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Vorwort

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Jeden Tag erblicken rund um den Globus mehr als 200.000 Babys das Licht der Welt, mit einem lauten JA zum Leben. Und doch gehen zunehmend mehr Menschen mit einem inneren NEIN durchs Leben. Jeden Tag erhöht sich unser Wissen zur Errichtung einer nachhaltigen Zukunft. Und dennoch schreiten die ökologischen Zerstörungen wie Klimawandel, Artensterben oder die Verschmutzung der Ozeane immer rascher voran. Ist das nicht paradox? Und während der Klimawandel schon jetzt ganze Erdteile unbewohnbar zu machen droht, hat sich die nächste Krisenwelle bereits in Stellung gebracht: Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Depression schon 2030 die weltweit größte Krankheitslast mit sich bringen.

Die Welt brennt und die Menschen brennen aus – Zufall? Keineswegs. Denn der gemeinsame Nenner all dessen, von Klimawandel und Burn-out-Epidemie lautet Ausbeutung. Die Ausbeutung von Natur und Menschen zur Maximierung von Profit in einer zutiefst konkurrenzorientierten, neoliberalen Hegemonie. Eine Hegemonie, die schon seit vielen Jahrzehnten aufrechterhalten wird. Durch globale Propaganda, eine ständige Präsenz negativer Schlagzeilen, die zunehmende Isolation der Menschen zueinander und durch die scheinbare Freiheit andauernder Erreichbarkeit, die längst zum Gefängnis geworden ist.

Während die Folgen unserer aktuellen Wirtschaftspraxis auf die Natur weitgehend bekannt sind, ist dies bei den psychologischen und seelischen Auswirkungen noch nicht ganz der Fall. Doch auch diese sind hoch riskant für uns als Gesellschaft. So hat etwa unser ständiges Multitasking oft fatale Folgen für unser Gehirn. Denn dabei werden all unsere negativen Erinnerungen in den Arbeitsspeicher des Gehirns hochgeladen und wir kommen in einen getriebenen Zustand mit erhöhter Stressaktivierung. So fangen wir vieles an, machen wenig fertig und haben dadurch kaum reale Erfolgserlebnisse. Die Frage »Wofür habe ich heute meine Energie verwendet?« ist deshalb Normalität geworden. Die Folgen für unsere Psyche sind eine Mischung aus Angst, Isolation und einem ausufernden Konsumverhalten als Ersatzbefriedigung für fehlende Erfolgserlebnisse und mangelnden Sinn des eigenen Tuns.

Menschen in diesem psychischen Zustand befinden sich oftmals in den sogenannten Bullshit-Jobs, wählen signifikant häufiger autoritäre und unsoziale Parteien und interessieren sich nicht für den Zustand unserer Welt. Zu all dem gesellen sich evolutionär bedingte Fehlannahmen des menschlichen Geistes. Dieser denkt nämlich linear und kann komplexe Systeme intuitiv nicht verstehen. Wenn etwas gut ist, muss mehr davon besser sein, so der Glaube. Doch stimmt dies in komplexen Systemen nie, und irgendwann wird mehr vom Guten dann schlechter. Mehr Kommunikation, mehr Besitz, mehr Konsum führen nicht zu einer besseren, freudvolleren und gesünderen (Innen-)Welt, sondern ins genaue Gegenteil.

In dieser Situation schließt das Buch von Julia Buchebner und Stefan Stockinger eine wichtige Lücke. Denn eine nachhaltige Entwicklung der Welt beginnt nicht durch politische Ankündigungen für das Jahr 2050, sondern vor allem beginnt sie in den Köpfen und Herzen von uns Menschen. Vom Zustand des Planeten als Spiegel unserer eigenen Befindlichkeit hin zur Vision eines umfassenden Wandels spannen sie dabei einen breiten Bogen. Sie führen uns in Gefilde, mit denen man beim Thema Nachhaltigkeit oft nicht in Berührung kommt. Wird doch nachhaltige Entwicklung zumeist anhand von Veränderungen der äußeren Welt gemessen – CO2- Reduktion, Plastikverbot, nachhaltige Landwirtschaft und vieles mehr. Julia und Stefan hingegen spüren den Entstehungsbedingungen und der Entfaltung nachhaltiger Entwicklung im Innen nach.

Es mag zwar durchaus vorkommen, dass Veränderungen im Außen eine innere Veränderung nach sich ziehen. Doch auch äußere Entwicklungen wie Gesetze und Vorschriften haben letztlich immer ihren Ausgang in den Gedanken, Gefühlen und Haltungen von Aktivisten, Politikern oder anderen Menschen in entsprechender Vorbildfunktion. Wir landen also wieder im Innen.

Welche Werte werden uns in einer Gesellschaft vermittelt, in der sich alles um Äußerlichkeiten dreht? Wie wirkt sich das auf unsere emotionale Kompetenz, Empathie und Kooperationsfähigkeit aus? Welche Weltsicht erlangen wir, wenn wir bereits in der Schule möglichst alles auswendig lernen sollen und somit unauffällig an das hierarchische System angepasst werden?

Wird uns in den meisten Universitäten, Ausbildungszentren und Unternehmen nicht von vornherein abtrainiert, was echte Offenheit und Neugier überhaupt bedeuten? Und können wir als Gesellschaft in solch einem Umfeld überhaupt jemals wahrhaft erwachsen werden, unser Selbst herausbilden, ein selbstständiges Denken entwickeln und somit unsere soziale und ökologische Verantwortung übernehmen?

Diese und viele andere Fragen werden Julia und Stefan aufgreifen und von verschiedenen Seiten beleuchten. Die Autoren beschreiten mit uns einen systematischen Weg, der ganz unverfänglich beginnt, ehe er uns über unsere tiefsten Tiefen schließlich zu unseren höchsten Höhen führt und so – möchte man sagen – den Kreis gar nicht schließt, sodass wir dann wieder am Anfang stünden, sondern uns viel eher als Absprungrampe dient. Als Absprungrampe zur inneren Entwicklung und zur wirklichen Entfaltung dessen, was in uns steckt. In vollem Vertrauen darauf, dass sich in jedem von uns letztlich etwas Gutes entfalten möchte.

Am Beginn dieser Reise werden wir neugierig gemacht, unsere Wertehaltungen zu reflektieren und die Frage zu stellen, welche Werte im eigenen Verhalten zum Ausdruck kommen. Das ist wichtig, stellt doch das Bewusstsein über die eigenen Werte den ersten Baustein innerer Entwicklung dar.

Doch mit der Betrachtung von Werten gibt sich dieses Buch nicht zufrieden – danach geht es erst richtig los! In wahrer Ehrlichkeit vor uns selbst lernen wir auch unsere Schatten kennen und widmen uns unseren Verdrängungs- und Verleugnungsmechanismen. Angst vor Mangel, Angst vor Wertlosigkeit, vor Verletzt-Werden, vor Ausgrenzung, vor dem Scheitern. Nur wer seine Schatten kennt und umarmen lernt, kann emotional reifen, muss nicht mehr vor ihnen davonlaufen oder sie auf andere projizieren, sondern kann sie in sein Selbst integrieren. Und das schafft gleichsam die Basis für echte Empathie und eine Kultur der Menschlichkeit und des Miteinanders.

Nach dem Tal der Schatten sind wir schließlich bereit, mit Julia und Stefan in Höhen vorzudringen, die wir am Beginn des Buches noch gar nicht geahnt hätten. Geht es doch letztlich darum, zu erkennen, dass nichts unabhängig existiert. Wir sind zutiefst verbunden mit den Menschen in unserem Leben, mit dem, was uns unmittelbar umgibt, mit der Natur, mit allen Lebewesen und mit der allumfassenden Existenz allen Seins. Vorsicht an dieser Stelle vor »aufgeladenen« Worten wie »Schöpfung« oder »Spiritualität«. Sind sie doch nur Versuche, uns dem ewigen Rätsel unserer Existenz anzunähern, das wir doch niemals lösen können. Denn unser Leben, in dem alles, was wir wahrnehmen, nur in uns selbst passiert, in dem ständig wir selbst im Mittelpunkt stehen, kann uns auf wundersame Weise doch nur dann wirkliche Erfüllung und Geborgenheit geben, wenn wir unsere Verbindung mit allem anderen anerkennen, pflegen und verantwortungsvoll gestalten.

So zeigen uns Julia Buchebner und Stefan Stockinger in diesem wunderbaren Buch, wie wir zum Kern unseres Wesens vordringen können, um dann unsere Welt zu verändern. Und dies im Vertrauen darauf, dass das Beste in uns immer schon da ist.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek

Facharzt für Neurologie, Biologe, Systemischer Coach, Buchautor, Lehrstuhl für Psychosomatik an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien, Gründer der Initiative planetYES für nachhaltige Entwicklung – www.planetyes.com

Wien, im März 2021

Innen wachsen – außen wirken

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