Читать книгу Licht am Ende vom Filz - Julianne Becker - Страница 14
Muttertag
ОглавлениеDie Göttin bat mich als nächstes darum, diese Einweihung möglichst umgehend ins Internet zu stellen, um sie jeder Frau möglichst bald als ein Geschenk der Göttin zugänglich zu machen. Das traf sich gut, meine erste Webseite war ja bereits draußen, aber ich damit noch sehr unzufrieden. Und nun merkte ich außerdem, sie stimmte nicht mehr, denn als ich mir die Einweihung darauf vorzustellen versuchte, spürte ich ganz deutlich, dass sie nicht ins alte Konzept passte, ein neues Layout musste her.
Ich selbst konnte das nicht und mein bisheriger Webseitengestalter war oft mürrisch und schimpfte herum, und so eine Schwingung sollte ich auch nicht in meine Webseite einfließen lassen, das erkannte ich so ganz nebenbei. So besprach ich mich mit der Göttin. Ich brauchte einen Webseitengestalter, der auf seine Gedanken und Gefühle besser aufpasste und die Freude, welche die Lichtfilzlinge umgab, und die Liebe, mit der sie gefilzt wurden, auch in eine Webseite umsetzen konnte, und der außerdem auch finanziell zu meinen bescheidenen Möglichkeiten passte. Und die Göttin kümmerte sich offensichtlich, denn in einem der nächsten Telefonate erzählte Bärbel mir so ganz nebenbei von ihrem Computerheiler, wie sie ihn liebevoll nannte, und dass der auch Webseiten gestalte. Ich überlegte nicht lange. ich rief Martin an und wir verabredeten uns bei ihm zum Vorgespräch.
Ein sensibler und liebevoller Mann empfing mich. Ich zeigte ihm Bilder und einen ersten Entwurf für die neue Struktur und erzählte, wie ich es mir vorstellte. Und als ich dann noch hinzufügte, er möge sich führen lassen und einfach machen, war er begeistert über die Weite an Möglichkeiten für seine kreative Arbeit und wir wurden uns einig. Auch finanziell zeigte er sich bereit, mit meinen Möglichkeiten mitzugehen. Als ich das Haus wieder verließ, spürte ich, wie ich von einer Liebeswoge geradezu überflutet wurde. Ja, das war's, nun würde die Göttin eine gute Webseite erhalten, und ich und die Lichtfilzlinge auch.
Bald schon stand die Isis-Einweihung frei zugänglich im Internet und ich erhielt einige Rückmeldungen von Frauen, die durch das Lesen des Textes und das Betrachten des Bildes eine intensive Einweihung erfahren hatten. Aber natürlich verstärkte das Erlebnis mit der Originalpuppe die Erfahrung weiter, für Frauen – und für Männer. Aber es dauerte noch weitere drei Monate, bis Isis die Einweihung auch für Männer öffnete und eine zweite Textvariante durchgab, aber die Einweihung eines Mannes sollte ich dann nur persönlich vornehmen.
Die Göttin Isis saß nun prachtvoll auf meinem Altar, während die Buddha-Figur, die zwischenzeitlich ebenfalls entstanden und dort kurz nach St. Germain für eine Weile platziert war, den Altar wieder verlassen musste und in den Flur umzog. Das war auch nicht verkehrt, denn da lag nach Feng Shui die Mitte meiner Wohnung, und dieser Buddha brachte mich selbst auch mehr in die Mitte.
Es war Mai geworden und in Ermangelung eines Besuches meiner Kinder beschloss ich, mir selbst Blumen zu Muttertag zu schenken. Isis kam ätherisch mit mir zum Blumenladen und suchte sich zwei kleine bepflanzte Schalen aus, die wollte sie unbedingt rechts und links neben sich auf dem Altar stehen haben. Mein Argument, die würden dort mangels Licht sicher eingehen, traf dabei auf taube Ohren - und die Pflanzen gingen auch später nicht ein. Schließlich fiel mein Blick auf einen spiralig gedrehten Bambusstab, und das war's: Nach dem hatte die Göttin wohl gesucht, ich spürte ihre plötzliche Zufriedenheit, ihn wollte sie in der Hand halten. Und mir selbst kaufte ich einen großen Blumenstrauß, nach all diesen anstrengenden Monaten hatte ich mir den verdient. Es war auch ganz genau ein Jahr vergangen, seit der Bauer mir die Wolle geschenkt hatte und das Abenteuer mit den Lichtfilzlingen begann.
Am Muttertag selbst saß ich schon morgens ganz lange und glücklich meditierend vor dem Altar. Ich musste einfach immer wieder dieses schöne und harmonische Arrangement bewundern. Die Blumenschalen und der spiralige Krummstab passten wirklich perfekt zur Göttin. Und erst da fiel mir auf, was Muttertag auch bedeuten konnte: Ich feierte den Tag der Großen Mutter! Und bei dieser Erkenntnis öffnete sich etwas in mir zu einer großen emotionalen Weite und in unendlicher Dankbarkeit umarmte ich die ganze Schöpfung.
Da fiel mir Lady Africa wieder ein und ich dachte an die Woche nach meinem Geburtstag, wo die afrikanische Dame darauf bestanden hatte, auf gleicher Augenhöhe mit der im Rohbau fertigen Göttin Isis zu sitzen. Warum bestand die Puppe damals so sehr darauf? Vielleicht war da überhaupt keine Arroganz im Spiel, wie ich erst vermutet hatte, denn der Charakter der Puppe blieb mir ja sehr suspekt. Wollte Lady Africa mich auf etwas anderes aufmerksam machen? Und da erst erkannte ich, worauf die Puppe mich vor Monaten schon hatte hinweisen wollen: Dass sie, die Lady Africa, ebenfalls die Göttin repräsentierte, nur eben in der geschichtlich älteren, archaischen Ausprägung. Isis und Lady Africa gehörten zusammen.
Und wenn man es genau nahm, bildeten sie auch die extremen Ausprägungen weiblicher Schönheit. Kein Wunder, dass ich diese drallen weiblichen Formen genauso liebte wie die schlanken, ja eigentlich liebte ich alle Körperformen, und das bei Männern und Frauen. Das wurde mir nun erst bewusst und hatte sich gegenüber früher offenbar radikal verändert. Vielleicht erlaubte ich nun einfach nur nicht mehr, dass eine körperliche Erscheinung mich von der Wahrnehmung der menschlichen Essenz darin hinderte.
Menschen, die nach objektivem Standard schön genannt wurden, kamen mir nun manchmal sogar schon eher wie gemachte Puppen vor, ich konnte deren Essenz oft kaum noch wahrnehmen, die schienen irgendwie klinisch viel "sauberer" zu sein. Das also lernte ich von meinen Göttinnen. Und dass diese schwarze Puppe auch das Licht der Göttin hielt, hätte mir eigentlich schon bei dem Namen auffallen müssen, den die Indigos meiner Puppe gegeben hatten. "Big Mama" hieß doch "Große Mutter" und das war auch die ursprüngliche Anrede der Göttin, bevor jede Kultur ihr einen anderen Namen gab.