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1.2.3 Psychoanalyse und Literaturwissenschaft

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Die oben beschriebenen Methoden der Intertextualität und der Übersetzungswissenschaft, die das Hauptinstrumentarium meiner Analysen von Oehlenschlägers Roman bilden, werden punktuell durch Elemente der psychoanalytischen Literaturwissenschaft ergänzt. Diese Theorie umfasst ein weites Spektrum an Untersuchungsgebieten: Einerseits entwickelt sie Erklärungen für den Ursprung dichterischer Kreativität und versucht dadurch die Frage nach der Entstehung von Dichtung überhaupt zu beantworten, andrerseits widmet sie sich der Untersuchung rezeptionstheoretischer, leserorientierter Prozesse ebenso wie der Interpretation autor-, werk- und figurenbezogener Aspekte. Für meine Arbeit stütze ich mich vorwiegend auf die letztgenannte Richtung, da sie sich für die Analyse bestimmter Figuren, genauer gesagt, ihrer Handlungen, Konstellationen und Beziehungen anzubieten scheint. FreudFreud, Sigmund selbst fand wichtige Erkenntnisse seiner Theorien in der Anwendung auf literarische Figuren bestätigt oder liess sich in vielen Fällen durch Literaturanalysen zur Schaffung bestimmter, auch zentraler Konzepte inspirieren. Gerade ein so fundamentales Modell wie der Ödipuskomplex beruht ja auf literarisch vermittelter Überlieferung des Mythos – ein Tatbestand, der im Übrigen die psychoanalytische Literaturwissenschaft mit Intertextualitätskonzepten verbindet. Freud demonstriert mittels verschiedener Literaturinterpretationen die Übereinstimmung seiner Theorien, wie er sie hauptsächlich in der Traumdeutung darstellte, mit Werken der Dichtkunst. Die Analogien zwischen seinen psychoanalytischen Erkenntnissen, vor allem in Bezug auf die Existenz und Funktion unbewusster Triebkräfte, wie Mechanismen der Verdrängung, der Verschiebung und Verdichtung, und den fiktionalen Darstellungen des seelisch bedingten Agierens literarischer Figuren überzeugten ihn von einer Ursprungsverwandtschaft zwischen Psychoanalyse und Literatur: „Wir schöpfen wahrscheinlich aus der gleichen Quelle, bearbeiten das nämliche Objekt, ein jeder von uns mit einer anderen Methode, und die Übereinstimmung im Ergebnis scheint dafür zu bürgen, dass beide richtig gearbeitet haben“ (Freud 1995: 122). Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass „[d]ie psychologische Korrektheit etwa der vielen fiktionalen Träume oder vielsagenden Fehlleistungen in der Dichtung […] offenbar auf der grundsätzlichen Übereinstimmung der Mechanismen des Primärprozesses im literarischen Schaffen mit denen im psychischen Funktionieren überhaupt“ beruhe (Schönau 1991: 103). Diese Aussage verbindet die Vorgänge des Entstehungsprozesses von Dichtung aus psychoanalytischer Sicht mit dem hervorgebrachten Produkt, zu dem – je nach literarischer Gattung – ein Kreis handelnder Figuren gehört. Die Analyse dieser Figuren mittels psychoanalytischer Theorien wird oft als unzulässig kritisiert, da fiktive Personen keine Psyche hätten. Es liegt auf der Hand, dass sich die literarische Figurenanalyse von jener realer Personen in wesentlichen Punkten unterscheiden muss und bestimmten Begrenzungen unterworfen ist. Dennoch halte ich den Beitrag, den die psychoanalytische Literaturtheorie für das Verständnis psychischer Prozesse fiktiver Figuren leistet, für relevant, da durch ihr Instrumentarium verdeckte Subtexte ins Bewusstsein der Leser gerückt werden können, die anders kaum wahrgenommen würden, und die der Figurenzeichnung neue Facetten und Aspekte hinzufügen, wodurch natürlich auch der Gesamttext in anderem Licht erscheinen kann.

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