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Wie der 1. FCN Pokalsieger wurde

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Einer recht geläufigen These zufolge ist der »Widerspruch zwischen Fußball und Kultur«, wie der Publizist Helmut Böttiger wiederholt behauptete, in Deutschland derart eklatant, daß das »Unbehagen in der Fußballkultur«, das Leiden an der Diskrepanz zwischen künstlerischem Ausdruck und körperlicher Ertüchtigung, nicht zu beheben und nicht zu kurieren sei.

Zweifellos haftet allein dem Begriff der Fußballkultur, der die alte Dichotomie von Geist und Soma aufheben will, etwas Halbseidenes, hybrid Schwiemeliges an. Um das Mantra mancher Feuilletonisten, der Fußball sei unvereinbar mit den ziselierten Anstrengungen der Hochkulturleister, quasi offiziell zu widerlegen, wurde im Oktober 2004 von der Stadt Nürnberg in Kooperation mit dem kicker die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur gegründet, die »dem Phänomen Fußball ein einzigartiges Forum bieten« möchte, »umfassend im Ansatz, mit durchgängigem ›Spielplan‹, einzelnen ›Spitzenspielen‹ und deutschlandweiter Vernetzung« – eine Art Fortsetzung des WM-Kulturprogramms mit ähnlichen Mitteln also.

Daß im Beirat Spitzenspieler wie Edmund Stoiber und die Goethe-Instituts-Präsidentin Jutta Limbach sitzen, mag ein wenig verwundern, und auch die Akademiemitgliedschaften der ausgewiesenen Bolzkapazitäten Guido Knopp und Renate Künast – von Fedor Radmann zu schweigen – können durchaus geringfügig befremdlich dünken. Aber dem Ziel der Unternehmung, den Fußball »mit Kulturprogrammen, Diskussionen, Lesungen, Promi-Talks und ballorientierten Events« vom Ruch schierer Intellektfeindlichkeit zu befreien, darf man uneingeschränkt Sympathie entgegenbringen – vor allem wenn, wie am Samstag, die 2005 von Thomas Brussig (Leben bis Männer) ins Leben gerufene Deutsche Nationalmannschaft der Schriftsteller auf dem Trainingsgelände des 1. FC Nürnberg in Vorbereitung auf die Autoren-WM in Malmö gegen eine Auswahl der Akademie antritt und – komplett verdient 3:1 gewinnt.

Daß Dichter dem Fußball frönen, ist gleichwohl nicht neu. Es gibt Photos, auf denen Mitglieder der Gruppe 47 das Leder über den Rasen scheuchen, und Ror Wolf hat mir mal erzählt, wie er sich als Torwart am Strand von Marathon die Knochen brach. Albert Ostermaier (»Ode an Kahn«), der Keeper des Teams rund um Stürmer Moritz Rinke, die Mittelfeldcracks Jan Böttcher und Klaus Döring sowie Neuzugang Sönke Wortmann (kicker-Note: 2 minus), »will für jedes reingelassene Tor hundert Euro in die Mannschaftskasse zahlen«, verrät mir derweil der multipel verletzte Wolfgang Herrndorf. Der zwischenzeitliche Ausgleich durch einen Schlenzer von Jochen Wagner (Evangelische Akademie Tutzing) ist allerdings nicht der vorabendlichen Kneipentour geschuldet, und insbesondere der Dramatiker Christoph Nußbaumeder, der »letzte Nacht schwer gesoffen« habe, setzt die Vorgaben von Coach Hans Meyer knüppelhart um und rackert an der Seite des vorbildlichen Kettenrauchers Jörg Schieke wie ein Wahnsinniger.

Dagegen sieht die Akademieelf mit Günther Koch (auch auf dem Platz rhetorisch nicht zu bremsen), Rainer Holzschuh, der seinem Namen Ehre macht, Ex-HSV-Profi Manfred Wasner und Jürgen Kaube nicht allzu jung aus. Denn »die Schiedsrichter sind auf unserer Seite«, hatte Hans Meyer vor dem Anpfiff zudem erläutert und die Devise ausgegeben: »Wenn wir zurückliegen, lassen wir endlos weiterspielen.«

Wie der Club DFB-Pokalsieger wurde, ist somit geklärt. Daß auf einem Spruchband der Akademie-Aficionados zu lesen war: »Nicht denken – versenken« – das gibt einem hinsichtlich der fragilen Beziehung zwischen Fußball und Literatur jedoch abermals äußerst, ja arg: zu denken.

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