Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 10

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Das warme Wasser der Dusche prasselte auf Auroras verkrampfte Muskeln.

Wieso musste sie sich in einen Vampir verknallen? Den natürlichen Feind eines Vampirjägers. Wie hatte es so weit kommen können? Warum tat die Trennung so weh?

Sie drehte das Wasser ab und rubbelte sich trocken. Nachdem sie in ihren Flanellschlafanzug gestiegen war, holte sie sich ihren Lavendeltee und stellte ihn im Schlafzimmer auf ihren Nachttisch. Müde ließ sie sich in ihr Bett fallen und boxte frustriert in ihr Kissen. Als sie ihre Füße über die Bettkante streckte, stieß sie gegen etwas Festes. Erstaunt hielt sie inne und linste über den Bettrand. Ein Stück eines Pakets schaute unter ihrem Schlafplatz hervor. Auf dem Adressaufkleber konnte sie lesen, dass es von ihrer Mutter war. Langsam stand sie auf und zog die Kiste zu sich heran. Es war über eine Woche her, dass sie diese, ohne ihr Beachtung zu schenken, unter ihr Bett geschoben hatte. Damals hatte sie nicht einmal darauf geachtet, von wem sie Post bekommen hatte.

Vorsichtig strich sie über den Deckel. Sollte sie das Paket jetzt öffnen? Irgendwie fürchtete sie sich ein bisschen vor dem, was sie darin finden würde. Als sie ihre Mutter darum gebeten hatte, ihr die alten Sachen ihres Vaters zu schicken, hatte Aurora nicht darüber nachgedacht, was das für Gefühle in ihr auslösen würde. Immerhin hatte sie alle Erinnerungen an ihren Vater lange verbannt. Hätte Aurora nicht herausgefunden, dass er ein Vampirjäger gewesen war, würde sie nicht mehr über ihn erfahren wollen. Doch nach all den Veränderungen in ihrem Leben konnte sie ihre Vergangenheit nicht ewig vergraben lassen. Vielleicht würden seine Sachen ihr in irgendeiner Weise nützlich sein oder es befanden sich ein paar Dinge ihrer Großmutter darunter.

Wie gerne wäre sie dieser Frau einmal begegnet. Ob sie noch am Leben gewesen war, als ihre Eltern geheiratet hatten oder als Markus und sie auf die Welt gekommen waren? Hatte ihr Vater sie vielleicht von ihnen ferngehalten? Sie hatte Bruder Michael nicht gefragt, wann und wieso ihre Verwandte gestorben war.

Aurora holte die Schere von ihrem Schreibtisch und löste vorsichtig das Klebeband. Ein Briefumschlag lag auf einer Lederjacke. Darin fanden sich ein paar alte Fotos und ein Zettel ihrer Mutter.

Meine liebe Tochter,

ich hoffe, mit dieser Kiste kannst du endlich Frieden mit deinem Vater schließen.

Als du mich um die Sachen von deinem Vater gebeten hast, bin ich stutzig geworden und habe Donald Bells angerufen. Er erzählte mir, dass du mit seinem Sohn Gregor trainierst, um eine Jägerin zu werden, so wie dein Vater. Ich wünschte, du hättest nie von der Vergangenheit deines Vaters erfahren, denn wir wollten euch immer davor beschützen. Bitte pass auf dich auf und denk daran, dass du seinen Weg nicht gehen musst, sondern dich einfach abwenden kannst von diesem Schicksal.

Ich habe miterlebt, wie es deinen Vater kaputt gemacht hat. Zwar hätten wir uns nie kennengelernt, hätte er mich nicht vor einem Vampir gerettet, doch ich habe immer gehofft, er könnte mit uns glücklich werden und würde sich nicht weiterhin verpflichtet fühlen, nach Monstern zu jagen.

Doch leider habe ich mich geirrt.

Bitte, Aurora, geh nicht seinen Weg. Und bitte sorge dafür, dass dein Bruder sich nicht in etwas verrennt. Er ist immer so leichtsinnig. Ich hoffe, dass ihr irgendwann offen mit mir redet und nicht alles vor mir verstecken werdet. Denk nicht, mir ist nicht aufgefallen, dass du bei meinem Besuch Sachen vor mir verschwiegen hast. Denk daran, dass du immer offen mit mir reden kannst und dass ich immer für dich da bin. Ich liebe dich, mein Kind.

Erstaunt starrte Aurora auf den Brief in ihrer Hand. Ihre Mutter hatte also die ganze Zeit gewusst, dass es Vampire gab. Und trotzdem hatte sie es ihren Kindern verschwiegen, um sie zu beschützen. Aurora hatte keine Ahnung, wie sie diese Sache bei ihrer Mutter ansprechen sollte. Vielleicht sollte sie dieses Thema fürs Erste in den Telefonaten mit ihrer Mutter ignorieren.

Sie widmete sich wieder dem Paket und schüttete den Inhalt des Briefumschlags vor sich aus. Die meisten Bilder waren Kinderfotos von Markus und ihr. Erinnerungen aus einer Zeit, in der alles in Ordnung gewesen zu sein schien.

Es gab wenige Bilder, auf denen sie als ganze Familie zu sehen waren. Das sonst ernste Gesicht ihres Vaters zierte ein leichtes Lächeln, während er auf seine Kinder blickte. Hätte sie damals gewusst, mit was ihr Vater zu kämpfen hatte, hätte sie einige seiner Verhaltensweisen vielleicht besser verstanden.

Die Stimmungsschwankungen, seine übertriebenen Reaktionen, wenn sie ihn zum Spaß erschreckten, und die Albträume, aus denen er schreiend erwachte. Seufzend legte sie die Fotos zur Seite.

Unter der Jacke fand sie eine Metallkiste. Sie strich über den angerosteten Deckel, in den ein rundes Symbol eingekratzt war. Es erinnerte sie an eins dieser Beschwörungssymbole aus einem Horrorfilm. Neugierig holte sie die ungewöhnlich schwere Kiste heraus. Ein kleines Hängeschloss hinderte sie daran, den Deckel einfach abzuheben. In dem Paket befanden sich jedoch nur noch ein paar Schreibhefte, kein Schlüssel. Dafür erkannte sie die Schrift ihrer Großmutter. Das mussten weitere Tagebücher sein. Aurora legte sie auf ihren Nachttisch, um sie später zu lesen.

Sie griff nach der abgewetzten Lederjacke und wühlte durch die Taschen, doch auch dort befand sich kein Schlüssel. Allerdings schien im Futter etwas Weiches eingenäht worden zu sein. Bevor sie sich diesem Geheimnis widmete, musste sie jedoch erfahren, was in der schweren Kiste war. Sie griff in die Schublade ihres Nachttisches, in die sie ihren schwarzen Dolch gelegt hatte. Mit der Spitze konnte sie den Schließmechanismus nicht drehen, also benutzte sie ihre Waffe, um den Bügel des kleinen Schlosses aufzuhebeln. Mit einigem Quietschen gab es schließlich nach. Mehrere Lederbeutel und eine Samtschatulle füllten fast die gesamte Kiste aus. Aurora nahm sich die Beutel. Aus manchen schauten die Griffe von Dolchen heraus. Die Schneiden waren angelaufen und sie strich vorsichtig über die Waffenblätter. Vermutlich war Silber darin verarbeitet. Die Klingen konnte sie sicher mit etwas Alufolie und Zitronensaft wieder zum Glänzen bringen. In einem der Täschchen befanden sich lange Nadeln, wie beim Akupunktieren. Auch diese waren grau angelaufen, wahrscheinlich ebenfalls aus Silber. Von der Länge her konnte sie diese sicher unbemerkt in den Ärmeln ihrer Pullover oder in Jackenaufschlägen verstecken. In einem der Lederbeutel waren mehrere Wurfsterne enthalten.

In der Samtschatulle verbargen sich ein kleiner Revolver und einige Kugeln. Der Farbe nach zu urteilen, enthielten auch diese das für Vampire schädliche Metall. Am Boden der Truhe ruhte ein dünnes Heft. Zögernd griff sie danach.

War dies ein weiteres Tagebuch? Vielleicht sogar von ihrem Vater? Sah es doch nur halb so alt aus wie die anderen größeren Hefte, die sie auf den Nachttisch gelegt hatte.

Als sie die erste Seite aufblätterte, begrüßten sie spitze Buchstaben und eng hingeworfene Worte. Ein zusammengefalteter Zettel fiel in ihren Schoß. Langsam öffnete sie diesen.

Meine lieben Kinder,

Wenn ihr dies lest, konnte ich euch nicht mehr Lebewohl sagen. Lange habe ich versucht, mein Geheimnis vor meinen Lieben geheim zu halten, um euch alle zu schützen. Doch am Ende hat es unsere Familie zerrissen. Ich hoffe, ihr werdet nie wissen, was es mit dieser kleinen Sammlung auf sich hat. Aber sollte es so sein, denke ich, dies wird einen kleinen Schutz für euch darstellen. Einen größeren findet ihr in meinem Allerheiligsten.

Hilfe und Beistand findet ihr im Ordenshaus der Franziskaner.

Meine Kinder, ich liebe euch sehr, egal wie oft ich euch den Rücken gekehrt habe. Ich konnte einfach diese ständigen Lügen nicht mehr ertragen. Ich wünsche euch, dass ihr niemals so viele Geheimnisse und Lügen vor eurer Familie haben müsst wie ich.

In Liebe, euer Vater

Aurora ließ mit zitternden Händen den Brief sinken. Die Schrift war bei den letzten Worten ihres Vaters vor ihren Augen verschwommen. Auf den Seiten des Heftes konnte sie seine Notizen sehen, kurze Stichpunkte, die Markus und ihr vielleicht noch nützlich sein würden.

Schniefend klappte sie es zu und packte alles in das Paket ihrer Mutter zurück. Tief durchatmend wischte sie sich über das Gesicht, entfernte die Tränen, die ihr während des Lesens entwischt waren.

Markus hatte recht, dass ihr Vater eine tiefe Wunde in ihr hinterlassen hatte. Früher konnte sie wenigstens einfach wütend auf ihn sein. Darauf, dass er seine Familie im Stich gelassen hatte. Doch nachdem sie wusste, was er die ganze Zeit versteckt hatte, konnte sie sein Verhalten sogar nachvollziehen.

Warum hatte er nicht mit ihnen gesprochen, ihnen die Wahrheit gesagt? Frustriert schob sie die Kiste wieder unter ihr Bett.

Und was hatte es mit diesem Allerheiligsten auf sich? Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater je davon erzählt hatte.

Aurora griff nach ihrem Handy, um ihren Bruder anzurufen. Vielleicht fiel ihm etwas dazu ein. Als sie sah, dass es schon ein Uhr morgens war, legte sie das Gerät zurück auf den Nachttisch. Falls er schlief, weil er sehr früh eine Vorlesung hatte, würde er sie für ihren Anruf killen. Das wollte sie unter keinen Umständen riskieren.

Lieber kuschelte sie sich in ihr Bett und griff nach einem der Tagebücher ihrer Großmutter. Eigentlich sollte sie schlafen, morgen musste sie wieder früh zur Arbeit. Doch sie war zu aufgeregt. Also vertiefte sie sich in die Lektüre.

Schwarz wie deine Liebe

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