Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 9
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Eric spürte, wie Aurora den Hausflur betrat, und setzte sich zischend auf. Er konnte sich nicht erinnern, wann er je solche Schmerzen gehabt hatte. Das musste schon ein paar Jahrzehnte her sein. Nicht einmal in den zwei Weltkriegen war er so schwer verletzt gewesen.
Wenn er nicht über den Schreibtisch gesprungen wäre, nachdem er den Zünder entdeckt hatte, hätte er die Explosion wohl nicht überlebt.
Warum hatte er die Falle nicht bemerkt? Dann wäre er jetzt nicht in dieser Situation. Aurora hätte nicht von seiner verstorbenen Familie erfahren und alles wäre noch gut zwischen ihnen.
Mit zusammengepressten Lippen setzte er seine verheilenden Fußsohlen auf und erhob sich langsam. Er fühlte sich so eingerostet wie ein zweitausendjähriger Vampir, als er zu seiner Schlafzimmertür schlurfte.
„Warum bist du aufgestanden? Der Arzt hat doch gesagt, dass du wenigstens eine Woche liegen bleiben sollst, bis deine Haut sich wieder regeneriert hat.“
Erstaunt sah Eric von der Holzmaserung seines Bodens auf und schaute in das Gesicht seines ältesten Freundes. „Ich muss mit Aurora reden, bevor sie ihre Wohnung erreicht.“ Er wankte an Vlad vorbei. „Was macht der König der Vampire eigentlich hier in meinem bescheidenen Heim? Hast du nicht wichtigere Sachen zu tun, als meine Krankenschwester zu spielen? Wie die Abtrünnigen zu finden, die dich vom Thron stürzen wollen?“ Kurz blieb er neben Vlad stehen, der ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen anstarrte, dann ging er langsam weiter, während er sich mit einer Hand an der Wand abstützte.
„Vielleicht solltest du die Jägerin in Ruhe lassen. Ich bin mir sicher, dass sie nicht mit dir reden möchte.“
Kurz hielt Eric inne. Dessen war er sich bewusst, selbst wenn er ihre Gedanken wegen seiner Schwäche gerade nicht lesen konnte.
„Sie ist nicht Sarah“, setzte Vlad nach.
„Das weiß ich!“ Eric schnaubte und torkelte weiter in Richtung Wohnungstür. Auroras Schritte hallten die Treppe hinauf.
„Sicher?“ Der skeptische Unterton in Vlads Stimme ließ die dunklen Zweifel in ihm hochbrodeln, die er so erfolgreich unterdrückt hatte.
Eric drückte die Klinke nach unten und trat in den Türrahmen.
Aurora kam gerade die letzten Stufen hoch und blieb abrupt stehen. Ihr typischer Geruch nach Schokolade und Lavendel umhüllte ihn. Wie gerne würde er jetzt seine Nase an ihrem Hals vergraben und vielleicht sogar ein paar Tropfen ihres süßen Blutes kosten. Doch Auroras aufgerissene Augen sahen ihn flehend an. Wenn er doch nur wüsste, was in ihrem Kopf vorging ...
Vielleicht hatte Vlad recht. Sie brauchte Zeit, um zu verarbeiten, dass sie seiner verstorbenen Frau Sarah glich. Kurz nickte er ihr zu, sah, wie sie verwirrt seine Geste nachahmte und sich von ihm abwandte. Nachdem sie durch ihre Wohnungstür verschwunden war, schloss er seine eigene wieder.
Erschöpft lehnte er seine Stirn gegen das Holz. Fühlte er sich wirklich nur deshalb so sehr zu ihr hingezogen, weil sie seiner Frau ähnlich war? Und wenn er Aurora die ganze Wahrheit sagen würde, würde sie ihn noch mehr hassen? Denn bisher kannte seine Nachbarin nur die Spitze des Eisbergs. Sie wusste nicht wirklich, seit wann er ein Auge auf sie hatte.
„Vielleicht wird es Zeit, sie gehen zu lassen. Endlich neu anzufangen.“
Vlads Worte sollten wohl tröstend klingen, doch Eric fühlte nur ein großes schwarzes Loch in seiner Brust. Wenn es so einfach wäre! Aber er konnte Aurora nicht fernbleiben. Sie brauchte seinen Schutz, jetzt mehr denn je, auch wenn sie das nicht erfahren durfte. Die Vampire, die seinen König stürzen wollten, machten Jagd auf Vampirjäger, wollten die Ordnung durcheinanderbringen.
Er hob den Kopf und drehte sich langsam um. „Also, was machst du hier?“
Vlad lehnte immer noch mit verschränkten Armen am Türrahmen seines Schlafzimmers. „Ich wollte sehen, wie es dir geht.“ Eric hob fragend eine Augenbraue. „Und ich muss mit dir reden.“ Der König der Vampire stieß sich ab und deutete mit dem Kinn ins Schlafzimmer. „Vielleicht legst du dich wieder hin, dann muss ich mir keine Sorgen machen, dass du mir mittendrin zusammenbrichst.“
Kopfschüttelnd setzte sich Eric in Bewegung und steuerte das Wohnzimmer an. „Ich bin kein Invalide, also behandle mich nicht wie einen.“ Mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen ging er in normalem Lauftempo auf seinen schwarzen Ledersessel zu und ließ sich laut ausatmend hineinfallen. Er wusste, er hätte Vlads Rat befolgen sollen.
Das halb versteckte Grinsen auf dem Gesicht seines besten Freundes zeigte ihm, dass dieser es genauso sah, als Vlad sich ganz elegant ihm gegenübersetzte.
„Was ist los? Habt ihr etwas in den Ruinen gefunden?“ Es war gerade einmal fünf Tage her, dass sie ein Einsatzlager ihrer Feinde gestürmt hatten und Eric bei einer Explosion schwer verletzt worden war. Dank der guten Heilungsrate der Vampire konnte er sich schon wieder bewegen und lag nicht wie verbrannte Holzkohle in seinem Bett. Was danach aus der Mission geworden war, ob sie etwas über die Anführer herausgefunden oder wichtige Dokumente gesichert hatten, hatte ihm bisher keiner mitgeteilt.
„Wir haben nicht sehr viel sicherstellen können. Ein paar Rechnungen und Waffen. Lorenzo und Alexander versuchen, aus den Spuren im Bunker und mithilfe der Seriennummern der Waffen brauchbare Informationen herauszufiltern. Doch wer auch immer dahintersteckt, weiß genau, was er macht.“ Vlad lehnte sich auf dem Sitzpolster des Sofas nach vorne und sah Eric direkt an. „Es geht mehr um das, was danach geschah.“ Kurz sah er auf den Boden und legte seine Ellbogen auf seinen Oberschenkeln ab. „Fürst Viktor war hier, als du bewusstlos warst.“
„Mein Onkel? Was wollte er? Hat er Aurora auf die Spur von Sarah und Gwen gebracht?“ Warum musste er Vlad alles aus der Nase ziehen? Wieso konnte er die Gedanken seines Freundes nur nicht lesen? Sonst verbarg dieser auch nichts vor ihm.
„Nein, das hast du allein geschafft in deinen Fieberträumen.“ Vlad lachte bitter auf. „Es geht eher darum, dass er nicht ganz unschuldig ist, bei dem, was dir passiert ist.“
„Wie meinst du das?“ Eric konnte nicht übersehen, wie Vlad seinem Blick auswich und gezielt einen Staubfussel auf dem Fußboden anvisierte. Selten hatte er den König der Vampire so defensiv gesehen. „Vlad?“
„Er hat zugegeben, dass er an Auroras Entführung beteiligt war. Und er wusste von der Falle, die dir damit gestellt werden sollte.“
Eric starrte seinen Freund an. Hatte er das richtig verstanden? Sein eigener Onkel hatte ihn in eine Falle gelockt und hätte ihn sterben lassen? Sein einziger Verwandter war ein Verräter?
„Vor drei Tagen hat er es Aurora offen gebeichtet, als die zwei an deinem Krankenbett standen. Offenbar fühlte er sich schuldig und wollte nicht, dass du verletzt wirst.“
Eric schluckte trotz der Trockenheit in seinem Hals. Er wünschte sich Auroras Duft herbei, wollte sich vom Lavendelgeruch ihrer Haut beruhigen lassen.
Das hatte er nicht erwartet.
Sein Onkel, der sich so gut an die neuen Gesetze angepasst hatte ... Victor von Ardelean, der als einer der ersten all seine Blutfarmen aufgegeben hatte, um dem König ohne Widerspruch zu gehorchen ... Er sollte ein Verräter sein?
„Hat er gesagt, wer dich stürzen will?“ Durchdringend sah er Vlad an, der es wieder schaffte, ihm in die Augen zu schauen.
„Nein, wir haben nicht viel aus ihm herausholen können. Anscheinend hält ihn ein Blutschwur davon ab, uns alles zu verraten. Lorenzo und Alexander geben ihr Möglichstes, den Bann zu brechen. Aber er scheint von einem sehr mächtigen Vampir heraufbeschworen worden zu sein. Bisher haben wir keinen Weg gefunden, Victor zum Reden zu bringen.“
Eric presste die Kiefer aufeinander. Bei diesem Eid schwor man durch den Austausch von Blut seine Treue. Ein mächtiger Vampir konnte damit außerdem die Loyalität seiner Untergebenen erzwingen, konnte Informationen und Erinnerungen unterdrücken und bei besonders ausgeprägten Kraftunterschieden sogar seine Untergebenen wie Marionetten benutzen.
Viele der Könige vor Vlad hatten sich so die Loyalität ihrer Bediensteten gesichert. Doch sein Freund verzichtete auf diese alten Methoden.
„Und jetzt willst du, dass ich mit ihm rede“, stellte Eric fest. Es war einem engen, starken Verwandten möglich, diese Willenlosigkeit mithilfe des ähnlichen Blutes zu lösen.
Leicht hob der König der Vampire eine Augenbraue. „Vielleicht kannst du etwas aus Victor herausholen, das er uns nicht gesagt hat.“ Leise seufzend sah er Eric an. „Aber nur, wenn du dazu bereit bist. Immerhin ist er dein Onkel und wir wissen beide, wie intensiv Verhöre werden können.“
Überwältigt fuhr er sich durch die kurzen, angesengten Haare. Seine empfindliche Kopfhaut brannte unter der Berührung. Er war sich nicht sicher, ob er Victor von Ardelean nach alldem, was passiert war, gegenübertreten konnte. Eric war bewusst, dass sein Onkel kein Freund von Beziehungen zwischen Menschen und Vampiren war. Immerhin war er früher der Leiter einer der größten Blutfarmen Europas gewesen. Diese geheimen Bunker, in denen entführte Personen geradeso am Leben gehalten wurden, um ihnen regelmäßig Blut zu nehmen und damit die Vampire zu ernähren, hatte Vlad bei seinem Amtsantritt verbieten lassen. Es hatte große Empörung unter seinem Volk gegeben, doch niemand traute sich, dem König offen entgegenzutreten, nicht einmal der Vampirrat.
Er schüttelte den Kopf. Sein Onkel wollte also den Sturz des Königs. Doch was genau erhoffte er sich damit?
„Okay, ich rede mit ihm.“ Erschöpft sah er zu Vlad, der ihm zunickte.
„Danke, ich weiß, dass das nicht einfach für dich ist. Ich wünschte, ich müsste dich nicht darum bitten.“
Eric stützte sich langsam von seinem Sessel hoch. „Dann los, ich will es hinter mich bringen.“
Schnaubend stellte sich Vlad vor ihm auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Pointiert schaute er an ihm hoch und runter. „Du bist nicht in der Verfassung, um mit ihm zu reden. Warte noch ein paar Tage, bis du wieder ohne Probleme stehen kannst. Zurzeit bist du nicht mal in der Lage, die Gedanken der Jägerin zu lesen, oder?“
„Sie ist stärker geworden. Ich wette, der Hexer schirmt sie ab.“ Brummend sah er in Richtung Wohnungstür. „Außerdem ist ein Großteil ihres Blutes aus meinem Körper verschwunden, als ich verletzt wurde.“
„Eric, hör auf, Ausreden zu suchen. Du bist noch nicht stark genug. Du musst dich ausruhen.“ Vlads ernste Miene verschwand und ein Lachen löste sich aus seiner Kehle. „Außerdem solltest du froh sein, dass du ihre Gedanken gerade nicht lesen kannst. Die kleine Jägerin ist mächtig sauer auf dich. Sie wird mir immer sympathischer.“
„Machst du dich über mich lustig?“ Aufgebracht sah er den Vampirkönig an.
„Nein, aber du solltest ernsthaft darüber nachdenken, ob an ihren Vorwürfen etwas dran sein könnte.“ Vlad legte ihm kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Es wäre euch beiden gegenüber nicht fair, wenn du in ihr den Ersatz für deine verstorbene Frau siehst.“
Eric wollte widersprechen, doch Vlad zog ihn am Arm aus seinem Sessel. Er musste seine Zähne zusammenpressen, um nicht aus Versehen einen Schmerzenslaut von sich zu geben. Fast grob bugsierte ihn Vlad zu seinem Schlafzimmer. „Jetzt ruh dich endlich aus und sei nicht immer so stur. Denk einfach darüber nach.“