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2.1 Über den Wert innerer Reife

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»Früher dachte ich, die größten Umweltprobleme seien der

Verlust der biologischen Vielfalt, der Zusammenbruch der

Ökosysteme und der Klimawandel. Ich dachte, dass wir mit

30 Jahren guter Wissenschaft diese Probleme angehen könnten.

Aber ich habe mich getäuscht. Die größten Umweltprobleme sind

Egoismus, Gier und Gleichgültigkeit. Um damit aber umzugehen,

brauchen wir eine spirituelle und kulturelle Transformation.

Und wir Wissenschaftler wissen nicht, wie das geht.«

Nach weit über zehn aktiven Jahren im Nachhaltigkeitsbereich möchten wir diese Aussage des amerikanischen Umweltanwalts James Gustave Speth voll und ganz unterstreichen. Gerade in Hinblick auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit waren die meisten aktiv Beteiligten stets davon überzeugt, mit »End-of-Pipe«-Technologien oder ausreichend Wissensgenerierung schon irgendwie die Kurve zu kratzen. Ein paar mehr Umweltgesetze hier, ein paar neue Innovationen da und dazu noch ein etwas besseres Marketing, und alles würde sich zum Guten wenden.

Innere Mechanismen, die in jedem Einzelnen und damit auch kollektiv in unserer Gesellschaft wirken, wurden hingegen vollkommen außer Acht gelassen. Diese Mechanismen sind zum Beispiel tief verinnerlichte Werthaltungen wie Hedonismus, Gewinnstreben oder Konkurrenz, die uns trotz aller Kritik nach wie vor am Kapitalismus festhalten lassen; es sind unbewusste Ängste, wie etwa die Angst vor Veränderung oder die Angst vor Mangel, die unsere umweltschädigenden Muster prägen; es sind unreflektierte Projektionen, die uns in Schuldzuweisungen verharren lassen, statt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten; es ist der Egoismus in uns, der sich aus der Verantwortung stiehlt; es sind ein gefrorenes Herz und die emotionale Gleichgültigkeit, die uns blind machen für die Nöte der Welt.

Des Weiteren ist es die fälschliche Überzeugung, dass wir die Krone der Schöpfung sind, was unseren Raubzug auf diesem Planeten moralisch überhaupt erst vertretbar macht. Und es ist der Verlust einer sinnstiftenden Spiritualität, der Verlust der Verbundenheit mit uns selbst und der Welt, der uns dazu veranlasst, unser Glück im Außen statt im Innen zu suchen. Eine Suche, bei der wir jedoch niemals echte Befriedigung finden werden.

Diese drei Dimensionen – Werte, Gefühle und Weltbilder – sind innere Dimensionen, die keine Politik der Welt und keine technologische Erfindung allein je tangieren könnten. Denn sie liegen der äußeren Welt zugrunde und bilden das unsichtbare Fundament, auf dem politische, wirtschaftliche und soziale Systeme gebaut und gestaltet werden. Unsere äußere Welt ist ein Produkt unserer Innenwelt. Wir werden sie nicht ändern, bevor wir uns nicht selbst geändert haben!

Und genau deshalb können wir so viel gewinnen, wenn wir beginnen, den Blick nach innen zu richten. Wir können dabei einen Schlüssel finden, der uns weit mehr Türen öffnet und weit nachhaltiger wirkt, als es äußere Reparaturmaßnahmen alleine je vermögen. Und wir können darüber hinaus für uns selbst einen Weg finden, um ein erfülltes Leben im Einklang mit uns selbst, den Mitmenschen und der Natur zu führen.

Wie innen, so außen!

Die innere Verfassung bestimmt, wie du mit der Welt in Verbindung trittst und wie du dich darin verhältst. Es ist ja im persönlichen Leben nichts anderes: Wenn du dich schlecht fühlst, bist du vermutlich nicht so freundlich wie sonst. Vielleicht siehst du generell alles etwas pessimistischer und fühlst dich auch schneller angegriffen. Hast du hingegen richtig gute Laune, wirst du viel eher strahlen. Du wirst den Fokus auf die schönen Dinge legen und sehr wahrscheinlich anderen gegenüber offen und freundlich sein.

So ähnlich verhält sich das auch im großen Maßstab. Wenn unser kollektiver Geist oder die »Seele der Gesellschaft« nicht heil sind, wenn wir unser Weltbild im Kern auf Macht, Kampf und Ausbeutung aufbauen, dann wirken wir auch nach außen hin destruktiv. Dann können wir natürlich auch in den äußeren Lebensbereichen keine heilvolle und regenerative Welt erwarten. Solange wir in alten, zerstörerischen Denkmustern stecken, wird kein Wandel in Richtung einer nachhaltigen Gesellschaft möglich sein!

Wenn wir eine zukunftsfähige, lebensbejahende Welt erschaffen wollen, dann müssen wir uns auch persönlich verändern und zuerst einmal in uns selbst die Voraussetzungen dafür schaffen. Das klingt nicht nur logisch, das ist auch logisch! Doch leider scheinen dies nur sehr wenige Menschen zu berücksichtigen.

Kaum jemand kümmert sich wirklich um die Stärkung persönlicher Qualitäten, den Aufbau von seelischer Reife oder ein innerliches Wachstum. Die wenigsten Menschen hinterfragen ihr eigenes Sein. Noch dazu, wenn es um ein scheinbar so »äußerliches« Thema wie nachhaltige Entwicklung geht. Doch gerade hier hat die Nachhaltigkeit ihren blinden Fleck und somit auch ihr größtes Potenzial für einen Wandel. Aus unserer Sicht bedarf es also eines großen Bewusstseinswandels. Denn noch einmal: Innen und Außen gehören zusammen. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben.

Innere Reifung und innere Erkenntnis gehen der äußeren Veränderung voraus. Wie oft waren es die großen, unbeantworteten Fragen unseres Lebens, die wir tagein, tagaus wälzen mussten, bevor wir uns zu neuen und mutigen Schritten in unserem Leben durchringen konnten? Wie oft mussten wir nach einem Streit zuerst mit uns selbst ins Reine kommen, bevor wir zum Verzeihen bereit waren? Wie oft sind wir in einer Sache immer wieder gegen die Wand gelaufen, bevor wir erkannten, dass es ein inneres Umdenken braucht?

Wenn die Innenschau im Leben des Einzelnen schon so einen Unterschied macht, dann denk doch einmal daran, was innere Reife für die Gesellschaft als Ganzes bedeuten würde! Stell dir einfach mal vor, wie viel mehr Zusammenhalt und Kooperation wir erreichen könnten, wenn mehr Menschen wieder Zugang zu ihrem eigenen Herzen finden.

Wie viel mehr Frieden es in der Welt geben würde, wenn mehr Menschen Frieden in sich selbst finden! Wie viel bewusster wir mit den Ressourcen unserer Erde umgehen würden, wenn mehr Menschen erkennen, dass wahres Glück nicht in materiellen Dingen zu finden ist. Wie viel mehr Sorge wir für andere und unseren Planeten tragen würden, wenn Liebe und Mitgefühl anstatt des Egos unser Handeln bestimmen. Wie viel mehr Schönheit in der Welt zu finden wäre, wenn jeder Mensch sein volles Potenzial zum Strahlen bringt und sein Umfeld mit der liebevollsten Version seiner selbst beschenkt.

Wir sind überzeugt: Diese Welt ist möglich! Alles, was es braucht, ist, den Widerstand gegen die innere Dimension des Menschen fallen zu lassen. Aufzuhören, die Lösungen nur im Außen zu suchen, und stattdessen endlich damit zu beginnen, in völliger Offenheit den Blick nach innen zu richten.

Durch die aktive Innenschau und andere Formen der inneren Arbeit, die in diesem Buch vorgestellt werden, können wir eine völlig neue Sicht auf die Welt gewinnen und am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, ein liebender und innerlich reifer Mensch zu werden – eine wache Person, die ihr Leben im Einklang mit sich selbst, ihrer Mitwelt und der Erde führt.

Du wirst sehen, wie das unserer Erfahrung nach gelingen kann und wie wir die inneren Ressourcen im Sinn einer nachhaltigen Entwicklung am besten einsetzen können.

Doch zuerst müssen wir uns noch einigen Hindernissen stellen, die uns bislang den Weg in eine zukunftsfähige Welt versperrt haben. Denn innere Reife bedeutet nicht nur, ein glückliches und stets unbeschwertes Dasein zu feiern oder alles positiv zu sehen. Es bedeutet vor allem auch, sich seinen inneren Konditionierungen zu stellen, das scheinbar Dunkle in sich zu umarmen und über althergebrachte Muster hinauszuwachsen. Denn nur was uns bewusst ist, können wir auch loslassen.

Und so wollen wir in den nächsten Abschnitten des Buchs den Blick auf jene inneren, psychologischen und seelischen Faktoren werfen, die uns Menschen daran hindern, aufzuwachen und eine neue und gedeihliche Zukunft zu wählen.

Innen wachsen – außen wirken

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