Читать книгу Noch mehr Fußball! - Jürgen Roth - Страница 14

Edmund Stoibers Welt des Fußballs

Оглавление

Der Vorletzte kriegt vom Letzten einen Tritt in die Achillesferse verpaßt. Das ist das Gesetz des Lebens, und weil sich der Fußball im Leben spiegelt, ist es das Gesetz des Fußballs.

Der natürliche Zusammenhang zwischen Hack- und Sozialordnung war Edmund Stoiber aufgegangen, nachdem er auf der Penne nach einer herben Niederlage im Zicken, einer Art Schulbankfußball, die er im Grunde ordentlich beherrschte, anständig einen auf die Mütze gekriegt hatte. Seither lautete sein Motto: »Kämpfen, kämpfen, kämpfen.«

Edmund, der sich geschworen hatte, nie mehr zu verlieren, merkte geschwind: »Es wird besser, es wird besser, es wird besser!« Und plötzlich, nämlich ein paar Jahrzehnte später, konnte er konstatieren: »Wir spielen absolut in der Champions League.« Woraus er ableitete: »Ich lasse mich nicht von Vereinen, die in der zweiten Liga spielen, kritisieren.«

Vereine, die im Unterhaus des deutschen Fußballs herumkrebsten – wie die Münchner Löwen, der Lieblingsklub seines besten Freundes Theo Waigel –, gingen Edmund Stoiber, dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirates des FC Bayern, verständlicherweise ziemlich auf den Senkel. »Schulden, Schulden und noch mal Schulden« machten die, ein Umstand, aus dem der Chefvisionär der deutschen Champions League die Konsequenz zog: »Für diese Politik darf es keine Verlängerung geben!«

Die Grundfragen des Fußballs, des Lebens und der Politik drängten sich Edmund Stoiber, der ein echter Crack im Torwandschießen war, auch während seiner Wahlkampfreisen auf, die er als seine »persönlichen Fußballweltmeisterschaften« bezeichnete. »Wo is’ na des Tor eigentlich?« brummte er, bei diversen Kicks vor Kameras Entspannung suchend, des öfteren in Richtung seiner Karin, die er einst am Fußballplatz in Geretsried kennengelernt hatte. Da wies sie dann auf ein Tor zehn Meter vor ihm, und Edmund hatte die Orientierung wiedergefunden: »Ich will da rein.«

Aus der Haut fahren konnte der politische Libero Edmund Stoiber, der freie Mann vor den Ausputzern Beckstein, Sauter, Söder und Huber, wenn man die deutsche Nationalelf allzu heftig und deftig schlechtmachte und in Grund und Rasen redete. »Verwechseln Sie bitte Deutschland nicht mit Botswana!« rief der talentierte Ski- und Rhönradfahrer die Miesmacher zur Räson, und den notorischen Gammlern aus dem Milieu der Globalisierungsgegner erklärte er während einer Wahlkampfrede am 10. August 2005 in Hamburg: »Wer Weltmeister werden will, muß Brasilien schlagen und nicht gegen Brasilien demonstrieren!«

Um den ersten WM-Sieg einer deutschen Auswahl gegen die Seleção vor Ort mitzuerleben, war der ehemalige A-Klassen-Libero vom ASV Kiefersfelden und vom Ballclub Farchet drei Jahre zuvor zum Finale der Fußballweltmeisterschaft im Yokohama International Stadium gereist. Anders als Kanzler Schröder, der in der Ehrenloge der Großkopferten dieser Welt herumfläzte, gesellte sich Edmund Stoiber, der Mann des kleinen Mannes, mit Schlachtenbummlerschal und zwei Deutschlandpapierfähnchen zu den Passivsportlern auf einer hundsnormalen Tribüne.

Als Bernd »Schnix« Schneider in der ersten Halbzeit zum wiederholten Mal vielversprechend schneidig aufs brasilianische Tor zuschnurrte, raunte der Kanzlerkandidat, der, wie die Zeit geschrieben hatte, »den Doppelpaß verhindert hatte«, seinem linken Nebenmann – und potentiellen Wähler – ins Ohr: »Schröder hat zu der jetzigen Chance nichts, aber auch gar nichts beigetragen.« Und nachdem Miroslav Klose etwas eigennützig eine weitere Gelegenheit versiebt hatte und die deutsche Anhängerschar in ein großes Wehklagen verfiel, mußte er ihr wirklich ins Gewissen reden: »Sie haben hier eine unverantwortliche Kakophonie.«

Ronaldo bereitete, wie man weiß, dem Spuk durch zwei Treffer ein Ende. »Rimini oder Hannover ist wirklich nicht die deutsche Schicksalsfrage«, durchwehte den FCB- und Deutschlandfan Edmund R. Stoiber kurz vor dem Abpfiff ein gewichtiger Gedanke. Aber der Kanzlerschaftsanwärter, der daheim in Wolfratshausen jeden Sonntag im Garten einen Birnbaum ausspielt und eine Hecke ins Leere laufen läßt, riß sich am Riemen und sinnierte flugs: Das hier ist ja Yokohama! Und sprach wehmütig zu sich selbst: »Das Spiel ist aus!«

Ja, das Spiel war aus.

»Wir ham verloren gegen Frankreich, wir ham verloren gegen Italien, wir ham verloren gegen Dänemark, ja sogar gegen Portugal und gegen Griechenland«, wir hatten verloren gegen »die Griechen, die Italiener, die Spanier« und jetzt auch gegen die Brasilianer. Da tat Erklärung not: »Wer ein Trio vorne hat wie Ronaldo, Ronaldinho und, äh, äh, äh, und, äh, die andern Brasilianer, Carlo, äh, Roberto Carlos, das ist, äh, das ist, äh, Rivaldo dazu noch, Rivaldo, äh, äh, äh, Rivaldo und, äh, Ronaldinho und Ro-, Ronaldo, also, das dann verloren zu haben, das ist zwar bitter, aber nicht so bitter.«

Edmund Stoiber resignierte also nicht. Das war seine Art nicht. Er war ein Kämpfer, immer voller Einsatzbereitschaft, wo immer er auftrat. Noch im Juli 2002 hatte er im oberpfälzischen Kötzing beim Torwandschießen eine ältere Frau mit einem satten Spannschuß zu Boden gestreckt, auf daß Sanitäter der blutenden Dame zu Hilfe eilen mußten. Schützenfest mal anders!

Pantha rei, alles fließt, die Welt ist in Bewegung. »Die Welt um uns herum ist in Bewegung«, der Ball rollt, wohin er will, und manchmal ist er ein Spielball finsterer Mächte.

»Ich sage hier einen sehr deutlichen Vorwurf«, sagte deshalb der Große Vorsitzende des Verwaltungsrates, nachdem der Schiedsrichter Robert Hoyzer den Deutschen Fußball-Bund im Jahre 2005 beinahe zugrunde gerichtet hatte: »Alle diejenigen, die sich damit, äh, involviert haben, müssen meines Erachtens lebenslänglich aus der Fußballszene verschwinden.«

Und an ihre Stelle wird treten ein Erlöser und erklären: »Ich will jetzt Nationaltrainer werden!«

Mach et, Edmund!

Noch mehr Fußball!

Подняться наверх