Читать книгу Aloronice - Judith Weber - Страница 8
Der Rat
ОглавлениеLaurent schloss die Tür, er seufzte, er wusste, dass er einen wütenden und aufgelösten jungen Mann verließ, der im Moment gegen alles rebellierte, was sein Weltbild in Frage stellte. Er wusste, dass schwierige Zeiten auf Claude zukommen würden und es tat ihm leid.
Dann aber straffte er seine Schultern und gab sich einen Ruck. Es gab auch noch andere, zurzeit vielleicht sogar wichtigere Dinge zu regeln.
Der Rat hatte eine Versammlung anberaumt, Gesandte der Drachenjäger waren auf die Burg gekommen, es gab Unruhen an der Grenze des Landes. Hakon, der Oberste des Golemclans, rüstete zum Widerstand. Noch war unklar, ob er eine tatsächliche Bedrohung darstellte, oder ob es sich um reines Säbelrasseln handelte.
Das Erdvolk war tief verwurzelt mit dem Land auf welchem sie lebten und hatte seinen Ursprung in den Geheimnissen und Kräften der Erde. Seit ewigen Zeiten waren sie die Hüter aller Erdschätze. Zu ihren Clans zählten sowohl die Zwerge, als auch die Gnome und Trolle. Ihre Kultur war geprägt durch Gewalt aber auch Schönheit. Man sagte ihnen nach, mit allen und jedem im Krieg zu sein, der ihre Heimat, ihr Land nicht ausreichend respektierte.
Nun gab es also beunruhigende Nachrichten und Laurent und der Rat mussten über mögliche Konsequenzen beraten.
Während er durch die zahlreichen Gänge der Burg schritt, sammelte er seine Gedanken und versuchte, sich auf die ihm bevorstehende Ratssitzung einzustimmen.
Er betrat den großen Sitzungssaal und stellte fest, dass alle Mitglieder des Rates bereits Platz genommen hatten.
Der Saal war groß und hell, jetzt jedoch waren die schweren Vorhänge zugezogen und nur die großen Versammlungskerzen erhellten den Raum. Direkt gegenüber, am Ende des Saales war der lange Tisch aufgebaut, der sowohl als Runde zusammengestellt, als auch als eine Art Richterbank in einer Linie aufgebaut werden konnte. Zu dieser Sitzung war er im Halbrund aufgestellt, so dass sich die Vertreter des Rates ansahen, wenn sie miteinander sprachen, es aber auch eine Öffnung gab, durch die die auf der Burg angekommenen Gesandten der Drachenjäger zum Bericht gerufen werden konnten.
Alle hatten sich bereits versammelt, das Gemurmel verstummte, als er den Raum betrat.
Ganz links am Tisch erkannte er die fünf Abgeordneten der Elfengleichen. Ganz außen saßen die Lichtelfen Ellylon und Akberet, direkt daneben die Wassernymphen. Zuerst die Quellnymphe Sonia, dann die Meernymphe Panopeia. Als letzten Vertreter der Elfengleichen erkannte Laurent den Nachtelben Evul.
Evul hatte eine besondere Stellung im Rat inne, als Nachtelbe stand er den Erdvölkern näher, als alle anderen Elfengleichen. Sein Clan lebte ebenso wie sie unter der Erde und war den Erdvölkern durch den gemeinsamen Lebensraum stärker verbunden, als die anderen Lichtgestalten. Auf ihm ruhte heute auch die große Hoffnung Laurents, etwas Klarheit über den tatsächlichen Ablauf der bisherigen Ereignisse zu erhalten.
Laurent nickte den Abgesandten der Elfengleichen zu und ließ seinen Blick weiterschweifen, auf die Menschenähnlichen. Neben Evul saß groß und bullig wie ein Bär, Alexander der Drachenjäger. Seit vielen tausend Jahren schon lebte sein Clan in Gemeinschaft mit den körperlich stärksten Wesen von ganz Aloronice in einer Symbiose, die von gegenseitigem Respekt geprägt war. Selten sah man einen Drachenjäger ohne seinen ihm anvertrauten Drachen, oder den Drachen ohne seinen Drachenintimus. Die Bezeichnung Drachenjäger war vielleicht etwas irreführend, denn die Drachenjäger jagten die Drachen nicht, oder nicht mehr. Es mag am Anfang der Zeit gewesen sein, da haben die ersten
Menschen Jagd auf die Drachen gemacht, aber das war lange vorbei. Inzwischen suchten die Drachen sich ihre Menschengefährten unmittelbar nach ihrer Geburt selber aus und blieben dann ein Leben lang mit ihnen verbunden. Laurent kannte den Drachen, der zu Alexander gehörte gut. In den vergangenen Jahren war er oft mit Levian und Alexander durch das Land gereist.
Laurent schmunzelte bei dem Gedanken, dass sich Levian, wie immer, wenn er auf der Burg war, bestimmt im hinteren Teil des Gartens niedergelegt hatte und vermutlich mit seiner Körpermasse die sorgsam gepflegten Blumenbeete der Hauswalterin Henriette restlos zerstörte.
Zur Laurents Rechten saß sein Vasall Leon, seit ewigen Zeiten sein treuer Gefährte. Er war, ebenso wie Laurent ein Metamorph. Seine zweite Gestalt war die einer Antilope und sie hatten als Wolf und Antilope, aber auch als Menschen schon viele Zeiten durchlebt, immer in innigster Freundschaft verbunden. Leon hatte Laurent auch immer wieder im Rat vertreten, wenn dieser sich um Claude in der anderen Welt gekümmert hatte. Im Gegensatz zu Laurent war Leon klein und zierlich, sein Haar, inzwischen von blond zu grau gewechselt, war immer noch lang und fiel ihm über seinen Rücken. Trotz seines Alters wirkte er unglaublich agil und behände und strahlte eine unglaubliche Energie und Lebensfreude aus. Im Laufe der Jahre hatte er sich zu einem angesehenen und überaus begabtem Heiler entwickelt, dessen Rat in ganz Aloronice sehr gefragt war.
Der Stuhl neben Leon war frei, es war der prächtigste Stuhl von allen, mit einer hohen Rückenlehne aus rotem Samt. Oberhalb der geschnitzten Rückenlehne prangte das Wappen mit dem Wolfsgesicht. Irgendwann in naher Zukunft würde dort ein schwarzer Panther zu sehen sein.
Zu Laurents Linken saß der vierte der Menschenähnlichen, Phillipe. Phillipe war vom Clan der Waldläufer und damit ebenso wie Evul ein Verbindungsglied zwischen den Stämmen, denn auch die Waldläufer standen in enger Beziehung zur Erde. Auf den nächsten Plätzen folgten Alrica, die Amazone und dann die Abgesandten des Erdvolkes. Zuerst Thorit, der Gesandte des Zwergenclans, begleitet wurde er von Fatmil, ebenfalls einem Zwerg. Der Platz neben Fatmil war leer. Hier saß normalerweise Hakon, der Stammchef des Erdvolkes, ein Golem. Wenn auch ein durchaus menschenähnliches Wesen, so stammte er jedoch im Gegensatz zum Clan der Metamorphen nicht von den wahren Menschen ab, sondern den Erzählungen nach, vom Golem, welcher aus Erde geformt wurde und der Erde entstieg. Nach dieser Legende erhielt der Clan auch die Bezeichnung „Clan der Golems". Es waren überwiegend Gestalten von robuster Statur, die meist mit dunklen Haaren und dementsprechenden dunklen Bärten ausgestattet waren. Ihre Erscheinung war recht imposant und so mancher war unter ihrem bloßen Blick schon zusammengebrochen. Sie waren ein kriegerisches Volk und sie unter der Kontrolle des Rates zu halten, hatte schon immer mehr Anstrengung gekostet, als bei allen anderen Völkern und Clans zusammen.
Der vorletzte Platz war besetzt von Morit, einem Troll. Er war riesig und sein Stuhl war eine Sonderanfertigung aus dem Holz der unzerstörbaren Waldeiche. Das heißt, eigentlich war sie unzerstörbar, denn Morit hatte in seinem bisherigen Abgeordnetenleben bereits zwei dieser Stühle trotz alledem zerbrochen. Auch heute ächzte sein Stuhl bedenklich, als er sich wie alle anderen Ratsmitglieder von ihm erhob, um Laurent, dem Obersten die Ehre bei seinem Eintritt zu erweisen. Als letzter erhob sich der Gnom Nadur. Von eh schon sehr kleiner Statur, sah er neben Morit aus, wie eine Maus neben einem Elefanten. Nadur versprühte wie immer gute Laune und Fröhlichkeit.
Ob es überhaupt etwas gibt, das sein Lächeln verscheucht?, fragte sich Laurent.
Laurent nahm vor seinem Stuhl Aufstellung und sprach dann die Begrüßungsworte. Mit einer Handbewegung forderte er die Vertreter aller Stämme auf, sich wieder hinzusetzten und nahm dann selbst Platz.
Die Sitzung konnte beginnen.