Читать книгу Licht am Ende vom Filz - Julianne Becker - Страница 6
Ein Fass wird geöffnet
ОглавлениеNun, jedenfalls fehlte mir in der spirituellen Szene so was wie ein diplomatischer Ehrenkodex auf der Astralebene. Da herrschte wilder Westen. Und so kompliziert konnte wirklich auch nur ich sein, darin war ich Weltmeister, statt mich einfach mal morgens an dem Anblick eines prächtigen Mannsbildes zu erfreuen, das neben meinem Bett stand und mich freundlich anschaute! Und so wie Tom da stand, gefiel er mir auch ausgesprochen gut. Ja, ich kam nicht einmal auf die Idee, ihn zu fragen, was er denn bei mir zu suchen hatte und was er denn von mir wollte!
Stattdessen rief ich aufgeregt meine Freundin Sabeth an, die für solche Fälle die Richtige war und bat sie um eine hellsichtige Klärung. Sabeth gab Entwarnung, ich hätte mich mit ihm auf anderen Ebenen getroffen und ich sei ihm nicht zu nahe getreten. Ich war erleichtert. So deutlich hatte ich mich noch nie an das Aussehen eines Mannes erinnert, ja, es war auch kein Erinnern, der stand fast greifbar dreidimensional und lebensgroß vor mir. Das kannte ich noch nicht, und das war mir auch nie wieder so deutlich passiert. Ich versuchte ihn aus meinen Gedanken zu verscheuchen und wieder zur Tagesordnung überzugehen. Aber man versuche einmal, an etwas nicht zu denken! Das war ganz schön schwer, doch ich blieb stur und irgendwann ging es. Trotzdem tauchte die ganze Erscheinung oder zumindest das Gesicht mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder auf. Erst nach einigen Tagen der Übung gelang es mir, ihn fast zu vergessen, und ich war richtig stolz auf mich. Als ich kurz darauf wie schon so oft mit Sanat Kumara ein wenig rum channelte, was ich gerne "plaudern" nannte, sagte der aus heiterem Himmel und garantiert ohne dass ich ihn danach gefragt hätte:
"Tom ist dein Seelenpartner, deine Dualseele. Ihr wart schon oft zusammen und ihr seid füreinander bestimmt."
Andere und wesentlich vernünftigere Menschen als ich oder fortgeschrittenere Seelen wären nun sicher einfach im siebten Himmel geschwebt, aber ich bin da etwas komplizierter. Ich wurde wütend, denn schließlich hatte ich Sanat Kumara nicht danach gefragt! Ich hatte ihn auch ganz bestimmt nicht fragen wollen, um dieses Thema machte ich tunlichst einen großen Bogen. Und nun hatte ich den Salat. Wenn es stimmte, dass dieser Tom mein Seelenpartner war, dann musste ich heulen, weil ich so viel Glück nach all den Scherben in meinem Leben nicht fassen konnte. Und wenn das nicht stimmte, dann würde ich Sanat Kumara nie mehr ein Wort glauben können und verlöre außerdem noch meine schöne Channelbeziehung, mit der ich nie mehr alleine war.
Erst einmal blieb dieser Zwiespalt in mir bestehen. In den folgenden Wochen hatte ich Mühe, das Thema Seelenpartner nicht allzu ausgebreitet in meinem Kopf zu dulden. Und bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch keinen blassen Schimmer, was da ganz verdrängt in meinem Psychokeller rumlag. Ich glaubte lange Zeit sogar, jedes Interesse am anderen Geschlecht ganz verloren zu haben! Aber nun hatte sich das Fass geöffnet. Ich merkte nur noch nicht, wie voll dieses Fass war, denn es tröpfelte erst langsam in mein Bewusstsein...
Tom und seine beiden Begleiter hatten uns darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es für das Verankern der Energie der Göttin auf der Erde sei, an den drei Vollmonden gemeinsam zu meditieren. So wurde ich vage an eine Berufung erinnert, die ich seit Jahren spürte. Ich sehnte mich nach der Göttin und wollte helfen, die Schwingung der Göttin mit anderen zusammen zu verankern. So traf ich mich mit anderen Freiwilligen dienstbeflissen (Gottes-Dienst) am Tag der besonderen Horoskop-Konstellation zum Meditieren. Ich fühlte nun sehr deutlich, das war meine Aufgabe, dazu wurde ich geboren, und es erfüllte mich mit Rührung und Freude, dass es nun endlich möglich sein würde, und auch, dass ausgerechnet ich daran Teil haben durfte. Ich ging mittlerweile davon aus, dass es einen vollkommenen Plan gäbe für diese Schöpfung und dass alle Seelen da eine kleine Aufgabe übernommen hatten, und das war eine konzertierte Aktion, man wurde dazu geführt, Schritt für Schritt, mehr wusste ich damals noch nicht.
Vera, die diese drei Amerikaner ursprünglich auch eingeladen hatte, leitete die Meditation in dem Heilraum ihrer Einweihungs-Schule und holte das Licht der Göttin mit uns zusammen in einem kraftvollen, heiligen Ritual herunter und verankerte die Schwingung in der Erde. Vera war die beste Ritualmeisterin, die ich mir dafür vorstellen konnte und ich war ganz dankbar, dass ich dabei sein konnte. Später erfuhr ich von Vera, dass sie in vielen Leben Hohepriesterin der Göttin gewesen war. Natürlich trafen sich weltweit solche Gruppen von Männern und Frauen, das Ereignis blieb nicht auf die drei amerikanischen Weisen aus dem Abendland beschränkt, welche die Zeichen des Himmels gelesen und verstanden hatten. Tom und die beiden anderen hatten ja nur die Zeichen der Zeit erkannt und reisten nun herum um es uns allen kund zu tun. Nur Weyrauch und Myrrhe für das göttliche, neugeborene Mädchen hatten sie nicht dabei. Sie suchten auch keine stillende Mutter sondern interpretierten die Geburt der Göttin eher als ein kollektives Thema. Aber das nur mal am Rande.
An den folgenden Tagen lief ich lange durch den Botanischen Garten, zerbrach mir den Kopf und wühlte mich durch die vielen intensiven Gefühle hindurch, die immer wieder um Tom und seine Ankündigung kreisten, er wolle im nächsten Jahr wieder nach Berlin kommen. Schließlich entschied ich, erstens Vera meine Hilfe bei der Organisation von Toms Vortrag und Workshop anzubieten und zweitens an Tom selbst in einem Email zu schreiben, dass ich ihn gerne unterstützen wolle, wenn er das nächste Mal in Berlin sei. Dabei hatte ich einige Mühe, seine Emailadresse im Internet zu finden, denn Vera wollte ich nicht fragen. Ich erhielt aber keine Antwort von ihm und so vergaß ich es wieder. Später behauptete er, dass er mir geantwortet habe, aber dieses Email war nie angekommen – oder ich hatte es zwischen all meinen Prozessen aus Versehen gelöscht.
Immerhin motivierte mich nun die Aussicht auf den Seelenpartner, endlich eine schöne und schlanke Frau zu filzen, mein Schönheitsideal, denn ich selbst sehnte mich auch so sehr danach, wieder gut auszusehen, für meinen Seelenpartner und für mich selbst. Und ich hoffte, dass es mir bis zum nächsten Jahr gelänge, ordentlich abzunehmen und freute mich: Nun würde es mit mir und einem Partner doch noch was werden, glückliche Zweisamkeit und so, die Erfüllung meines innigsten Wunsches seit langem – den ich nur zu oft verdrängen musste, und dann handelte es sich bei Tom ja auch noch um meine perfekt passende Dualseele. Mann, musste das toll werden! Mein Herz hüpfte vor Freude.