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Wenn Gazproms Millionen in Bremen investiert werden
ОглавлениеArngolt Bekker: Keiner kannte ihn in Deutschland – in Russland hingegen war er einst ein mächtiger Mann. Mit einem geschätzten Vermögen von 340 Millionen US-Dollar ließ sich ein Multimillionär aus Moskau im Jahr 2003 in Bremen nieder. Der Mitbesitzer des Unternehmens Stroitransgas war unter anderem mit dem Bau der Pipeline Blue Stream beauftragt, deren hohe Kosten der russische Rechnungshof beanstandete.
»Obwohl Bekker und seine Familie seit zwei Jahren in Deutschland leben, fürchten sie Moskaus Rache offenbar mehr denn je. Der Exaufsichtsrat des Energieriesen Gazprom heuerte kurz nach Neujahr 2005 eine private Sicherheitsfirma an und schaltete auch die Polizei ein. Über einen befreundeten Major des Geheimdienstes soll Bekker zuvor erfahren haben, dass er in russischen Regierungskreisen scharf kritisiert wird.«37
In Russland war Arngolt Bekker, der zu Sowjetzeiten im Gasministerium unter Viktor Tschernomyrdin arbeitete, Präsident des Konzerns Stroitransgas. Basis des Erfolgs waren Großaufträge zum Bau von Pipelines, die Premierminister Tschernomyrdin 1998 kurz vor seinem Amtsende als russischer Ministerpräsident an Stroitransgas vergab. Insgesamt befanden sich 51 Prozent der Aktien im Besitz des Managements. Arngolt Bekker gehörten zwanzig Prozent der Aktien, seinen drei Kindern je 2,68 Prozent. Auch Viktor Tschernomyrdin und zwei seiner Söhne waren am Aktienkapital mit insgesamt elf Prozent beteiligt. Das Unternehmen verfügte über eine Quasimonopolstellung bei fast allen Bauvorhaben des Gazprom-Konzerns. Gleichzeitig war Stroitransgas mit 6,6 Prozent an Gazprom beteiligt, während Gazprom einen Anteil von weniger als einem Prozent an Stroitransgas hielt.38
Nach dem Machtwechsel bei Gazprom 2001 – Putin ernannte Alexei Miller zum neuen Vorstandsvorsitzenden von Gazprom, der den Tschernomyrdin-Vertrauten Rem Wjachirew ablöste – verließ Bekker zwar seinen Posten, doch die Firma bekam weiterhin Aufträge von Gazprom. Vor dem Hintergrund steigenden Drucks aus dem Kreml verkaufte Bekker schließlich seine Anteile an Gazprom. Die wahren Gründe dafür sind bis heute nicht bekannt. Er selbst sagte: »Man sollte nicht der Meinung sein, dass ich aus dem Land geworfen wurde. Ich war damals schon 67 Jahre alt und wollte schon immer nach Deutschland. Meine Mutter hat gesagt: ›Deine Heimat ist Deutschland.‹«39
Doch er blieb kein armer Mann. In Bremen machte er mit einem geplanten Windkraftpark in der Nordsee von sich reden. Nördlich von Borkum wollte sein neu gegründetes Unternehmen »Bard Emden Energy« in einer ersten Phase für über 500 Millionen Euro achtzig Generatoren installieren. Langfristig sollten sogar zwei Milliarden Euro investiert werden. Die Bard-Gruppe beschäftigt inzwischen über tausend Mitarbeiter. Und entwickelte, produzierte, errichtete und betreibt schlüsselfertige Offshore-Windparks. Von den geplanten achtzig Windrädern konnten bislang jedoch nur achtzehn im Nordseegrund bei Borkum verankert werden.
Nach dem Tod seiner Tochter Natalie im Jahr 2009, die als Bekkers Nachfolgerin bei Bard vorgesehen war, zog sich Arngolt Bekker im Dezember 2010 aus dem Unternehmen zurück und übertrug seine Firmenanteile (87 Prozent) an die von einem Hamburger Rechtsanwalt geführte Treuhandgesellschaft. Inzwischen befand sich das Unternehmen bereits in Schieflage und wies in der Bilanz 2009 einen Verlust von 414 Millionen Euro aus, »und im Jahr 2010 hatte sich die Situation noch weiter verschlechtert«.40 Die Insolvenz drohte. Als der von Arngolt Bekker eingesetzte Treuhänder einen neuen Investor suchte, wollte Bekker seine Geschäftsanteile wieder zurückkaufen und erneut das Ruder in dem Unternehmen übernehmen. Doch er scheiterte damit vor dem Landgericht Aurich. »Bard-Gründer Bekker – Multimillionär und ehemaliger Mitverantwortlicher beim russischen Energiekonzern Gazprom – habe kein echtes Interesse daran, die Firma wieder zu übernehmen, hieß es aus Kreisen des Unternehmens. Vielmehr gehe es ihm darum, möglichst noch Geld für seine Anteile zu bekommen.«41 So weit die Meinung eines den Prozess verfolgenden Journalisten.
Welche Zukunft das Unternehmen, das einst mit Gazprom-Geld aufgebaut wurde, hat, ist ungewiss – immerhin beschäftigt es noch über tausend Arbeitnehmer.