Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 8

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Ihre Holzschwerter krachten aufeinander, bevor sie auseinandersprangen. Schwer atmend fixierte Aurora den großen Mann vor sich und suchte nach einer Schwachstelle. Gregor verlagerte sein Gewicht. Dabei schwenkte die Klinge zur Seite und ließ ihn ungedeckt. Das war ihre Chance. Sie eilte mit ein paar Schritten auf ihn zu und zielte auf seine rechte Seite.

Gregor konnte gerade noch so ausweichen. Im letzten Moment fing er ihren Angriff mit seiner Waffe ab.

Kurz standen sie sich gegenüber. Jeder überlegte, wie er die Oberhand in diesem Kampf gewinnen konnte.

„Hast du endlich mit Markus geredet?“, fragte Aurora, um ihn abzulenken. „Ewig werde ich das nicht vor ihm geheim halten können.“

Leicht neigte Gregor den Kopf, sodass die braunen Locken über seine Augen fielen. „Noch nicht.“ Er ließ sein Schwert sinken und wich einige Schritte zurück.

„Gregor, ich habe nicht vor, meinen Bruder weiter zu belügen.“ Seufzend wischte sie sich mit dem Unterarm über die Stirn. „Das hat beim letzten Mal nicht gut funktioniert und ich will nicht wieder damit anfangen.“

„Ich weiß, aber ...“ Als er durch die Haare hindurchspäte, traf sie ein verlorener Blick.

Wovor hatte er solche Angst? „Markus wird dir nicht gleich die Freundschaft kündigen. Sieh dir nur an, wie gut er mit Eric klarkommt. Und mit dem braucht er nicht einmal befreundet sein.“ Aurora hob ihr Übungsschwert wieder an. Ein weiteres Mal trafen ihre stumpfen Klingen aufeinander.

„Natürlich muss dein Bruder mit deinem Freund befreundet sein“, konterte Gregor und schob sie mit dem Druck seiner Waffe von sich. Mit einem Schnitt von der Seite setzte er nach, doch Aurora konnte ausweichen.

„Eric ist mein Nachbar, nicht mein Freund“, korrigierte sie ihn. Sie holte zu einem weiteren Hieb aus, während Gregor sie irritiert anblinzelte.

„Wie meinst du das? Ich dachte ...“

Weiter kam er nicht, weil sie ihm mit mehr Krafteinsatz als sonst das Schwert aus der Hand fegte. Warnend starrte sie ihn an. Bruder Michael sollte nichts über ihre ehemalige Beziehung zu dem Vampir erfahren.

„Nun, ich denke, das hat gezeigt, dass ihr während des Trainings nicht reden solltet. Es stört die Konzentration“, meldete sich der Mönch in seiner schwarzen Kutte vom Rand der Matte. „Ich hab mir das jetzt lange genug angesehen. Wenn ihr streiten wollt, klärt das bitte außerhalb der Halle.“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung Decke. Durch ein großes Glaskreuz drang ein wenig Licht zu ihnen. Die Trainingshalle befand sich im Keller des Klosters der Franziskanermönche. Der Glasweg des Innenhofes war so angelegt, dass er am Tag einen großen Teil des unterirdischen Übungsortes beleuchtete. Als Aurora das erste Mal diesen Bau gesehen hatte, der extra zum Kampftraining angelegt worden war, war sie mehr als überrascht gewesen. Sie hätte nie damit gerechnet, im Keller eines Mönchsordens eine so gut gefüllte Waffenkammer vorzufinden. Dekorativ hingen diverse Hieb-, Stich- und Schusswaffen an einer Wand der großen Halle, in der sie auch trainierten.

Eine Entschuldigung murmelnd beugte sich Gregor zu dem Holzschwert vor seinen Füßen, um es aufzuheben. Aurora sah zu ihrem Lehrer, der die Arme vor dem rundlichen Bauch verschränkt hatte, und nickte ihm leicht zu.

„Eure Aufwärmübungen sahen ganz gut aus. Wie wäre es, wenn wir den Schwierigkeitsgrad etwas erhöhen?“ Bruder Michael griff neben sich auf den Boden und hob zwei Holzdolche auf. „Bei der Energie, die ihr anscheinend habt, werdet ihr sicher keine Schwierigkeiten haben, mit zwei Waffen gleichzeitig zu kämpfen.“

Kurz ging er mit ihnen einige Abwehr- und Angriffsübungen durch, bevor es ernst wurde.

Nach ein paar Runden hatte Aurora Mühe, das schwere Holzschwert einhändig zum Schnitt zu heben und gleichzeitig mit dem Dolch vorzustoßen. Schwitzend stolperte sie vor Gregors nächstem Vorstoß rückwärts. Sein Schwert sauste von oben auf sie herab. Im letzten Moment riss sie ihren Kopf zurück. Sie spürte den Windzug in ihrem Gesicht, als die Spitze unsanft ihr Brustbein traf. Sie sog die Luft ein, während Gregor mit erschrockenem Blick seine Waffe von ihrem Körper zog. Das würde bestimmt einen blauen Fleck geben.

„Stopp.“ Laut ausatmend ließ sie die Arme sinken. Ihr rechter Oberarm brannte vor Anstrengung wie Feuer. „Ich denke, das reicht für heute. Ich muss morgen wieder früh raus zur Arbeit.“ Fragend drehte sie sich zu Bruder Michael um, der ernst nickte.

„Ja, ihr habt euch für heute genug verausgabt.“ Er nahm ihnen die Übungswaffen ab. „Ihr habt euch gut aufeinander eingestellt. Ich denke, ihr werdet ein erstklassiges Jägerteam abgeben. Bald seid ihr bereit für Außeneinsätze. Ich werde mit dem Hexenrat und der Inquisition über eure Fortschritte reden.“

Es gefiel ihr nicht, dass diese Leute, die sie nie gesehen hatte, darüber entschieden, ob sie auf Vampirjagd gehen durfte. Immerhin wäre sie nicht das erste Mal im Einsatz. Mit ihrem Exfreund Eric war sie ein paarmal unterwegs gewesen und sie hatten einige Vampire davon abhalten können, Menschen zu töten. Als sie einen Blick auf Gregor warf, schien sein Gesicht ihre Ungeduld zu spiegeln. Vielleicht konnte sie den besten Kumpel ihres Bruders überreden, ohne die Erlaubnis ihres Lehrers auf die Jagd zu gehen. Doch nicht mehr heute. Der Tag war lang genug gewesen. Nach ihrer Acht-Stunden-Schicht in der Apotheke war sie direkt zum Training gefahren.

Sie zog sich in dem kleinen Nebenraum der Trainingshalle um, ihre Sachen bewahrte sie in einem der Spinde dort auf. Nachdem sie sich auf einem der vier Holzstühle ihre Schuhe angezogen hatte, trat sie vor die Schwarz-Weiß-Fotografien, die eine Wand des Umkleidezimmers zierten. Unter anderem das Bild ihrer Großmutter am Tag ihrer Hochzeit. Sie hatte die Mutter ihres Vaters nie kennengelernt und fühlte sich ihr dennoch nah. Seitdem Aurora vor ein paar Wochen ihr Tagebuch gelesen hatte und wusste, dass ihre Familie väterlicherseits aus Vampirjägern bestand, wollte sie mehr über diesen unbekannten Zweig erfahren.

Ob die Frau auf dem Bild, die Aurora so ähnlich sah, wohl jeden Befehle befolgt hatte, den die Kirche ihr aufgetragen hatte? Oder hatte sie ihren eigenen Kopf durchgesetzt? Seufzend starrte Aurora in das bekannte und doch fremde Gesicht. Gerne hätte sie diese Frau einmal kennengelernt, hätte mit ihr geredet und sie um Rat gefragt.

Ein kurzes Klopfen löste sie aus ihren Grübeleien. „Aurora? Bist du fertig? Ich würde mich auch gern umziehen.“

Sie griff nach ihrem Mantel und ihrer Tasche und öffnete Gregor die Tür. Seine braunen Haare lockten sich feucht um sein Gesicht und er lächelte vorsichtig. „Ich möchte nicht drängeln, aber ich will aus den durchgeschwitzten Sachen raus.“

Nickend ließ sie ihn in den Raum. „Dann sehen wir uns zum nächsten Training. Passt dir morgen? Oder lieber übermorgen?“

„Morgen ist okay. Ab sieben Uhr abends könnte ich hier sein.“

Sie nickte ihm zu und zog eine Fahrkarte aus ihrer Tasche.

Gregor schaute auf ihre Hand. „Bist du nicht mit dem Auto unterwegs?“

Aurora schüttelte den Kopf. Da sie direkt von der Arbeit gekommen war, war sie heute mit der S-Bahn gefahren. „Nein, deswegen will ich schnell los. Sonst muss ich wieder ewig am Bahnhof stehen.“

„Warte einfach auf mich, ich fahr dich nach Hause.“ Grinsend strich er sich durch die etwas zu langen Haare, die ihm ständig vor die Augen fielen.

„Gregor, das musst du nicht.“

„Dein Bruder würde mir was erzählen.“ Er holte einen Bügel mit einem Anzug aus dem kleinen Spind, den er seit ihren regelmäßigen Trainingsrunden besetzte. „Keine Widerrede, ich werde dich nach Hause bringen.“

Schmunzelnd verließ sie das Zimmer. Sollte Gregor sich in sein Banker-Outfit zwängen, das seine wahre Natur als Hexer verborgen hielt. Erst nachdem ihr Mentor, Bruder Michael, beim Hexenrat nach einem Trainingspartner für Aurora gesucht hatte, hatte Gregor ihr die Wahrheit offenbart.

Vor Jahren hatte ihr Vater den Hexenrat um den Schutz seiner Familie gebeten. Zuerst hatten sich Gregors Eltern darum gekümmert, dabei waren Gregor, Markus und sie Freunde geworden. Kaum war er alt genug, hatte Gregor das Beschützen übernommen. Als er gehört hatte, dass die Kirche einen Übungspartner für die neue Jägerin suchte, hatte Gregor die Chance ergriffen und sich freiwillig gemeldet. Dadurch kannte Aurora nun die Zusammenhänge. Seitdem versuchte sie, Gregor dazu zu bewegen, ihrem Bruder die Wahrheit über sich zu sagen.

Die wenigen angeschalteten Lampen hinterließen ein dämmriges Licht in der Halle. Aurora spürte dieses drückende Gewicht, das sich um ihren Brustkorb legte und ihr das Atmen erschwerte. Oft passierte es, wenn sie nach dem Training zur Ruhe kam, dass die Bilder ihrer Gefangenschaft wieder auf sie einprasselten. Die dunklen Klinkersteine der Wände, die im Schatten fast an Felssteine erinnerten, und dieser modrige Geruch des Kellers, den selbst die Lüftung der Trainingshalle nicht neutralisieren konnte.

Vor ein paar Wochen war sie von Vampiren in einem unterirdischen Verlies gefangen gehalten worden. Ihr damaliger Freund Eric hatte sie gerettet. Als einer der Kommandanten der Armee des Vampirkönigs hatte er Wege gefunden, sie zu retten. Doch es gab Momente, da holten die Erinnerungen sie ein und versuchten, ihr die Luft aus den Lungen zu pressen. Ein kleiner Auslöser reichte aus.

„Aurora, ist alles in Ordnung? War das Training zu hart?“ Bruder Michael hatte sich von der Wand abgewandt, wo er die Übungswaffen an ihre vorgesehenen Plätze steckte. Er ging auf sie zu und hatte eine Hand ausgestreckt, als wolle er sie stützen.

„Ich brauche nur frische Luft“, presste sie hervor und eilte zum Ausgang der Halle. „Ich warte im Hof auf Gregor.“

Fetzen von brennenden Fackeln, messerscharfen Krallen und spitzen Zähnen in ihrer Haut folgten ihr bis in den kleinen Garten, der in der Mitte des Klosters angelegt war. Tief atmete sie die kalte Abendluft ein und versuchte, die Bilder ihrer Folterung von sich zu schütteln. Erschöpft vom Tag und ihren mentalen Kämpfen setzte sie sich auf eine der glatten Steinbänke und starrte auf eins der Beete. Sie konzentrierte sich darauf, in den vertrockneten Resten Pflanzen zu erkennen, doch bis auf den Lavendel mit seinen vertrockneten Blüten, die sich im Winterwind wiegten, war nicht viel auszumachen. Von dem kreuzförmigen Glasweg waberte ihr warmes Licht entgegen, genauso vom überdachten Außenweg des Klosters, der um den Garten führte und die quadratisch angelegte Klosteranlage miteinander verband. In der Kälte und der Dunkelheit der Nacht fühlte sich Aurora sicherer als in der warmen, hell beleuchteten Trainingshalle im Keller.

Seufzend zog sie ihre Mütze auf ihre kurzen blonden Haare und schüttelte den Kopf. Die Entführung hatte einiges verändert.

„Aurora, geht es dir gut? War meine Rüge zu harsch?“ Leise war Bruder Michael an sie herangetreten. Ihr Zusammenzucken ignorierte er und setzte sich neben sie. Sein Gesicht war halb von der schwarzen Kapuze der Kutte versteckt, doch seine Augen funkelten sie neugierig an.

„Nein, Sie haben völlig recht. Wir sollten uns auf das Training konzentrieren. Schließlich müssen wir so schnell wie möglich diesen abtrünnigen Vampiren Einhalt gebieten.“ Sie zog sich ihre schwarze Wollmütze tiefer in den Nacken. „Es ist nur dieser Kellergeruch, der mich manchmal an meine Gefangenschaft erinnert. Dann muss ich einfach raus.“

Mit einem verstehenden Brummen verschränkte der Mönch seine Hände in den Ärmeln der Kutte. „Du kannst gerne mit mir über die Erlebnisse sprechen. Und auch mit jedem anderen meiner Brüder, wenn dir das hilft, die Sache besser zu verarbeiten.“ Er drehte sich leicht zu ihr. „Ich möchte nicht noch einen Jäger auf die gleiche Art verlieren wie deinen Vater. Er hat immer alles für sich behalten, mit niemandem geredet und kaum mit jemandem zusammengearbeitet. Ich hoffe, du wirst nicht denselben Fehler machen.“

Seine Worte schnitten in ihr Herz, sie wollte nicht mit ihrem Vater verglichen werden. „Es geht mir gut.“ Schwungvoll erhob sie sich und sah in diesem Moment Gregor in den Hof treten. „Können wir?“

Irritiert blinzelte dieser. „Natürlich.“

Als sich nach einer kurzen Verabschiedung das Tor des Klosters hinter ihnen schloss, atmete Aurora tief durch.

„Habt ihr euch gestritten?“ Gregor wühlte in seiner Jackentasche, während er den Blick bewusst auf sein Auto gerichtet hatte.

Aurora schüttelte den Kopf und lief zur Beifahrerseite. Langsam griff sie an ihren Hals. Dort hing die Kette ihrer Großmutter. Der rote Anhänger fühlte sich plötzlich ungewöhnlich warm an. Vorsichtig zog sie ihn unter ihrem Pullover hervor und zeigte ihn dem Hexer. „Gregor.“

Er schaute von dem Schloss der Fahrertür auf und entriegelte das Auto. „Ich weiß. Ich spüre es, die dunkle Aura ist sehr stark. Steig sofort ein.“

Aurora schüttelte den Kopf und zog ihren schwarzen Dolch aus der Jackentasche. „Was ist, wenn sie das Kloster angreifen wollen? Ich bin mir nicht sicher, ob außer Bruder Michael noch einer der Mönche in der Lage ist, sich zu verteidigen.“ Leicht drehte sie ihren Körper, um mit dem warmen Stein an ihrem Hals die genaue Position ihrer Feinde zu ergründen. Inzwischen konnte sie anhand der Wärmebildung des roten Anhängers eine ungefähre Richtung ihrer Gegner ausmachen.

Sie blickte Gregor bedeutend an und deutete mit einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung auf einen Punkt schräg hinter sich.

Langsam nickte er ihr zu und öffnete die Tür. Aurora wusste inzwischen, dass Gregor in allen möglichen Ablageflächen seines Autos Waffen versteckt hatte.

Er beugte sich leicht herab, ohne die Umgebung hinter ihr aus den Augen zu lassen. Als er sich wieder aufrichtete, sah sie es in seiner Hand silbern glitzern. Der Kontakt mit diesem Metall konnte einen Vampir lähmen.

„Da fällt mir ein, dass du mir immer noch nicht erzählt hast, was nun mit deinem Nachbarn ist.“ Fast beiläufig schlenderte er um das Auto herum zu ihrer Seite. Seine Hand war beinahe vollständig von seinem Jackenärmel verborgen.

„Ich sehe seiner Ex-Frau ähnlich, das ist passiert“, antwortete Aurora kurz angebunden. Sie drehte sich zur Seite. Tat so, als würde sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen, und versuchte, hinter sich etwas zu erkennen.

„Oh, das tut mir leid.“ Gregors gespielte Betroffenheit war nicht zu überhören. Leicht nahm er sie in den Arm. „Und was machst du jetzt?“

Es raschelte im Dickicht hinter ihnen. Aurora sah einen Schatten im Augenwinkel.

Sie griff nach Gregors Hand und nahm einen der Wurfsterne an sich. Sie drehte sich um und schleuderte ihn.

Ein unterdrückter Schrei ertönte.

Aurora griff in ihre Tasche und zog ihren schwarzen Dolch. Gregor trat neben sie, die silbernen Wurfsterne gut sichtbar präsentiert.

„Wartet, wir wollen euch nicht angreifen.“ Ein Mann mit wilden blonden Locken kam mit erhobenen Händen aus dem Gebüsch. Die weiße Haut und die schwarzen Augen verrieten seine vampirische Natur. Aurora kniff kurz die Lider zusammen. Er kam ihr bekannt vor.

„Ich gehöre zur Leibgarde des Königs. Mir wurde befohlen, die Jägerin zu beschützen.“

Natürlich, sie hatte ihn schon einmal gesehen. Das letzte Mal, als sie mit Eric auf dem Ball des Königs der Vampire gewesen war und er die magische Kette gestohlen hatte. Dabei hatte er sie als Ablenkung benutzt, um unauffällig in Vlad Tepes’ privaten Bereich zu gelangen. Damals hatte der Vampir sie frech angegrinst, weil er vermutlich dachte, Eric beim Rummachen mit der Jägerin erwischt zu haben, heute sah er besorgt aus.

„Ich brauche euren Schutz nicht.“ Aurora nickte in die Dunkelheit. „Braucht euer Begleiter Hilfe?“

Der schwarzgekleidete Vampir vor ihr ließ die Hände sinken. „Das wäre sehr freundlich.“

„Aurora, denkst du, das ist eine gute Idee?“

Sie lächelte Gregor an, als er sie aufhalten wollte. „Halt mir den Rücken frei. Ich glaub zwar nicht, dass diese Vampire mir etwas tun, aber man kann nie wissen.“

Sie folgte dem Leibwächter in das Gebüsch vor dem Kloster. An einen Baum gelehnt saß ein Mann. Der silberne Wurfstern ragte aus seiner Schulter und machte ihn bewegungsunfähig. Mehr als einmal hatte sie die Wirkung von Silber auf Vampire gesehen und war jedes Mal froh darüber gewesen.

Aurora behielt den bewegungslosen Vampir im Blick, als sie sich nach unten beugte und nach dem Wurfstern griff. Ruckartig zog sie ihn aus der Schulter. Sie war froh, dass es dunkel genug war, um nichts Genaueres von der Verletzung zu sehen. Blutige Fleischwunden waren nicht so ihr Metier. Immerhin war sie Apothekerin, keine Ärztin.

Ein leises Stöhnen und ein langsames Heben des Armes zeigten ihr, dass die Verletzung bald verheilt sein sollte.

„Sag dem König, dass ich keinen Schutz brauche.“ Sie drehte sich zu dem bekannten Gesicht des Blonden.

Doch dieser schüttelte den Kopf. „Sie stehen unter dem Schutz von Prinz von Ragenow. Solange er sich nicht selbst darum kümmern kann, wird der König dafür sorgen, dass seine Leibgarde diese Aufgabe übernimmt.“

Schnaubend erhob sie sich aus ihrer kauernden Haltung. „Das ist doch lächerlich. Immerhin hatte ich kein Problem, euch zu stoppen.“

Der Vampir zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns auch nicht besonders viel Mühe gegeben, uns zu verstecken, Prinzessin.“

Als sie ihm einen strengen Blick zuwarf, grinste er nur.

„Nichts für ungut, aber wenn wir es drauf angelegt hätten, hättet ihr nicht so gute Chancen gehabt.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Mein Name ist übrigens Baldur Odinsson. Da wir uns in Zukunft sicher öfter begegnen, ist es vielleicht angebracht, dass ihr wisst, mit wem ihr es zu tun habt.“

„Wir werden sehen.“ Sie ignorierte seine Hand und verschränkte die Arme vor der Brust. Es wurde Zeit, dass sie sich um eine Audienz beim König kümmerte. Mit diesem hatte sie sowieso noch etwas zu klären. Dabei hätte sie nicht gedacht, dass sie Vlads Telefonnummer je brauchen würde. Kurz nickte sie den beiden Vampiren zu.

Baldur half seinem Begleiter auf die Füße, nachdem dieser sich langsam zu bewegen begann.

Aurora ging zurück zu Gregor, der am Rand der Büsche stand und sie scheinbar die ganze Zeit im Auge behalten hatte. Als sie in den Berliner Abendverkehr eingetaucht waren, ließ Aurora sich entspannt in den Sitz fallen.

„Dein Nachbar hat also eine Ex, die aussieht wie du?“

Seufzend schaute sie aus dem Fenster. Warum konnte sie nicht einen kurzen Moment Ruhe haben?

„Mhm“ Sie wusste, dass Gregor sich wünschte, sie wäre mehr als eine Kampfpartnerin und Freundin. Doch er war der beste Freund ihres Bruders und Aurora hing an Eric, selbst nach ihrer Trennung.

Nachdem sich ihr Fahrer mehrmals lautstark geräuspert und ihr immer wieder Seitenblicke zugeworfen hatte, löste sie sich vom Bild der angestrahlten Kugel des Fernsehturms.

„Seine Tochter und seine Frau wurden von Jägern getötet. Als er halluziniert hat, hat er mich für sie gehalten.“

„Wow, das war bestimmt schlimm für ihn. Deswegen muss er sich aber nicht an dich heranmachen.“ An der nächsten roten Ampel drehte sich Gregor zu ihr. „Aurora, ich hab dich gewarnt. Man kann Vampiren nicht trauen. Du hast was Besseres verdient.“

„Danke.“ Sie wandte sich von ihm ab, damit er nicht sah, wie nahe sie den Tränen war. Sie hasste es, wenn Gregor so über Vampire redete. Immerhin hatte sie ein paar Exemplare kennengelernt, die ganz vertrauenswürdig waren. Und selbst wenn sie das Gefühl hatte, von Eric benutzt worden zu sein, hatte er ihr zu helfen versucht und sie in gewissen Angelegenheiten unterstützt.

Als das Auto vor ihrem Hauseingang hielt, schaltete Gregor das Licht im Innenraum an.

„Was willst du wegen deiner Vampirbegleitung tun?“ Gregor strich mit seinen Händen über das Lenkrad und mied ihren Blick.

Seufzend fuhr sich Aurora durch ihre kurzen Haare. „Ich muss mit dem König reden.“

„Du kannst nicht allein mit ihm sprechen. Das ist zu gefährlich. Ich werde dich begleiten.“

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Er hat mir seine Leibgarde zum Schutz auf den Hals gehetzt. Mir passiert nichts.“ Sie grinste. „Ich weiß nicht, wie die Vampire zu Hexen stehen. Ihr scheint ein gespanntes Verhältnis zu haben.“

Gregor schnaubte. „Das ist eine Untertreibung.“

„Na also, ich mach das allein.“ Bevor er protestieren konnte, schlüpfte sie aus dem Auto. „Wir sehen uns und vergiss nicht, mit meinem Bruder zu sprechen.“ Schwungvoll warf sie die Tür ins Schloss und lief zu ihrem Hausaufgang. Als sie die Treppe hinaufstieg, hörte sie, wie eine Tür geöffnet wurde. Als sie die letzten Stufen zu ihrer Wohnung erreichte, sah sie, dass Eric im Eingang zu seinem Appartement stand. Mit fast schwarzen Augen starrte er sie an.

Aurora blieb stehen. Eric nickte ihr zu und automatisch erwiderte sie seine Geste. Im Grunde wollte sich nichts mehr, als sich in seine Arme zu werfen und alle Informationen über seine ehemalige Familie zu vergessen. Doch das Gefühl des Verrats saß tief. Blinzelnd wandte sie den Kopf zur Seite und eilte an ihre eigene Wohnungstür. Es fühlte sich so an, als würde er direkt hinter ihr stehen, kurz davor, sie in den Arm zu nehmen.

Hektisch drehte sie den Schlüssel und stürzte in ihren Flur. Die Tür ließ sie schwungvoll zufallen, ohne sich noch einmal zu ihrem Ex-Freund umzudrehen.

Schwarz wie deine Liebe

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