Читать книгу Gazprom-Das unheimliche Imperium - Jürgen Roth - Страница 7
1 Das Märchen vom possierlichen Weltkonzern, der sich alles und jeden kaufen kann
ОглавлениеWenn wir unsere Gasheizung anstellen, damit die Zimmer kuschelig warm werden, freuen sich auf jeden Fall nicht nur die Aktionäre beim sogenannten Energiekonzern Gazprom. Denn von diesen Einnahmen fließt gleichzeitig auf jeden Fall indirekt ein Teil in Wladimir Putins Machtapparat, an seine Günstlinge, und damit folgerichtig zur Partei Einiges Russland, das heißt der Partei der Diebe und Gauner.1 So gesehen finanzieren wir, ob wir wollen oder nicht, direkt jene Strukturen, die für die undemokratischen und mörderischen Zustände in der Russischen Föderation mitverantwortlich sind. Dazu gehört auch die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit. Für einige hohe Politiker, etwa Sergei Sobjanin, den Moskauer Bürgermeister, ist das vollkommen richtig. »Ich denke nicht, dass ein Journalist an sich frei sein kann, und auch die Presse kann bei uns nicht frei sein.«2
Doch was hat das mit Gazprom zu tun?
Gern wird ausgeblendet, wahrscheinlich sogar wissentlich verschwiegen, dass der Kreml über Gazprom-Media, eine Tochtergesellschaft von Gazprom, nicht nur die fünf wichtigsten Fernsehsender besitzt und damit die Fernsehlandschaft dominiert. Ihr gehören inzwischen mindestens zwei Drittel aller russischen Medien. Neben der Iswestija, einer einst angesehenen Zeitung, sind vierzehn weitere Zeitungsredaktionen unter der Gazprom-Media-Holding vereint und damit das Propagandainstrument, um die Politik des Kreml abzunicken. Und die wenigen übriggebliebenen Medien werden massiv unter Druck gesetzt. Zensur, Überfälle auf kritische Journalisten und nicht aufgeklärte Morde – die Angst davor hat sich in den meisten Köpfen eingenistet. Die Folgen? »Eine Untersuchung der Journalistenunion hat einen dramatischen Anstieg unkritischer Berichte über Putin und dessen Nachfolger Medwedew sowie negativer Beiträge über Gegenkandidaten und Opposition ausgemacht. Der Propagandaanteil in politischen Sendungen habe vor acht Jahren bei dreißig Prozent gelegen, erläutert Igor Jakowenko (Generalsekretär der Journalistenunion, d. Autor). Heute seien es mehr als neunzig Prozent.«3 Mindestens zwanzig unaufgeklärte Journalistenmorde gab es in der achtjährigen Regierungszeit von Putin als Präsident in den Jahren 2000 bis 2008.
»Demokratie ist die Summe aus einer freien Gesellschaft, freier Presse und Meinungsfreiheit« war das Thema der Konrad-Adenauer-Stiftung am 29. April 2008. Hier wurde der Demokratiereport 2008 vorgestellt. Er beschäftigte sich unter anderem mit der Pressefreiheit in Russland. »Die freie Berichterstattung hat in Russland in den vergangenen fünf Jahren massiv abgenommen. Ursächlich hierfür sind eine enge Staatskontrolle, indirekte Einflussnahme durch Regierungsbeamte auf die Herausgeber und verantwortlichen Redakteure sowie Strafmaßnahmen gegen kritische Journalisten«, klagte Alexei Simonow, der Vorsitzende der »Stiftung für den Schutz von Glasnost«. »Die Berufsausübung von Journalisten wird immer mehr zum Heldentum.« Mit der Verstaatlichung von Druckereien gibt es eine indirekte Möglichkeit der Zensur, Computerdurchsuchungen seien an der Tagesordnung, mit der Gründung von Parallelstrukturen würden kritische Vereinigungen wie der Journalistenverband untergraben.
»Mit der Freiheit des Wortes in Russland ging auch die Freiheit der Wahlen verloren«, so Alexei Simonow. Deshalb ist die Medienmacht auch eine Gefahr für die Demokratie in Russland.4 Auf dem Index für Pressefreiheit 2011–2012 von Reporter ohne Grenzen steht Russland auf Platz 142, noch hinter Uganda und Gambia.5
Es ist nicht bekannt, dass Gazprom-Medien an irgendeiner prominenten Stelle in ihren Zeitungen und Fernsehprogrammen jemals diesen Zustand beschrieben oder gar kritisiert hätten. Sie würden sich damit ja auch selbst massiv in Frage stellen. Schließlich sind sie nicht mehr als das Sprachrohr des Kreml. Denn das Gas und damit Gazprom sind schließlich auch ein Garant dafür, dass das Vermögen Wladimir Putins nicht geringer werden wird als bisher. Demnach soll er unter anderem an Gazprom einen Aktienanteil von 4,5 Prozent besitzen.6
Auf meine entsprechende Nachfrage in der Presseabteilung der Moskauer Gazprom-Zentrale, ob und wie viele Aktien Wladimir Putin an Gazprom halte, habe ich keine Antwort erhalten.7