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Kulturkwatsch oder: Der Straßenkehrer in mir

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Nach einem mal wieder zu kühnsten Träumen Anlaß gebenden Sieg der Eintracht gammelten wir zu fünft vor der Gaststätte Kyklamino im Gallusviertel herum und rauchten.

Wir nahmen den Unfug der Raucherbekämpfung und -demütigung vergleichsweise gelassen, denn der Fußball, der laut einer These des Adorno-Schülers und Soziologen Dieter Bott die Herrschaftsunkultur der »Sportifizierung« sämtlicher Alltags- und Lebensbereiche in den vergangenen Jahren am nachdrücklichsten durchgesetzt hat, verkleistert die Sinne und den Verstand. Massenkultur homogenisiert nahezu stets und ist deshalb ein nie stockender Motor der Vernebelung und Formierung des Bewußtseins.

Wir plauderten, ergebnisbedingt zwischenzeitlich versöhnt mit der widrigen Wirklichkeit, über die Auspizien der Adler, da zog Heike ein paar Kärtchen aus der Jacke und verteilte sie. Rote Kärtchen. »Müll macht schlechte Laune«, stand auf der Vorderseite, und auf der Rückseite war zu lesen: »Wer seinen Mitmenschen Schmutz vor die Füße wirft, wird zukünftig zur Kasse gebeten. Da gibt es kein Pardon.«

Ich dachte kurz an die Zeitschrift pardon, aber hier handelte es sich nicht um einen Scherz. »Ausgeleerter Aschenbecher 35 €«, »Essensreste 35 €«, »Einwickelpapier 20 €«, »Zigarettenkippe 20 €«, »Handzettel 20 €« – Frankfurt, daran besteht kein Zweifel mehr, Frankfurt, die ehemalige Stadt der antiautoritären Revolte, mausert sich gerade zum Paradies für habituelle Blockwarte, und über die pestilenzialische Semiotik des Fußballs – die Rote Karte – wird uns diese segensreiche Entwicklung vor Augen geführt.

»Was kostet es, seinen ganz persönlichen Atommüll auf die Frankenallee zu pfeffern?« fragte Stefan. Heike wußte es nicht.

Das ist unsere Zeit, das ist von Frankfurts Tradition einer profunden Skepsis gegenüber den alltags- und politkulturellen Zumutungen geblieben. Der »progressive Alltag« (Chlodwig Poth) wird von sportiven Spießern, von engagierten Müllinspektoren und -sammlern beherrscht, deren Triebenergie sich darauf richtet, den Raum, der den Banken und Konzernen und ihren Handlangern gehört, sauberzuhalten, um den Schein von Zivilität zu wahren. Als zeigte die nicht weggeworfene Bierdose oder die nicht weggeschnippte Zigarettenkippe anderes an als den Triumph der Hörigkeit, des Straßenkehrers in mir.

Wahrscheinlich kriegen wir hier demnächst auch noch eine »Neue Müllkultur« verabreicht. Das wird überdauern von der Kritischen Theorie – via Habermasens »Neue Unübersichtlichkeits«-Diagnose. Sehr schön. Endlich Ordnung. Wie bei der Eintracht.

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