Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 11
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Die Breitseite des Bokkens traf sie ein weiteres Mal. Keuchend atmete sie aus. „Verdammt! Noch mal!“ Es war frustrierend. Sie musste doch endlich diese Abwehrkombination hinkriegen, die sie in der Nacht im Traum gesehen hatte. Es war das erste Mal, dass sie von einem Kampf ihrer Großmutter geträumt hatte. Beim Training konnte sie die Bewegungen schneller nachahmen, doch diese spezielle Kombination machte ihr zu schaffen.
Gregor trat zurück. „Nein, es reicht.“ Als sie ihm widersprechen wollte, schüttelte er den Kopf. „Aurora, ich habe dich jetzt zehnmal an der gleichen Stelle getroffen. Du bist unkonzentriert. Wenn wir weitermachen, tue ich dir vielleicht noch ernsthaft weh. Für heute ist Schluss.“ Er verbeugte sich vor ihr und Bruder Michael und verschwand im Umkleideraum.
Tief durchatmend ließ sie ihr Übungsschwert sinken.
„Er hat recht, Aurora. Du wirkst fahrig und müde. Vielleicht solltest du heute einfach früher schlafen gehen und morgen, wenn du ausgeruht bist, könnt ihr an der Kata weitertrainieren.“ Der Mönch stellte sich vor sie und legte eine Hand auf ihre Schulter.
Wahrscheinlich sollte die Geste beschwichtigend wirken, doch es frustrierte sie nur noch mehr.
Sie wich einen Schritt zur Seite, um die Berührung unauffällig abzustreifen, und verbeugte sich leicht. „Okay, dann machen wir morgen weiter. Gibt es schon Nachricht, wann Gregor und ich auf die Jagd gehen können?“
Bruder Michael schüttelte den Kopf. „Nein, der Hexenrat benötigt oft eine Woche, bis alle Ratsmitglieder abgestimmt haben, und das Tribunal der Inquisition ebenso. Zurzeit gibt es so viel zu tun, dass es auch noch etwas länger dauern könnte.“
Sie musste sich einen Kommentar verkneifen. Da draußen starben Menschen, weil es Vampire gab, die sich nicht mehr an die Regeln halten wollten, und irgendwelche Leute, die nicht mitten im Geschehen waren, brauchten ewig, um Entscheidungen zu treffen.
Anstatt ihren Unmut herauszuschreien, brachte sie ihre Übungswaffe an ihren Platz zurück und zog sich schnell um, nachdem Gregor den Umkleideraum verlassen hatte.
Unter dem Foto ihrer Großmutter ärgerte sie sich immer noch darüber, dass sie nicht weitergekommen war. Dabei hatte sie seit letzter Nacht eine noch festere Verbindung zu ihrer verstorbenen Verwandten gespürt.
Als sie in den Hof des Klosters trat, kühlte die Abendluft sie etwas ab. Gregor lächelte sie zögernd an.
„Ich fahre dich gern nach Hause.“
Bereitwillig nahm sie sein Angebot an und sie verabschiedeten sich von Bruder Michael und dem Torwächter des Klosters, der ihnen die Tür aufhielt.
Ohne Vorkommnisse fuhren sie durch die Stadt, die in der erstrahlenden Weihnachtsdekoration unschuldig wirkte. Eine ganze Weile war es still. Aurora war sauer auf Gregor, weil dieser einfach ihr Training abgebrochen hatte. Doch es gab etwas, das sie noch mehr beschäftigte.
„Denkst du, es ist richtig, auf die Meinung einiger alter Männer zu warten, während weiterhin Menschen von Vampiren getötet werden?“
Sie schaute zur Fahrerseite, um seine Reaktion zu sehen, doch Gregors Miene blieb starr auf die Fahrbahn gerichtet.
„Ich denke, wir sollten uns nicht unüberlegt in Gefahr begeben“, entgegnete er. „Die Räte werden darüber diskutieren, ob wir wirklich bereit sind für den Außeneinsatz.“
„Außeneinsatz? Es geht nicht um irgendein Projekt“, regte sie sich auf. „Jeden Morgen lese ich in der Zeitung von neuen blutleeren Leichen. Wir müssen endlich handeln. Ich war effektiver unterwegs, als ich mit einem Vampir auf der Jagd war.“
„Du kannst dich nicht kopflos gegen eine Armee von Vampiren stellen. Vielleicht konntest du mit einem Blutsauger an deiner Seite erfolgreich sein, weil er weiß, wie diese kämpfen.“ Gregor redete langsam und ruhig, als analysierte er gerade den Verlauf eines neuen Immobilienfonds. „Bevor wir auf die Jagd gehen, sollten wir uns einen vernünftigen Angriffs- und Rückzugsplan überlegen. Außerdem müssen wir das mögliche Gebiet einschränken und ich müsste ein paar Bannsprüche vorbereiten, falls unsere Gegner in der Überzahl sind.“
Mit aufgerissenen Augen hatte Aurora sich aufgesetzt. „Das klingt, als hättest du dir schon längst Gedanken darüber gemacht, wie wir in Zukunft arbeiten.“
Ein kaum sichtbares Lächeln legte sich auf Gregors Gesicht. „Heißt das, dir gefällt mein Plan?“ Er wagte einen kurzen Seitenblick, bevor er sich wieder ganz auf die Straße konzentrierte.
„Wenn es bedeutet, dass wir nicht wochenlang auf eine Entscheidung warten müssen, sondern in den nächsten Tagen durchstarten können, dann ja.“
Er antwortete mit einem kaum sichtbaren Nicken, als er auf den Parkplatz vor ihrem Haus fuhr.
„Wenn du möchtest, könnte ich bis morgen nach ein paar Schutzzaubern sehen und nach Ortungszaubern für Vampirangriffe suchen.“
„Das ist eine gute Idee.“ Sie drehte sich zu ihm, während er das Fahrzeug stoppte. „Es scheint fast, als würdest du doch nicht immer allem folgen, was dir gesagt wird.“
Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich dürfte mich fast überhaupt nicht mehr mit euch abgeben, wenn ich das tun würde.“ Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken. „Der Hexenrat versucht, sich so weit wie möglich von Vampiren fernzuhalten. Wenn die wüssten, wie gut Markus und du euch mit den Vampiren versteht, dürfte ich keinesfalls mit dir trainieren.“
Breit lächelte sie ihn an. „O Gregor, verstößt du gegen die Regeln? Hätte ich dir gar nicht zugetraut.“
Kopfschüttelnd blickte er unter seinen Locken zu ihr. „Du hättest auch nicht gedacht, dass ich Magie in mir habe. Vielleicht bin ich doch noch für die ein oder andere Überraschung gut.“
Leicht zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Das klang mehr nach Flirten als nach freundschaftlichem Geplänkel. Möglichst unauffällig, aber mit eiligen Bewegungen löste sie den Gurt und öffnete die Autotür. „Danke fürs Fahren. Melde dich einfach bei mir, wenn du weitergekommen bist. Wir sehen uns dann übermorgen beim Training.“ Sie wollte lieber gehen, bevor sie Gregor falsche Hoffnungen sendete. Dieser eine Kuss zu Neujahr hatte gereicht.
„Aurora.“ Sie ignorierte Gregor und warf die Autotür ins Schloss. Ohne sich umzudrehen, hob sie winkend die Hand, während sie zum Haus eilte.
Als Aurora das Treppenhaus hochging, hörte sie, wie sich Erics Tür öffnete.
Als sie die letzten Stufen zu ihrer Wohnungstür nahm, lehnte er in seinem Türrahmen. Er sah erholter aus als gestern. Die Heilungsrate von Vampiren war beeindruckend. Trotzdem wollte sie ihn zurück ins Bett scheuchen, denn mit Sicherheit war er noch nicht vollständig genesen.
Sein linker Mundwinkel hob sich zu einem kleinen Lächeln. Lautlos verfluchte sie ihre Gedanken und wandte sich von ihm ab.
„Guten Abend.“
Seine dunkle, warme Stimme ließ sie innehalten. Den Schlüssel bereits im Schloss, drehte Aurora sich zu ihm um. Seine kurzen Haare standen wild vom Kopf ab. Ob er Schmerzen hatte? Sie musste sich auf die Zunge beißen, um dem Drang zu widerstehen, ihn zu fragen.
„Guten Abend, Eric.“ Sekundenlang sahen sie sich nur an.
„Aurora, ich wollte ...“
Schnell drehte sie sich um und schloss ihre Tür auf. „Gute Besserung, Eric.“
„... mich bei dir entschuldigen. Aurora, bitte.“ Seine Stimme klang flehend.
Sie brachte es nicht über sich, einfach hineinzugehen und die Tür hinter sich zu schließen. Verdammt, warum fühlte sie sich nur so schwach in seiner Gegenwart? Ihre Finger krallten sich in das Holz. Schließlich wandte sie sich zu ihm um.
„Ich weiß, ich hätte dir vom Verlust meiner Familie erzählen sollen. Aber ich wollte dich nicht verschrecken.“
„Eric, ich habe dich nach deiner Vergangenheit gefragt und du hast mir das Wichtigste daraus verschwiegen.“ Leicht schüttelte sie den Kopf. „Das hatte nichts mit mir zu tun. Du bist nicht darüber hinweg. Deshalb kann das zwischen uns nicht funktionieren.“ Egal, wie sehr es ihr wehtat. Erics Augen, mit den kleinen unruhigen gelben Flammen darin, machten es ihr nicht leichter.
„Es tut mir leid.“ Sie wusste nicht, ob es aus seinem oder ihrem Mund gekommen war, oder ob sie es gleichzeitig gesagt hatten. Doch sie floh in ihre Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.
Nachdem sie sich umgezogen und zusammen mit einem Stück aufgewärmter Pizza einen Liebesfilm angesehen hatte, den sie ab der Mitte nicht mehr ertragen konnte, rief sie ihren Bruder an.
Seit Tagen ging sie seinen Anrufen aus dem Weg. Wenn sie seinen Klingelton wieder einmal ignoriert oder wegen des Trainings verpasst hatte, schrieb sie ihm eine kurze Nachricht, dass sie trainiert hatte und dass es ihr gut ging. Bisher hatte sie Markus nichts davon erzählt, dass sie sich von einem seiner Lieblingsvampire getrennt hatte.
„Na endlich! Weißt du, wie lange ich schon versucht habe, dich zu erreichen?“ Markus‘ Begrüßung ließ sie zurück in das Sofapolster sinken. „Hättest du mir nicht wenigstens geschrieben, hätte ich wirklich Panik bekommen.“
„Es tut mir leid, ich hatte so viel mit dem Training und der Arbeit zu tun“, verteidigte sie sich.
„Ach, und dabei hast du ganz vergessen zu erwähnen, dass Eric fast bei einer Explosion draufgegangen wäre?“ Er schnaubte in das Telefon.
„Woher weißt du ...?“ Sie hatte seit dem Vorfall nicht mit Markus gesprochen.
„Na, Helen hat mir davon erzählt. Wie geht es ihm denn? Helen meinte, er ist zwar schwer verletzt, aber wird sich wieder erholen.“
„Ich glaube, gut“, antwortete sie und bereitete sich innerlich auf die nächste Frage vor.
„Wie? Du glaubst?“ Sie konnte förmlich Markus bohrenden Blick durch das Handydisplay spüren. „Was ist denn bei euch los?“
„Na ja, es könnte sein, dass ich mich von ihm getrennt habe.“ Kleinlaut zog sie die Schultern hoch.
„Was hast du?“ Sie musste das Telefon vom Ohr nehmen, da die Stimme ihres Bruders immer lauter geworden war. „Dein Freund ist schwer verletzt und du trennst dich von ihm? Wieso? Es lief so gut zwischen euch. Du kneifst doch nicht schon wieder?“
„Was soll denn das heißen?“ Sie atmete tief durch, um ihre Stimme wieder zu senken. Ruhig fuhr sie fort: „Er war verheiratet und hat es nicht für nötig gehalten, es mir zu sagen.“
„Und deshalb trennst du dich von ihm? Weil er geschieden ist?“ Unglauben drang ihr von Markus entgegen. „Warte mal, es ist doch nicht diese fürchterliche Amerikanerin, oder?“
„Nein, es ist nicht Star.“ Beim letzten Ball des Vampirkönigs hatten sie die Vampirin kennengelernt, die ganz offensichtlich ein Auge auf Eric geworfen hatte. Schamlos hatte sich diese in ihrem viel zu knappen Kleid an Eric gedrückt, obwohl sie wusste, dass er eine Freundin hatte. Aurora hätte sie am liebsten an ihren perfekten, langen Haaren aus dem Saal gezogen und ihr erklärt, mit wem sie es zu tun hatte.
„Erics Frau und Tochter wurden von Jägern getötet. Hätte er nicht unter den Beruhigungsmitteln fantasiert, wüsste ich es bis heute nicht.“
„Aber das ist kein Grund, sich von ihm zu trennen.“ Markus’ Feststellung klang fast fragend.
„Nein, aber die Tatsache, dass er dachte, ich wäre seine Frau, weil ich dieser so ähnlich bin, ist einer.“ Aurora wollte nicht an das Gefühl erinnert werden, als er sie plötzlich mit einem fremden Namen angesprochen hatte.
„Denkst du wirklich, dass er deswegen mit dir zusammen ist?“
„Ja, genau das denke ich.“
Ihre schnelle Antwort ließ Markus für einen Moment verstummen. „Aber ... aber ... das glaube ich einfach nicht.“
Am liebsten hätte sie über seine schwache Abwehr gelacht. „Markus, als ich mich von ihm getrennt habe, konnte ich sehen, dass Eric noch nicht über den Tod seiner Familie hinweg ist.“ Tief atmete sie durch. „Das verstehe ich ja. Aber ich möchte nicht ein Ersatz für eine Tote sein.“
„Du machst es dir ganz schön einfach. Kann es sein, dass du nur einen Ausweg suchst, damit du dich nicht noch fester an ihn bindest? Immerhin sprechen wir hier von einer Toten. Die ist doch keine Konkurrenz für dich.“ In Gedanken hatte sie Markus’ hochgezogene Augenbrauen vor sich, unter denen sie seine grauen Augen scharf anstarren würden. Wenn er einmal mit dem Jura-Studium fertig war, konnte er damit jeden Kriminellen zu einem Geständnis zwingen.
„Wie soll ich auch mit den Erinnerungen an seine Familie konkurrieren? Da wäre mir sogar Star lieber mit ihrem perfekten Körper.“
„Du gibst schon auf, bevor du um ihn gekämpft hast“, warf er ihr vor.
„Markus, da gibt es nichts zu kämpfen.“ Sie ließ sich in das Sitzpolster ihres Sofas sinken. „Hör zu, ich möchte darüber nicht reden. Es ist spät und ich bin müde.“ Kurz schloss sie die Augen und hörte sein unwilliges Gemurmel. „Übrigens hat Mama mir die Sachen von Vater geschickt. Es sind ein paar Waffen dabei und ein paar Tagebücher unserer Großmutter. Wenn ich fertiggelesen habe, kannst du sie haben. Und sie wusste, dass er ein Vampirjäger ist.“
„Wirklich? Und sie hat nie was gesagt? Ich muss unbedingt mit Mom darüber sprechen“, drang seine erstaunte Stimme durch den Hörer. „Ich komme in den nächsten Tagen vorbei, um mir das anzusehen.“
„Und falls ich unterwegs bin?“ Was, wenn Gregor gerade in der Nähe war und sie Markus dadurch ungeplant Gregors Geheimnis verraten würden? Sicher würde das dem Hexer nicht gefallen.
„Wozu gibt es Handys? Abgesehen davon habe ich deinen Wohnungsschlüssel. Leg mir die Sachen einfach hin, ich nehme mir, was ich gebrauchen kann.“ Sein freches Zwinkern war nicht zu überhören.
Aurora schnaubte. „Das könnte dir so passen. Das wird gerecht geteilt. Außerdem will ich erst die Tagebücher auslesen, bevor du sie dir einfach klaust.“
„Okay, ich seh mal, wann ich Zeit habe, dann können wir uns ja zum Abendessen in deiner Wohnung treffen und du machst mir was Leckeres zu essen.“
„Wieso glaube ich, dass du grade nur ein Abendessen rausschlagen wolltest?“ Markus konnte froh sein, dass das Essen nicht so leicht auf seine Hüften wanderte, bei den Mengen, die er manchmal wie ein hungriger Wolf in sich hineinstopfte.
„Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, schließlich könnte es auch ein Mittagessen sein.“ Wenn er vor ihr stehen würde, hätte sie jetzt ein Grinsen von ihrem Bruder kassiert. „Ich melde mich dann morgen. Ach ja, und vertrag dich wieder mit Eric. Ich bin mir ganz sicher, dass er in dir nicht nur seine verstorbene Frau sieht.“
Nachdem sie aufgelegt hatte, blieb sie auf dem Sofa liegen. Ihr Handy legte sie neben sich auf den Tisch. Ihr Körper fühlte sich wie Blei an. Es wurde Zeit fürs Bett. Nach der Arbeit trainieren zu gehen, war anstrengend und ermüdend.