Читать книгу Licht am Ende vom Filz - Julianne Becker - Страница 15
Die Trommeltrance
ОглавлениеBettina hatte nicht nur meine Lady Africa gekauft, nein, sie war auch sonst so begeistert von den Lichtfilzlingen und deren Talenten, dass sie mit der Idee an mich herantrat, ich solle ihrer zweiten Trommel-Gruppe ein passendes Maskottchen channeln und das wurde, wie wir bereits wissen, eine Eidechse. Allerdings konnten sich dann nur drei Mitglieder der Gruppe mit der Bestellung anfreunden und so stand die bunte Eidechse mit den vielen Ornamenten auf dem Rücken am Ende nur für die Zusammenarbeit der drei, aber das stellte sich erst Wochen später heraus.
Ich kannte natürlich nur den Anfängerkurs und wollte bei einer Trommelsession der Profis dabei sein, wollte mich einfühlen und die Gruppe kennen lernen, um genau die richtige Tierfigur für sie entwerfen zu können, so dachte ich wenigstens damals, als wäre ich nicht schon oft eines Besseren belehrt worden. Nun, auf jeden Fall wollte ich mich ganz auf die Gruppe einstellen und es so richtig gut machen, es stimmte so.
Bettina hatte ihre Idee der Gruppe vorgetragen und mich dann eingeladen. Ich war pünktlich und freute mich schon sehr darauf. Meine Lady Afrika saß auf einem Kissen direkt neben Bettina und ich nahm auf der anderen Seite der Puppe Platz und öffnete mich der Inspiration für einen passenden Lichtfilzling. Die Gruppe trommelte sich erst einmal ein. Ich liebe diesen improvisierten Trommelsound und genoss das Konzert.
Als es sich dann nach der Pause in eine längere Trommel-Improvisation steigerte, ließ ich mich von den Trommelschlägen davontragen und glitt in eine traum-ähnliche Trance. Und da sah ich Lady Africa, die echte Frau hinter der Puppe, in einer Runde von trommelnden schwarzen Frauen sitzen. Und dann erschien mir noch einmal meine eigene Inkarnation, in der ich das Wissen um die Puppen nach Afrika gebracht und diese Menschen angeleitet hatte, magisch mit Puppen zu arbeiten. Und dann verschmolzen beide „Filme“ zu einem und ich war selbst Lady Africa. Nach meinem Tod bereute ich meine Aktion und fühlte mich verantwortlich dafür, dass meine Magie in falsche Hände fiel und später solche Auswüchse (Duduu) angenommen hatte, denn ich nahm hellsichtig auch alle Konsequenzen über die nächsten Jahrhunderte wahr.
Und dann wechselte die Szene wieder und ich sah einige der Frauen im Kreis sitzen, die ich aus dem jetzigen Leben kannte: Manuela, Barbara, Bettina, also genau die, die von der Puppe auch so besonders berührt wurden. Ich sah nur Frauen, Männer hatten damals und in dieser Runde nichts zu sagen. Und in dieser Runde berieten wir, wie wir auf die Veränderungen reagieren sollten, denn das Patriarchat klopfte mit aller Macht an unsere Türen. Eine Invasion stand bevor. Die Szene verschwand.
Nun befand ich mich über Afrika, aber ich flog so hoch oben über dem Kontinent, dass ich ihn vom Weltall aus als Ganzes erkennen konnte. Und schon verwandelte sich der ganze Kontinent Afrika in ein Sprungtuch in Form seiner Umrisse und um das Sprungtuch herum sah ich lauter Lichtfilzlinge sitzen, die es festhielten, nur Lady Africa flog neben mir und leitete alle Lichtfilzlinge an, das Sprungtuch zu halten.
Dieses Bild verschwand auch wieder und diesmal flog ich mit meiner Mama Africa ganz dicht über den Boden dahin und wir befreiten die Geister aus den Puppenkörpern, die da seit Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten gefangen waren, wir zogen alle Nadeln aus den Puppenkörpern heraus und hoben den Bann auf, der sie an bestimmte Menschen und ihren Fluch oder die magische Beschwörung band. Zum großen Teil waren diese Menschen schon gestorben, für die der Zauber ursprünglich gewirkt wurde oder die ihn erschaffen hatten, und die Geister saßen immer noch in den Puppenkörpern fest und litten entsetzlich.
Ich nahm drei verschiedene Reaktionen auf unsere Befreiungsaktion wahr: Ein Teil der befreiten Geister kam zu mir, weil sie Vertrauen fanden, und ich schickte sie ins Licht und zu ihren eigenen Ebenen zurück. Einen anderen Teil der Geister konnte nichts dazu bewegen, die Puppenkörper zu verlassen, sie saßen verängstigt da und so übergab ich sie der Obhut der Lady Africa, um mit der Zeit doch noch den Mut zu finden, in die Freiheit zu gehen. Und ein dritter Teil berührte mich besonders: Diese Geister waren kaum befreit, als sie begannen, nach den Menschen in ihrer heutigen Inkarnation zu suchen, die sie da in einem anderen Leben hinein gebannt hatten. Nun wollten die Geister ihnen helfen, sich aus den Irrwegen von Duduu zu befreien.
Wieder flogen ich mit Lady Africa weiter, diesmal begleitet von allen Lichtfilzlingen, die hatten das Sprungtuch losgelassen und zusammen spürten wir nun Puppen, Teddybären und andere Spielfiguren an vielen Orten auf und befreiten die Geister, die ungeliebt von besseren Zeiten träumten. Wir gaben ihnen Liebe und boten ihnen den Weg ins Licht und die Rückkehr zu ihren Ebenen an.
Langsam ebbte das Trommelkonzert ab und trug mich in einem schönen Ausklang aus der Trance zurück in den Raum. Erst jetzt merkte ich, wie sehr mich das Erlebte von ganzem Herzen berührte. Es ergriff mich so sehr, dass ich die Tränen kaum verbergen konnte. Und ich wusste plötzlich, auch dafür war ich wieder gekommen. Auch dafür lebte ich. Das war meine Aufgabe.
Und ich konnte endlich meine ganze Schuld loslassen und mir auf höheren Seelenebenen selbst vergeben, dass ich in einem anderen Leben das Wissen um die Magie der Puppen in unreife Hände gelegt hatte. Zuhause ging ich das Erlebnis noch einmal durch. Und dann dachte ich: Mit all diesen Tausenden von Nadelstichen an meinen Lichtfilzlingen zog ich symbolisch immer wieder die Nadel raus und neutralisierte damit die Wirkung einer dieser vielen Nadeln, die in der Vergangenheit jemals in einer Puppe stecken blieben. Ich hatte die Macht dazu, ich wusste das einfach.