Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 12

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Eric erwachte nach einer weiteren Nacht, in der er wie ein Mensch geschlafen hatte. Vampire brauchten keinen Schlaf, aber in seinem langen Leben hatte er gelernt, dass er die Regeneration vorantrieb. Seine Verletzungen waren beinahe verheilt.

Gestern Nachmittag war ein Großteil seiner Fähigkeiten endlich zurückgekehrt. Er war wieder in der Lage, die Gedanken von Menschen in seiner Umgebung zu lesen. Einerseits ein gutes Mittel, um herauszufinden, ob diese vermuteten, dass etwas nicht in Ordnung war, andererseits um mögliche Fallen und Angriffe rechtzeitig aufhalten zu können.

Die Gedanken anderer Vampire zu lesen, war schwieriger und bei mächtigeren seiner Art manchmal unmöglich. Doch bei Menschen war es einfacher, besonders, wenn man einmal ihr Blut gekostet hatte.

Durch sein gutes Gehör war es ein Leichtes für ihn gewesen, das Telefonat von Aurora und ihrem Bruder zu belauschen. Es gefiel ihm nicht, dass sich die Jägerin mit Händen und Füßen gegen ihn wehrte, aber immerhin war Markus auf seiner Seite. Vielleicht konnte er das für sich nutzen.

Er stieg aus dem Bett und atmete auf. Endlich war seine Haut so weit abgeheilt, dass sie nicht mehr wehtat. Schnell zog er sich etwas an. In der Nachbarwohnung konnte er Bewegungen hören. Aurora wollte sich wohl auf den Weg zur Arbeit machen. Vielleicht würde er sie auf seinem eigenen Weg abfangen. Dieser führte ihn zu seinem Onkel, Eric wollte schnellstmöglich mit ihm reden. Womöglich konnte er noch etwas aus seinem Verwandten herausbekommen. Aurora vorher zu sehen, würde ihm Kraft geben, auch wenn sie nicht zu ahnen schien, wie viel sie ihm bedeutete.

Er passte den Moment ab, als sie ihre Tür öffnete, und trat schnell aus seiner eigenen Wohnung. Sie begrüßten sich – sehr kurz, sehr unbefriedigend.

„Geht es zur Arbeit?“, versuchte er, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Doch außer einem zustimmenden „Hmm“ bekam er nichts zurück. Also beeilte er sich, vor ihr auf die Treppen zu kommen. Er stieg extra langsam die Stufen hinab, um Aurora länger in seiner Nähe zu haben. Ihr sich beschleunigender Herzschlag hämmerte in seinen Ohren und ihr Geruch hüllte ihn ein. Genüsslich sog er den Duft ein und unterdrückte den Hunger nach ihrem Blut. Wie gern würde er sie in den Arm nehmen, berühren und die warmen Lippen küssen!

„Bitte pass auf dich auf und überanstreng dich nicht“, sagte er, um sich abzulenken. „Du musst auch ordentlich schlafen.“

„Bist du schon wieder in meinen Gedanken unterwegs?“, flüsterte Aurora anklagend zurück.

„Nein, ich versuche mich aus deinem Kopf herauszuhalten, so wie du es dir gewünscht hast.“ Erics Fangzähne kribbelten in seinem Kiefer, weil sie sich herausdrücken wollten. Doch gleichzeitig sorgte ihre Gegenwart dafür, dass er sich beruhigter fühlte, wenn er daran dachte, was ihm heute bevorstand. „Ich möchte nicht, dass du dich überanstrengst. Schließlich habe ich die letzten Tage mitbekommen, wie du früh aus dem Haus gehst und kurz vor Mitternacht erst wiederkommst. Das kann auf Dauer nicht gesund sein.“

Auroras Schritte wurden langsamer. Hatte er etwas Falsches gesagt? Verdammt, wie gern würde er jetzt ihre Gedanken lesen, einfach das Versprechen ignorieren. Abrupt hielt er auf der Treppe an. Er unterdrückte ein Lächeln, als sie direkt in seinen Rücken lief. Kurz konnte er das Gefühl ihrer warmen Berührung genießen.

Dann trat sie zurück und sog laut die Luft ein. Ihr Puls erhöhte sich weiter und ihr Geruch bekam eine süßere Note. Es ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er musste seinen Eckzähnen fast befehlen, sich nicht zu verlängern. Bei der Jägerin hatte er schon immer Probleme mit der Selbstkontrolle gehabt.

Sehnsüchtig drehte er sich zu ihr um.

Ihr erschrockener Blick streifte ihn, bevor sie die Augen nach unten richtete und sich eilig an ihm vorbeidrückte. Sie ging bereits die Treppe hinunter, als sie ihm ein „Entschuldigung“ zuflüsterte.

Bevor sein benebelter Verstand reagieren konnte, war sie schon aus der Haustür verschwunden. Es war keine Angst gewesen, die in ihrem Geruch mitschwang, als sie sich berührt hatten. Und es gab ihm Hoffnung darauf, dass er noch eine Chance bei ihr hatte.

Eric parkte den Mercedes mit den getönten Scheiben direkt vor dem niedrigen Betonbau, in dem sich die Trainingsräume und die Gefängniszellen befanden. Neben den beiden Wachen am Eingang des Gebäudes stand Vlad und unterhielt sich angeregt. Die Posten am Tor mussten seinem Freund Bescheid gegeben haben, bevor Eric auf das Gelände gefahren war.

„Mein König.“ Er deutete eine Verbeugung an, als er aus seinem Auto stieg. „Welch eine freudige Überraschung.“

Vlad rollte mit den Augen, während er auf ihn zuging. „Lass die Förmlichkeiten. Wir sind nicht auf einem Empfang. Ich wollte mich davon überzeugen, wie es dir geht.“

„Wie du siehst, ist alles wieder gut. Ich werde ab morgen mit den Trainingseinheiten beginnen.“

Vlad musterte ihn und nickte. „Übertreib es nicht, ansonsten werde ich dich von deiner Pflicht abziehen müssen.“ An den Wachleuten vorbei gingen sie die Treppe hinab und den langen, grauen Flur entlang. Am unterirdischen Flügel der Schlafräume und Krankenlager vorbei kamen sie zu einem doppelt gesicherten Bereich.

Eric legte seinen Finger auf den Scanner, bevor sich die gepanzerte Tür mit Silberkern mit einem Klicken öffnete. Nur einige wenige Vampire durften diesen Sicherheitsbereich betreten. In einem Vorraum saßen zwei weitere Wachleute und spielten an ihren Handys. Sie sprangen von ihren Stühlen auf und verbeugten sich leicht vor dem König.

„Kommandant, es geht Euch wieder gut.“

Eric nickte ihnen zu. „Wie geht es dem Gefangenen? Hat er etwas gesagt?“

Einer der beiden schüttelte den Kopf. „Seitdem er die gewünschten Bücher bekommen hat, ist es ruhig in seiner Zelle. Er sitzt in seinem Sessel und liest.“ Eric sah zu einer weiteren Metalltür. Dahinter befanden sich die Gefängniszellen. Alle waren leer, bis auf eine.

Warum musste es unbedingt sein Onkel sein? Der Mann, der in seiner Kindheit mit ihm Jagen gewesen war, wenn die Pflichten seines Vaters gemeinsame Ausflüge verhindert hatten.

„Soll ich mit reinkommen?“ Vlad sah ihn durchdringend an und Eric war nicht sicher, ob er es sagte, weil er sich um ihn sorgte, oder weil er hoffte, mehr aus Victor herauszubekommen.

„Nein, ich kümmere mich darum.“ Er nickte seinem Freund zu und aktivierte die zweite Sicherheitsschleuse. Hinter sich zog er die schwere Tür ins Schloss und drehte sich zu den Zellen um.

„Ich freue mich, dass du wohlauf bist. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, war dein Zustand recht bedenklich.“ Sein Onkel klappte das dicke Buch in seinen Händen zu, während Eric langsam näher an die Gitterstäbe trat. Eine Originalausgabe von Tolstois Krieg und Frieden. Immerhin schien sein Onkel sich die Zeit gut zu vertreiben.

„Dafür sieht es jetzt für dich nicht gut aus. Ich habe überlebt. Und wie ich erfahren habe, war das nicht dein Verdienst, Onkel.“ Er zog eine Augenbraue nach oben. „Warum hast du das getan?“ Seit Vlad ihm vom Verrat seines Onkels erzählt hatte, fragte er sich das ständig.

„Wieso? Weil die Menschen es nicht verdient haben, vor uns beschützt zu werden.“ Victor lächelte schwach. „Sie bringen sich wegen Kleinigkeiten gegenseitig um. Warum soll ich sie nicht als das betrachten, was sie sind? Nahrung!“

„Heißt das, du betrügst mich und den König, seit er das Gesetz erlassen hat?“

„Nein, das nicht. Auch wenn es anfangs schwer war. Immerhin hatten wir eine gut gehende Blutfarm. Es hat Jahre gedauert, das Weingut, welches eigentlich nur eine Tarnung gewesen war, so erfolgreich aufzubauen. Für dich und deine Tante Johanna wollte ich es versuchen. Doch dann haben sie ...“ Victor brach ab, runzelte die Stirn. „Ohne Johanna gab es für mich keinen Grund mehr, die Menschen zu beschützen. Eines Abends kam ...“ Der silberhaarige Mann schien um Worte zu kämpfen und keuchte schließlich auf. Der Blutschwur ließ ihm keine Wahl, als den Satz unvollendet zu lassen. Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn, während er um Worte rang. „... er und erzählte mir von seiner Vision. Die Vampire sollten endlich ihren rechtmäßigen Platz in der Nahrungskette einnehmen. Die Menschen sollten uns wieder fürchten.“

Eric dachte nach. Er hörte hinter dem Fanatismus dieser Worte den Schmerz über den Verlust seiner Tante. Er selbst war damals nicht in Rumänien gewesen, sondern hatte sich von seinen eigenen Wunden abgelenkt, indem er durch die Welt gereist war.

„Dein Verlust tut mir leid, Onkel. Doch das ist kein Grund, deinen König zu hintergehen.“

Victor schüttelte den Kopf und sah hinauf zu der Lampe, die seinen Sessel erhellte. „Ich verstehe nicht, wieso du die Menschen immer noch in Schutz nimmst. Immerhin ist deine Familie durch Jäger ...“ Er stutzte und sah nun direkt zu seinem Neffen. „Oder weißt du es?“

„Was weiß ich?“ Er spürte wieder diesen Stich im Herzen. Warum musste auf einmal jeder von seiner toten Familie reden? Das war Jahrhunderte her.

„Ich schwöre dir, ich wusste es nicht. Das musst du mir glauben.“ Victor erhob sich und stellte sich dicht an das Metallgitter heran. „Ich habe erst davon erfahren, als sie dich fast getötet hatten mit ihrer Bombe.“

„Was meinst du?“ Langsam schritt auch Eric näher an das Gitter. Warum benahm sich sein Onkel so komisch?

„Du bist mein Neffe. Glaube mir, ich wollte nie, dass dir oder deiner Familie etwas passiert. Es ging mir nur um Rache. Dabei konnte ich nicht ahnen, zu was sie fähig sind, sonst hätte ich nie diesen Schwur geleistet.“ Hastig entwichen ihm die Worte, während er Eric flehend ansah.

„Wovon redest du?“ Er hatte fast Angst, die Antwort zu hören.

„Er hat ... deine Tochter Gwen sollte an diesem Tag nicht da sein. Er hatte es schon immer auf Sarah abgesehen wegen ihrer Herkunft, aber ...“ Victor schluckte schwer. Eric konnte seine Augen nicht von seinem Onkel lösen. „Es war ihm egal, dass Gwen eine Reingeborene, das Kind zweier Vampire, war.“ Sein Onkel hob seine Hände auf Brusthöhe und schüttelte den Kopf „Er hat die Ermordung der beiden wie einen Überfall der Jäger aussehen lassen, damit du die Menschen genauso hasst wie er.“

Keuchend trat Eric einen Schritt zurück. „Du meinst, dein Blutmeister hat meine Familie auf dem Gewissen?“

„Es tut mir leid, ich wusste es nicht.“ Victor trat noch näher an das Gitter.

„Wer ist es?“ Fast grollend kam die Frage aus Eric herausgeschossen.

Victor schüttelte den Kopf. „Ich kann es dir nicht sagen, das weißt du.“

„Das ist mir egal. Wer ist es?“ Wut flammte in ihm auf. Dicht trat er vor seinen Onkel. „Wir sind verwandt. Unser Blut zählt mehr als das eines Fremden. Also, wer ist es?“

Der Silberhaarige schüttelte mit heruntergezogenen Mundwinkeln den Kopf. „Ich kann nicht. Er ist zu stark.“

„Verdammt, Victor, sag mir, wer es ist!“ Erics Finger klammerten sich wie von allein um das silbergetränkte Gitter. „Wer hat meine Familie getötet? Du musst es mir sagen. Wer war es? Du schuldest es mir. Wer war ihr Mörder? Du schuldest es ihnen.“ Er wurde immer lauter. Schrie seinen Onkel an und zerrte verzweifelt an dem Gitter.

Victor von Ardelean sah ihn mit geweiteten Augen an, während er zurücktaumelte, getroffen von jedem Wort, das Eric ihm entgegenschleuderte.

Er bemerkte kaum die Taubheit, die seinen Körper übernehmen wollte. Blinde Wut strömte durch seine Glieder.

Eric wehrte sich, als Vlad hereingeplatzt kam und ihn zusammen mit den Wachen gewaltsam von den Zellenstäben löste. Weiter schrie er seinen Onkel an, ihm den Namen des Mörders zu verraten.

Die massive Sicherheitstür schloss sich zwischen ihm und seinem Onkel. Eric versuchte, sich aus den Händen herauszudrehen, die ihn festhielten. Als diese endlich losließen, warf er sich mit seinem Gewicht gegen die Tür. Er trat ein paar Schritte zurück und lief mit der Schulter voran wieder dagegen.

Er musste zu seinem Onkel zurück.

Er musste herausfinden, wer seine Familie getötet hatte.

Wie oft er sich gegen die Tür fallen ließ, wusste er nicht. Doch irgendwann verrauchte seine Wut und er konnte wie durch Watte die Stimme seines besten Freundes hören.

„Eric, bitte, beruhige dich. Hör auf.“

Erschöpft ließ er sich an der harten Tür hinabgleiten. Erst jetzt drang der Schmerz zu ihm durch. Vermutlich hatte er sich bei der Wucht des Aufpralls die ein oder andere Rippe gebrochen. Das Silber der Gefängnisstäbe hatte sich außerdem durch die Haut seiner Hände gefressen. Dem Blutgeruch nach zu urteilen, hatte er mehrere offene Wunden. Das alles interessierte ihn nicht.

„Vlad, wir müssen ihn finden. Dieser Mistkerl hat meine Familie auf dem Gewissen.“

Mit ernstem Ausdruck trat sein Freund auf ihn zu. „Ich weiß, ich habe es gehört.“ Vorsichtig half Vlad ihm beim Aufstehen und stützte ihn auf dem Weg aus dem Gefangenentrakt. „Aber zuerst müssen wir dich im Krankenflügel zusammenflicken, danach schmieden wir Pläne.“ Vlad seufzte. „Es war gerade alles abgeheilt. Du kannst dir was von Dr. Carter anhören. Ich möchte nicht in deiner Haut stecken.“

Erschöpft sackte Eric in die stützenden Arme seines Freundes. Er konnte kaum aufrecht stehen, jetzt, wo seine Wut verblasst war. „Ich kann nicht glauben, dass er es mir nicht offenbart hat.“

„Der Blutmeister muss sehr mächtig sein, was die Liste der Verdächtigen einschränkt.“

In Gedanken begann Eric bereits mögliche Kandidaten in Betracht zu ziehen, während der König ihn langsam zum nächstgelegenen Krankenzimmer zerrte.

Schwarz wie deine Liebe

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