Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 16

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Im Vorraum lehnten zwei Männer lässig an der Wand und unterhielten sich.

„Hallo Kommandant! Wen haben Sie denn da mitgebracht?“ Neugierig sahen die beiden kräftigen Wachen auf Aurora herab.

Lorenzo legte die Hand an ihren Rücken. „Das ist Markus’ Schwester, Aurora Zantoni.“

Einer der beiden pfiff leise. „Die Jägerin persönlich. Dann passen Sie mal auf, dass Sie sich nicht zu sehr in die Belange des Prinzen einmischen.“

Zweifelnd sah sie zu Lorenzo. War es wirklich in Ordnung, wenn sie mit ihm trainierte? Würde Eric ihm deswegen Ärger machen? Obwohl ihn das gar nichts mehr anging?

Unbeeindruckt zog Lorenzo eine Augenbraue nach oben. „Lasst das mal meine Sorge sein.“ Ohne die beiden Soldaten in ihren Trainingssachen weiter zu beachten, schob er sie in den nächsten Raum. Dieser erinnerte sie von den Maßen an eine Bowlingbahn. Nur, dass die Bahnen durch einen langen Tresen getrennt waren, wo man seine Waffe ablegen konnte, und statt der Kegel gab es eine Zielscheibe zu sehen. Auf den ersten Blick lagen mindestens zwanzig Schießstände nebeneinander, doch alle waren leer. Das hatte wirklich die Dimension einer kleinen Kaserne.

Lorenzo war zu einem der vielen Metallschränke neben der Tür gegangen und holte eine Waffe und Kopfhörer hervor.

„Wir haben auch Handschuhe, du musst mir nur sagen, welche Größe du hast.“

„Ach, das geht schon so.“ Sie nahm ihm die Ohrschützer ab und schulterte das Band ihrer Tasche.

„Wir werden die vorletzte Box am anderen Ende benutzen, du kannst deine Sachen auf dem Stuhl dahinter abstellen.“ Er neigte den Kopf. „Und du wirst Handschuhe brauchen.“

„Wozu? So kalt ist es hier drin doch gar nicht.“ Prüfend wackelte sie mit den Fingern.

„Schmauchspuren! Nach dem zehnten Schuss werden deine Hände sonst völlig grau sein.“ Leise lachte er in sich hinein, während Aurora spürte, wie ihre Wangen warm wurden.

„Ach so, verstehe. Größe sieben.“ Wieso musste sie schon vor dem Schießen mit Lorenzo diskutieren? Entschuldigend lächelte sie ihn an und ging zu dem Schießstand, den er ihr gezeigt hatte. Ihre Sachen legte sie auf dem Stuhl zwischen zwei Spinden ab und stellte sich dann mit den Ohrschützern an den Stand. Unauffällig blickte sie sich in dem Raum um. Außer ihnen beiden war tatsächlich niemand anderes hier. Wie gut, dann würde sie sich nicht ganz so unsicher fühlen.

Lächelnd hielt Lorenzo ihr die Handschuhe hin. Er betätigte eine Konsole und holte so die Zielscheibe näher heran. Währenddessen zog Aurora sich die dünnen Lederhandschuhe über.

„Fangen wir etwas leichter an. Ihr Menschen habt nicht so eine gute Sicht wie wir.“ Blinzelnd sah sie auf die Scheibe, die ihrer Meinung nach immer noch weit genug weghing. Aber wichtig war ja nur, dass sie das Schwarze traf, um im richtigen Moment einen Vampir mit Silbermunition lahmzulegen.

Lorenzo beobachtete, wie sie die Waffe hielt, und korrigierte sie etwas in ihrem Stand. Aurora war erleichtert, dass sie ohne Schwierigkeiten in den dunklen Menschenumriss traf. Nachdem sie ein paar Übungssalven beidhändig abgefeuert hatte, sollte sie nur mit ihrer rechten Hand schießen. Dabei ließ Lorenzo die Scheibe nach fünf Schüssen immer ein Stück weiter nach hinten fahren.

„Mit der rechten Hand bekommst du das ja ganz gut hin. Jetzt wollen wir doch einmal sehen, wie du dich mit der linken Hand anstellst.“

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie ihn an. „Mit der linken Hand?“ Für sie als Rechtshänder konnte das ganz schön peinlich werden.

Lächelnd nickte er ihr zu. „Genau. Damit du in der rechten schon deine andere Waffe halten kannst, um deinen Angreifer zu töten. Du kannst auch einfach mitten ins Herz treffen, das wäre natürlich perfekt. Aber so treffsicher bist du noch nicht.“

Sie rückte ihre Ohrschützer wieder zurecht und wartete darauf, dass Lorenzo die Zielscheibe näher fuhr. Als sie abdrücken wollte, drang bekanntes Männerlachen an ihr Ohr. Während sie feuerte, drehte sie irritiert ihren Kopf. Aus den Augenwinkeln sah sie Markus und Eric in den Raum kommen.

„Eigentlich solltest du unsere und nicht die Scheibe der Nachbarbahn treffen.“ Lorenzo sah aus, als würde er versuchen, ein Lachen zu unterdrücken. Seufzend blickte sie wieder zu den beiden Männern, die in den Raum getreten waren. Was machten sie hier?

„Hey, ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“ Lorenzos Gesicht drängte sich in ihr Sichtfeld. Besorgt schaute er sie an.

„Ja!“ Mit einem gepressten Lächeln nickte sie Lorenzo zu. „Ich wusste nur nicht, dass er auch hier sein würde.“

„Eric und Markus kommen öfter zum Üben hierher.“

Sie nickte. Natürlich war ihr das bewusst gewesen. Aber warum kamen sie gerade jetzt zum Schießtraining?

„Hallo, Schwesterherz! Wie läuft es denn bei dir? Muss ich mich für dich schämen?“ Grinsend kam ihr Bruder auf sie zugehumpelt und nahm sie in den Arm. Wie immer hatte er seine Krücken wohl zu Hause stehen lassen. Angeblich, weil er sie nach einer Stunde Benutzung nervig fand. Da seine Ärzte ihm nicht verboten hatten, kurze Strecken ohne Gehhilfen zurückzulegen, nahm er diese Steilvorlage gerne an, um ohne sie durch die Gegend zu stiefeln. Sein Gipsbein hielt ihn auch nicht von seinem Vorhaben ab, ihr schnellstmöglich bei der Vampirjagd zu helfen.

Bevor er überhaupt gewusst hatte, dass es diese Kreaturen gab, war er von einer Gruppe von ihnen überfallen und verletzt worden. Aurora wollte nicht darüber nachdenken, was Markus hätte passieren können, wäre sie nicht in der Nähe gewesen.

Hinter ihm stand Eric. Sein intensiver Blick traf sie, als sie über die Schulter ihres Bruders schaute. Kurz öffnete er den Mund, doch er schloss ihn wieder und nickte ihr nur zu.

Es war, als hätte ihr jemand einen Stich ins Herz versetzt. Warum verdammt noch mal sagte er nichts? Stattdessen drehte er sich zu dem Schießstand zwei Boxen von ihr entfernt und legte die Sachen darauf ab.

„Kannst du dich nicht mit ihm versöhnen?“, flüsterte Markus ihr zu. „Versuch nicht wieder, aus einer Beziehung zu fliehen, in der du glücklich werden könntest. Rede doch mal ganz in Ruhe mit ihm.“

Sie zuckte mit den Schultern. Wie sollte das funktionieren? Es war unmöglich für ihn, seine frühere Familie zu vergessen, und für sie, dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Sie wollte mehr sein als ein Ersatz. Leise seufzend wandte sie sich ihrem Schießstand zu und schaute auf die Waffe, die sie abgelegt hatte.

„Lorenzo, ich habe keine Handschuhe für Markus gefunden.“ Eric sah nicht auf, während er die zwei Waffen vor sich lud. „Könntest du mit ihm im Lager nachschauen? Wahrscheinlich haben die Jungs sie wieder in irgendeine Ecke geschmissen, statt sie ordentlich wegzuschließen.“

„Kein Problem.“ Lorenzo nickte ihm zu. „Aurora, mach kurz ohne mich weiter. Ich bin gleich wieder da.“ Aufmunternd drückte Lorenzo ihre Schulter, dann verließ er mit Markus den Raum. Kurz sah sie den beiden nach, dann richtete sie ihre Pistole auf die Zielscheibe. Doch Eric hatte sich nun direkt neben ihr aufgestellt und sie ließ seufzend die Waffe sinken.

„Du wirst mir wohl nicht einfach verzeihen?“, fragte sie der Mann, der ihr seit Tagen fehlte.

„Ich kann nicht“, flüsterte sie. Weiter starrte sie auf die Zielscheibe, um ihn nicht ansehen zu müssen. Sie verfluchte ihr verräterisches Herz, das bei seiner Gegenwart schneller schlug.

„Ich verstehe schon.“ Seine Stimme klang traurig, als hätte sie ihn mit ihren Worten verletzt. Kurz kniff sie die Augen zusammen. Es tat weh, ihn von sich fernzuhalten, aber es war besser so. Aurora musste ihr Herz schützen.

„Es war mein eigener Fehler. Ich kann das akzeptieren.“ Etwas wie ein Lächeln hatte sich in seinen Ton gemischt.

„Wirklich?“ Zweifelnd sah sie ihn an. Sein rechter Mundwinkel zuckte und er nickte ihr zu.

„Aurora, ich mag dich aufrichtig.“ Vorsichtig griff er nach ihrer Hand und sah in ihre Augen. „Können wir nicht einfach gute Freunde werden?“

Automatisch zog sie ihren Arm zurück. Es war eine schlechte Idee, die Distanz zwischen ihnen nicht aufrechtzuerhalten. Das Lächeln um Erics Mund verschwand.

„Bitte! Nur Freunde, gute Bekannte, die normal miteinander umgehen können.“ Sein Blick flehte sie an, ihn nicht gehen zu lassen.

Ihr Herz krampfte sich zusammen. Das war Wahnsinn. Es tat schon weh, ihn in der Wohnung neben sich zu wissen. Mit ihm befreundet zu sein, hieß, ihn weiter an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Er wäre viel zu nahe, um ihn vergessen zu können.

Die Worte ihres Bruders schossen Aurora durch den Kopf. Sabotierte sie sich diesmal wirklich selbst? Als Freunde wäre die Atmosphäre zwischen ihnen nicht mehr so aufgeladen. Außerdem würde sie es eher über sich bringen, ihn um Hilfe zu bitten. Und vielleicht konnte er Vlad überreden, endlich ihre nervigen Wachen abzuziehen.

Leicht senkte sie den Kopf und nickte, während sie auf seine Brust starrte. „Also gut, versuchen wir es.“

„Danke, das wirst du nicht bereuen.“

Kurz schaute sie in seine schwarzen Augen. Das würde sie früh genug erfahren.

„Du solltest jetzt weiterüben, bevor sich deine Trefferquote noch mehr verschlechtert.“ Sein Ton klang verspielt und er grinste sie offen an.

„Na hör mal, Lorenzo meinte, ich bin gar nicht schlecht.“ Empört stemmte sie die Hände in die Hüften. Kaum hatte er ihr ein Freundschaftsangebot gemacht, fing er an, mit ihr zu stänkern.

Leicht hob sich seine linke Augenbraue. „Lorenzo ist nur höflich. Denkst du, ich habe den Schuss nicht gesehen, als Markus und ich hereinkamen?“

Sie griff nach der Waffe. „Das war nur, weil euer lautes Lachen mich abgelenkt hat.“

„Denk daran. Das sind nur Bleikugeln. Mit dieser Ladung kannst du mich nicht töten.“ Grinsend hielt er die Hände in die Höhe und schaute auf die Waffe, die sie, ohne es zu merken, auf seine Brust gerichtet hatte.

„Oh, entschuldige!“ Sie nahm die Pistole in die rechte Hand und zielte auf die Scheibe. Kurz warf sie ihm einem herausfordernden Seitenblick zu, bevor sie sich nach vorne wandte. Dann drückte sie ab. Mit einem leichten Grinsen drehte sie sich wieder zu ihm. „Siehst du, ich kann treffen.“

Mit verschränkten Armen hatte er sich neben ihr aufgebaut und schaute auf das Ziel.

„Nicht übel! Und jetzt mit links.“

Aurora zögerte. Genau diese Seite hatte sie noch nicht an das Schießen gewöhnt. Aber Kneifen ging nicht. Um Konzentration zu sammeln, schloss sie kurz die Augen und atmete tief durch. Entschlossen schaute sie auf den schwarzen Umriss und hielt die Waffe mit der linken Hand in Augenhöhe. Der Schuss ließ sie leicht nach hinten taumeln.

Seufzend schüttelte Eric den Kopf. „Sag Lorenzo bloß nicht, dass ich dir das Schießen beigebracht habe.“

„Das war ja mehr eine Kurzanleitung, damit ich weiß, wie ich das Ding in der Hand halte.“ Sie funkelte ihn an. „Außerdem weiß ich gar nicht, was du hast, ich hab doch getroffen.“

„Ja, aber wie!“ Eric trat nah an sie heran. „Stell dich noch mal hin.“

Als sie den Arm ausgestreckt hatte, hörte sie ihn neben sich laut ausatmen.

„Siehst du, du bist viel zu steif. Kein Wunder, wenn du nach hinten geworfen wirst.“ Seine Finger strichen sanft über ihre Ellenbeuge. „Arm leicht durchdrücken und die Knie auch.“ Eines seiner eigenen stieß vorsichtig in ihre Kniekehle. Sie versuchte, den Anweisungen zu folgen, ohne sich zu sehr von seinen Berührungen ablenken zu lassen. Seine Finger fuhren an ihrem Ellenbogen entlang zu ihrem Handgelenk. Sie musste sich auf die Lippen beißen, um nicht zu scharf einzuatmen. „Vergiss nicht, den Unterarm leicht nach oben zu ziehen, wenn du abgedrückt hast, damit du vom Rückstoß nicht zu stark erfasst wirst.“ Aurora drückte ab. Dieses Mal traf sie in den schwarzen Körper, statt nur den Arm zu streifen.

„Siehst du, so wird das was.“ Mit einem selbstsicheren Lächeln stellte er sich vor sie.

Bevor sie etwas erwidern konnte, rief eine Stimme durch die Schießhalle: „Hey, wirst du wohl aufhören, meine Schülerin zu belästigen!“ Lorenzo kam mit Markus im Schlepptau auf sie zu.

„Was denkst du denn von mir? Ich habe Aurora nur geholfen.“ Grinsend wandte Eric sich zu seinem Freund um. Sie nickten sich kurz zu und grinsten breit. Aurora zog die Augenbrauen zusammen. Sie könnte schwören, dass sich die beiden Vampire gerade in Gedanken über sie unterhielten.

Markus stellte sich zu ihr und legte den Arm um ihre Schultern. Auch er musterte die beiden. „Und? Habt ihr euch wieder vertragen?“

„Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir Freunde sind“, erklärte sie.

„Freunde? Das soll funktionieren?“ Zweifelnd schaute er sie an. „Sobald ihr euch gemeinsam in einem Raum aufhaltet, knistert die Luft vor Spannung. Auf die ein oder andere Weise werdet ihr übereinander herfallen.“ Aurora fühlte, wie ihre Wangen rot anliefen. Mit Sicherheit hatten die beiden Vampire ihren Bruder deutlich verstanden, auch wenn er versuchte, leise zu reden.

„Markus, du solltest nicht zu viel quatschen. Zeig mir lieber, was du beim letzten Mal gelernt hast.“ Eric schaute ihren Bruder mahnend an.

Seufzend lehnte dieser sich zu Aurora. „Siehst du, er ist ein Sklaventreiber.“ Dann machte er sich von ihr los und humpelte grinsend zu seinem Schießstand.

Nachdenklich sah Aurora ihrem Bruder nach. Ganz unrecht hatte er nicht. Ihr Körper fing an zu kribbeln, sobald Eric in ihrer Nähe war. Als ob ihr Unterbewusstsein sie jedes Mal an seinen Vampirbiss erinnern wollte.

Sie sah, wie sich Erics Lippen zu einem Lächeln verzogen, als Markus mit ihm sprach. Mit zusammengebissenen Zähnen schüttelte sie den Kopf und wandte sich ihrer Waffe zu. Sie war nicht hier, um Eric zu beobachten, sondern um das Schießen zu lernen.

Schwarz wie deine Liebe

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