Gut, dann ist ja alles klar. Brina, du wolltest uns doch noch etwas in dem Heft zeigen. Wir sollten die Mütter jetzt einen Moment alleine lassen, was meint ihr?«

Sabrina, die sofort schaltete, pflichtete ihr bei und war auch sogleich auf den Beinen. Als Theobald folgen wollte, räusperte sich Anna Binsenkraut, doch Martha Schubert legte ihr behutsam die Hand auf den Unterarm.

»Lassen Sie gut sein, die drei müssen den Schock doch noch verdauen. Immerhin werden sie nicht mehr so leichtsinnig sein wie heute.«

Bevor noch jemand etwas anderes erwidern konnte, stürmten die Kinder nach oben in Sabrinas Zimmer. Sabrina ließ sich aufs Bett fallen und stöhnte.

»Mann, was war das denn? Ich glaube deiner Mutter ja kein Wort, Theo. Die weiß mehr, hat aber auch nichts gesagt. Und deine Ma stand ja fast ständig am Rande zur Ohnmacht. Echt, da geht voll was ab und wir kapieren nur die Hälfte.«

Theobald nickte und seufzte. »Meine Mama wird mir noch die Ohren langziehen. Du hättest das mit dem Trank nicht erwähnen sollen, aber ich glaube, ich lasse zu Hause einfach zwei von den Dextrotränken für Sportler verschwinden. Sie wird mir das vom Taschengeld abziehen, aber ich denke, damit komme ich durch.«

»Die ersetze ich dir, auch wenn ich nicht allzu reich bin.«

Elisabeth war still geblieben, dann fragte sie: »Theo, dein Trank, ich habe mich so komisch gefühlt. Was ist da alles drin?«

Theobald schaute verwundert zurück. »Also, das ist eigentlich ein Geheimnis, aber ich habe nur Pflanzen drin und etwas Blutserum.«

»Was?«, riefen beide Mädchen aus. Sabrina vor Ekel, Elisabeth wurde schwindelig.

»Ich darf kein tierisches Eiweiß zu mir nehmen!«

»Bäh, ich trinke das nie wieder!«, meldete sich Sabrina.

»Das ist ein künstlich hergestelltes Serum, keine Panik!«, sagte Theobald entrüstet. »Gewirkt hat er ja wohl. Du hast uns trotz unseres Vorsprungs ja noch spielend eingeholt und wir haben nicht getrödelt.«

Elisabeth schwieg. Sie erinnerte sich an die komische Sinneserweiterung, die sie verspürt hatte. Das intensive Gefühl hatte sie fast überwältigt, aber das wollte sie jetzt nicht zugeben. Wie es aussah, hatten sie alle ein paar mehr Geheimnisse. Aber sie war heute nicht bereit, noch mehr davon zu teilen.

»Ist es okay, wenn ich die Handschuhe heute nicht heraushole, solange die Moralabteilung unten noch tagt?«, fragte Sabrina.

Sie hatte zuweilen eine komische Art, sich auszudrücken, aber die anderen beiden nickten. »Zuviel Aufregung für einen Tag.«

Sabrina holte ihre Tattoo- und Piercinghefte heraus und sie diskutierten eine Weile über die Motive, doch dann wurden sie von immer lauter werdenden Stimmen abgelenkt, die von unten durch die Decke drangen. Mittlerweile war im Wohnzimmer eine lebhafte Diskussion zum Thema Schule entbrannt. Martha Schubert kannte offensichtlich jeden Lehrer persönlich, vor allem private Dinge. Anna Binsenkraut steuerte das eine oder andere pikante Detail bei. Die Mütter prusteten bei der kleinsten Anekdote los, als wären sie Teenager. Die Kinder hörten oben, wie es lauter und alberner wurde. Sabrina rollte mit den Augen.

»Ich wette, meine Ma füllt eure beiden gerade nach Strich und Faden ab. Sowas kann sie gut. Ihr hört es ja schon selbst. Ich habe mal erlebt, wie der Direktor uns besucht hat, weil ich wegen meiner Kleidung einen Verweis erhalten sollte. Er ist nun mit meiner Mutter per du. Manchmal schickt er ihr sogar Blumen zum Geburtstag. Aber wenn ihr noch nach Hause fahren wollt, dann sollten wir einschreiten, sonst gibt es mit der Polizei Ärger oder ihr müsst ein Taxi nehmen.«

Also machten sie sich auf den Weg die Treppe hinunter, Sabrina vorweg. Auf der vorletzten Stufe blieb sie stehen und lauschte. Die andern beiden taten es ihr nach.

»Wisst ihr, so nette Freundinnen wie euch beide habe ich schon lange nicht mehr getroffen, wo meine beste Freundin doch vor kurzem in der Weser ersäuft wurde«, flötete Anna.

»Nee, echt? Du nimmst uns jetzt hoch, Anna«, kicherte Emilia.

»Doch, doch, aber ich hab's der Schlampe, die das gemacht hat, gezeigt und ihre Bude abgefackelt.«

»Hihi, wie im Film, die böse Rächerin!«

Elisabeth erkannte nur mit Mühe die mädchenhaft verschobene Stimme ihrer Mutter. Sie tauschte mit Theobald einen vielsagenden Blick.

»Ja, und jetzt kommt keiner mehr zur Wintersonnenwende zum Schwesterntreffen«, lallte Anna. »Ich bin ja sooo traurig! Hicks!«

»Dann kommen wir eben, nicht wahr, Emmi Schatz?«

Durch den Türspalt konnte Elisabeth sehen, dass die Mütter Wassergläser hervorgeholt hatten. Martha Schubert goss großzügig aus einer Flasche Cognac nach.

»Nee, nee!« Anna Binsenkraut wedelte übertrieben mit dem Finger. »S’iss nur für echte Hexen!«

Eine Pause entstand. Die drei Freunde auf der Treppe schauten sich ungläubig an.

»Ja, wenn's weiter nichts ist. Sabrina hält mich schon lange für eine alte Hexe. Das sind wir doch alle als Mütter, oder?«

Wieder brachen alle Frauen in wieherndes Gelächter aus.

»Gut, dann gilt's Mädels, zur Wintersonnenwende bei mir. Trinken wir darauf!«, tönte Anna Binsenkraut.

Sabrina straffte sich und ging die letzten Stufen zum Flur hinunter. »Jetzt reicht's, bevor sie noch den Teppich vollkotzen, machen wir dem ein Ende. Geht ihr rein, ich rufe schon einmal zwei Taxis.«

Elisabeth fiel abends müde ins Bett. Sie konnte nicht schlafen, weil ihr Kopf so voller Gedanken war. Sie hatte ihre Mutter nur mit Mühe ins Taxi bugsieren können und zu Hause hatte ihr Vater sie mit ihr zusammen ins Bett getragen. Emilia Wollner war unterwegs eingeschlafen und nicht einmal dann erwacht, als Michael Wollner ihren Kopf aus Versehen gegen den Türrahmen stieß. Ihr Vater hatte sie dann nochmals befragt, was eigentlich los gewesen sei. Elisabeth hatte eine deutlich vereinfachte Variante berichtet. Die brisanten Details sparte sie aus, aber ihr Vater kaufte ihr die Geschichte ab. Mit sichtlich schlechtem Gewissen hatte ihr Vater geantwortet, dass er seine Frau mit der ganzen Arbeit alleine gelassen habe. Insofern wäre es nicht verwunderlich, dass so etwas passiert sei. Er versprach, sich in der Folgewoche frei zu nehmen.

So war Elisabeth dann endlich in ihr Bett gefallen und schaute an die Decke. Sie ging den Tag nochmal durch, aber ihre Gedanken wanderten immer wieder zum Hang, den erweiterten Sinnen und dem Heulen. Irgendwie hatte sie überhaupt keine Angst gehabt. Doch irgendwann fiel sie in einen unruhigen Schlaf, in dem wirre Träume sie heimsuchten.

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