Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 17

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„Hier.“ Gregor blieb unter einer Straßenlaterne im dämmrigen Licht stehen und drückte ihr eine goldene Münze in die Hand.

Irritiert starrte Aurora ihn an. „Schuldest du mir noch Geld?“ Sie sah sich in der kleinen Seitenstraße um, doch keiner der wenigen vorbeiziehenden Passanten beachtete sie.

Er schnaubte amüsiert. „Nein, das ist eine Wahrheitsmünze. Wenn du darüber reibst, während du etwas fragst, ist der andere gezwungen, die Wahrheit zu sagen. Ich weiß nicht, ob es bei Vampiren so wirkungsvoll ist wie bei Menschen. Aber einen Versuch ist es wert.“ Er blinzelte ihr zu. „Wen willst du damit ausfragen? Deinen Nachbarn?“

Nach ihrem Gespräch mit Vlad hatte sie sich bei Gregor erkundigt, ob er ihr helfen könnte, aus einem Vampir die Wahrheit herauszukitzeln. Vielleicht konnte sie so von Erics Onkel den Namen von Vlads Feind erfahren und dieser Krieg wäre schnell zu Ende. Sie ließ die Münze in ihre Hosentasche gleiten.

„Nein, die ist für ...“ Sie hielt inne. Hatte sie gerade einen Schrei gehört?

Ein Blick zu Gregor bestätigte ihre Vermutung, denn seine Aufmerksamkeit galt ihrer Umgebung. Sie deutete auf die kleine Straße mit den heruntergekommenen Häusern. Es war die zweite Stelle von Gregors Liste. Nur ein paar Meter entfernt, auf der anderen Seite der Häuserfront, befanden sich viele Bars, es war ein bekannter Touristentreffpunkt. Jetzt am Freitag trieben sich jede Menge Leute auf den Straßen herum, um mit Freunden zu feiern und zu trinken. Doch hier, in der Nähe der Bahnstrecke, waren nur alte Gebäude, nicht weit weg sogar ein verlassenes Fabrikgelände.

Ihr Anhänger wurde wärmer, sobald sie sich in die Richtung des Schreis wandten.

„Dort.“ Gregor deutete auf die linke Seite der Abzweigung vor ihnen. Aurora nickte. Schnell und möglichst leise folgten sie den Geräuschen von gedämpften Schreien und Lachen.

Sie griff nach der Waffe mit den Silberkugeln, die Lorenzo ihr nach dem Training in die Hand gedrückt hatte. In ihrer Rechten hielt sie schon ihren schwarzen Dolch. Gregor hatte zwei silberne Wurfsterne zwischen seine Finger geklemmt. Sein Kurzschwert hing geschützt unter seinem Wollmantel. Vom Training mit Bruder Michael wusste er bereits, dass sie die Vampire erst mit Silber lähmen mussten, um sie besser erledigen zu können. Sie war nervös. Bisher hatte sie immer Eric an ihrer Seite gehabt. Er war selbst ein Vampir, der sie vor den schlimmsten Attacken hatte bewahren können.

In ihren Träumen hatte sie gesehen, zu was Vampire fähig waren. Nur ein gewisser Überraschungsmoment würde Gregor und ihr helfen, diese schnellen Kreaturen zu bezwingen. Und vielleicht die Bannsprüche, die er um das neue Silberarmband an ihrem Arm gewebt hatte.

Ihr Körper kribbelte vor Anspannung. Sie waren schon sehr nah. Nur ein paar Meter weiter bewegten sich Schatten.

Sie tippte Gregor an und deutete nach vorne. Er nickte und rannte los. Aurora versuchte, an seiner Seite zu bleiben.

Fünf Vampire hatten eine Gruppe Teenager umzingelt. Zwei der Mädchen, zurechtgemacht für eine Nacht voller Spaß, lagen bereits in den Armen von ebenso vielen Angreifern. Diese hatten die Köpfe der jungen Frauen zur Seite geneigt, um besseren Zugang zum Hals zu bekommen. Die anderen Teenager standen aneinandergepresst daneben. Entsetzen in den Gesichtern, während sie zusahen, was mit ihren Freundinnen passierte. Vor Schreck geweitete Augen blickten Aurora an. Die Vampire zischten, als sie sich ebenfalls zu Gregor und ihr umdrehten.

Da hob sie schon ihre Waffe und schoss auf den Vampir, der ihr am nächsten war. Ein Blitz, gefolgt von einem zu Boden gehenden Vampir, zeigte ihr, dass Gregor ebenso in Aktion getreten war. Schnell ging sie auf den Angeschossenen zu und stach mit dem Dolch ins Herz. Mit dem zweiten Stich in den Brustkorb zerfiel der Vampir zu Staub.

Die vielen Übungen mit Bruder Michael hatten Wirkung gezeigt.

Sie hob ihre Schusswaffe und feuerte auf einen Vampir, der gerade auf sie zulief. Er brach zusammen.

Ein leiser Schrei ertönte auf ihrer rechten Seite. Danach folgte das Zischen eines fliegenden Wurfsterns. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass Gregor mit gezogenem Kurzschwert auf einen Vampir zueilte, der eins der Mädchen im Griff hatte.

Aurora rannte auf ihren nächsten Gegner zu. Dieser hatte sich einen der Teenager als Schild herangezogen. Der Junge mit dem schwarzen Eyeliner versuchte, sich aus dem Griff zu befreien. Der Vampir neigte sich über den Nacken des Jungen. Er grinste sie kurz an, bevor er zubiss. Schmerzvoll schrie das Opfer auf und blieb still stehen.

Ohne lange zu überlegen, schoss sie dem Vampir in den Kopf. Blut spritzte. Der Junge erwachte aus seiner Starre und riss sich los.

„Lauft! Verschwindet von hier!“, rief sie ihm zu. Sie sah ihn hektisch nicken. Dann hörte sie mehrere Leute in die Richtung rennen, aus der Gregor und sie gekommen waren.

Ein halb entstelltes Gesicht blickte derweil zu ihr auf. Die eine Hälfte wütend verzogen, mit Blut verschmiert, während die andere Hälfte offen vor ihr lag. Aurora musste sich zwingen, nicht zurückzuweichen. Abgerissene Haut, nackte Muskelstränge und herabhängendes Fleisch an bloßliegenden Knochen. Es sah so aus, als würde der Vampir sie angrinsen. Blut tropfte von seinem frei gelegten Kieferknochen.

Auroras Magen krampfte sich zusammen. Rotgeränderte Augen starrten sie an und ihr Gegner rappelte sich hoch, kam auf sie zu.

„Du wirst sterben“, zischte er ihr zu. Seine Hände legten sich um ihren Hals und drückten zu.

Schwer schluckend stach sie auf seine Brust ein. Nägel kratzten schmerzhaft über ihre Haut. Sie versuchte, sich von ihm loszureißen, doch er krallte sich in ihren Nacken. Die Hand mit ihrer Waffe war unangenehm an seinem Oberkörper abgeknickt. Damit würde sie ihn nicht verletzen können. Sie öffnete den Mund und rang nach Luft, die ihre Lungen nicht mehr erreichen wollte. Wieder stach sie zu. Endlich! Das entstellte Gesicht löste sich in Staub auf, auch wenn es sie in ihren Träumen verfolgen würde. Hustend lehnte sie sich auf ihre Oberschenkel.

„Alles gut?“ Sie sah auf. Gregor stand mit dem Rücken zu ihr. Sein Kurzschwert und einen Wurfstern in der Hand.

„Ja.“ Rau drückte sie das Wort heraus. Schmerzhaft krampfte sich ihr Hals zusammen.

„Nicht mehr lange!“, schrie einer der zwei Vampire, die Gregor gegenüberstanden.

Ein lautes In-die-Hände-Klatschen ließ sie innehalten. Es kam von oben. Mit zusammengekniffenen Augen suchte sie die Dächer der umliegenden Gebäude ab.

Waren sie die ganze Zeit beobachtet worden?

„Wadim, jetzt hast du meine kleine Überraschung gesprengt.“ Ein schwarzer Schatten landete ein paar Meter vor Aurora. Es war eine blonde Vampirin, die sie genau musterte. Verspielt drehte sie an einer der Strähnen aus ihrem Pferdeschwanz, den Kopf leicht zur Seite geneigt. „Irgendwie habe ich mir die Jägerin beeindruckender vorgestellt.“

Auroras Griff um ihre Waffen wurde fester. Hatte sie die Vampirin schon einmal gesehen?

„Oh, und was haben wir da? Einen Hexer? Du bist neu, aber das wird kein Problem sein.“ Sie schnippte mit den Fingern und mehr Vampire sprangen von den Dächern. Sie bildeten einen Kreis um sie.

Aurora trat sofort näher an Gregor. Dieser drehte ihr halb den Rücken zu. Verdammt, hatte sie ihn auf eine Selbstmordmission geschickt?

„Du siehst der Frau des Prinzen recht ähnlich. Wahrscheinlich will der Meister dich deshalb leiden sehen“, redete die Vampirin vor ihr selbstsicher weiter. „Damit der Prinz leidet und damit den König schwächt.“ Glockenhell lachte sie auf.

„Sie riecht so süß“, setzte ein Vampir hinter Aurora an. „Ich wette Ra…“

„Wadim, schweig!“ Erstaunt sah Aurora zu der scheinbaren Anführerin, die ihren Begleiter so harsch unterbrach. Was hatte er sagen wollen, dass sie nicht hören sollte?

Die Vampirin bedachte sie mit einem kalten Blick. „Wir haben lange genug geredet. Greift euch die Jägerin und den Hexer.“ Ihre Augen wanderten an Aurora vorbei und schienen Gregor genau zu betrachten. „Wenn es geht, verletzt ihn nicht zu stark. Ich würde gerne mit ihm spielen.“

Ihr Herz zog sich zusammen, als würden kalte Finger es zerquetschen wollen.

Nicht noch einmal!

Lieber würde sie sterben, als sich gefangen nehmen zu lassen. Und Gregor durfte dieses Schicksal auch nicht erleiden.

Aurora sah, wie sich die Vampire langsam in Bewegung setzten. Sie hatten einen Kreis um Gregor und sie gebildet, der sich immer enger zog. Sie trat näher an ihren Partner heran. Inzwischen spürte sie seinen Rücken an ihrem. Wenigstens konnten sie sich so gegenseitig schützen.

„Hey, wir wollen auch mitspielen!“ Aus der Richtung, in die die Teenager verschwunden waren, kam eine kleine Gruppe Vampire. Den blonden Anführer hatte Aurora erst vor wenigen Tagen gesehen. Sie hatte gedacht, sie hätte ihren Personenschutz abgeschüttelt, als sie mit Gregor aufgebrochen war.

Oder waren sie Verräter?

Sie hörte die Anführerin fluchen und etwas Unverständliches schreien.

Dann ging alles ganz schnell. Die Gruppe Vampire setzte sich in Bewegung. Mehrere Hände griffen nach Aurora. Sie versuchte, sich zu wehren, doch wurde ruckartig von Gregor weggezogen.

Sie hörte ihn schreien. Bevor sie antworten konnte, drückte sich eine lederbezogene Hand auf ihren Mund.

„Du kommst mit uns!“

Aurora warf ihren Kopf nach hinten. Gerade so konnte sie einen Blick auf Gregor erhaschen. Mit seinem Schwert versuchte er, sich zu ihr durchzukämpfen. Doch die anderen Vampire umringten ihn. Sie konnte sehen, wie die Leibgarde des Königs ihm zur Hilfe kam. Immer mehr der Angreifer lösten sich in schwarzem Staub auf.

Doch so sehr sie darum kämpfte, in die Richtung ihres Partners zu gelangen, unerbittlich zogen Hände sie vorwärts, schoben sie von der wenig beleuchteten Gasse in tiefe Schatten hinein. In der Dunkelheit wurde sie um mehrere Abbiegungen geführt. Dabei schlug man ihr die Waffen aus den Händen, sodass sie sich noch hilfloser fühlte.

Die Geräusche vom Kampf zwischen den Vampiren waren kurz darauf nicht mehr zu hören.

Es roch nach Verrottetem und Verwesung in dem schmalen Gang, in den sie geschleift wurde. Nur die Vampirin blieb an ihrer Seite, während vor und hinter ihr je eine der Kreaturen an ihr zog. Immer weiter wurde sie von Gregor fortgezerrt, von der Königswache, von ihrer möglichen Rettung ...

Ihre Entführer fluchten.

„Der Hexer hat sie irgendwie verzaubert. Meine Hände brennen, jedes Mal, wenn ich sie berühre.“

„Jammer nicht, es geht uns nicht anders.“

Gregors Zauber schwächte die Vampire, es gab noch Hoffnung. Sie versuchte, sich gegen die Griffe zu stemmen. Entriss dem Vampir vorne ihren Arm, nur um von hinten einen harten Stoß zwischen die Schultern zu bekommen.

„Benimm dich, dann tun wir dir nicht gleich weh!“, drohte die Vampirin.

„O, mein Täubchen, denkst du nicht, ich entscheide, was mit ihr passiert?“ Eine tiefe Stimme dröhnte heran und ein Mann löste sich aus den Schatten. „Ihr könnt gehen, die Bannsprüche können mir nichts anhaben.“

„Meister, denkt Ihr, das ist eine gute Idee? Die Leibgarde des Königs war hinter uns …“

„Stellst du meine Macht infrage?“, grollte der Vampir die Frau neben Aurora an.

„Nein.“ Sie trat einen Schritt von Aurora weg. „Lasst uns ins Lager gehen.“ Die Vampire stießen Aurora gegen die Mauer und rannten die dunkle Gasse vor ihr entlang, bis sie in der Dunkelheit verschwanden.

Ihren Meister ließen sie mit Aurora zurück.

Als die Gruppe Vampire außer Sichtweite war, setzte ihr Fluchtinstinkt ein. Ohne ihren Gegenüber weiter zu beachten, drehte sich Aurora um und lief los. Weit kam sie nicht.

Finger krallten sich schmerzhaft in ihren Arm, als sie zurückgezogen wurde. Bevor sie schreien konnte, wurde sie herumgewirbelt und schwarze Augen hielten sie gefangen.

„Nein.“ Die kratzige, dunkle Stimme dröhnte mehr in ihrem Kopf als in der engen Gasse. Der Mann, der vor ihr aufragte, war im Schein der Laternen in ihrem Rücken kaum zu erkennen. Er war in dunkel gekleidet. Ein schwarzes Tuch bedeckte Nase und Mund.

„Die Jägerin höchstpersönlich. Endlich erwische ich dich ohne deine lästigen Bodyguards.“ Obwohl die Worte wegen der Verhüllung dumpf klingen sollten, konnte Aurora sie klar verstehen.

Sie versuchte, sich aus dem Griff des fremden Mannes zu drehen, aber ihr Körper wollte nicht gehorchen. Dies musste ein Vampir mit großer Macht sein, wenn er sie so gefesselt halten konnte. Angst schoss wie Kälte durch ihre Adern. Verzweifelt bemühte sie sich, ihrer Hand den Befehl zu geben, ihn wegzustoßen. Doch sie schaffte kaum ein Fingerzucken.

„Weißt du, ich warte schon lange darauf, dich selbst kosten zu können. Einige meiner Anhänger haben mir vorgeschwärmt, wie süß dein Blut schmeckt.“ Eine Hand legte sich kalt an ihr Kinn. Die Panik war so stark, dass sie es schaffte, einen halben Schritt zurückzusetzen. „Interessant, du versuchst, dich mir immer noch zu widersetzen, kleiner Vogel.“ Ihr Kopf wurde zur Seite gedreht, ein Gesicht rieb sich an ihrem Hals und ein leises Wimmern entwich ihrer Kehle. „Ich hätte zu gerne gesehen, wie du gefesselt in meinem Kerker gelegen hast. Deine weiße, zerbrechliche Haut im Fackelschein.“ Eisige Lippen fuhren hinter ihrem Ohr entlang, während sie zitternd versuchte, sich aus diesem Albtraum zu befreien. Die Bilder ihrer Gefangenschaft stürzten auf sie ein. „Im Gegensatz zu den meisten meiner Anhänger habe ich nichts dagegen, mich mit einem Menschen zu vergnügen. Was hätte ich für einen Spaß mit dir gehabt.“ Schmerzhaft durchstießen Zähne die Haut an ihrem Hals. Mehr als ein kaum hörbares Stöhnen kam nicht über ihre Lippen, während sie in ihrem Kopf wie wild schrie.

Alles war kalt. Sie sah Fackeln flackernde Schatten an groben Felsstein malen. Metallketten fixierten ihre Handgelenke. Schnitte und Verbrennungen quälten ihre Haut, während sich die Vampire über sie beugten und von ihrem Blut tranken.

Ihr Herz raste in ihrer Brust. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Das war Vergangenheit. Eric hatte sie damals gerettet.

Sie konzentrierte sich auf den Biss an ihrem Hals, auf den Schmerz, der weckende Impulse durch ihren Körper sandte. Langsam hoben sich ihre Arme. Mit einem Ruck stieß sie den Vampir von sich, der durch ihr Blut abgelenkt zu sein schien. Zischend löste sich ihr Angreifer von ihr.

Erleichtert atmete sie auf. Da wurde sie schon gegen die Wand neben sich gestoßen, ihre Brust wurde gegen den harten Stein gepresst. Man packte sie an den Haaren und riss ihren Kopf nach hinten. Fest schlug der Vampir eine ihrer Hände gegen die Mauer, sodass es knirschte.

„Du denkst, du kannst mich bekämpfen?“ Ein Schauer rann ihren Rücken hinunter, als die Worte kalt an ihr Ohr drangen. Ihr Körper war wieder gefesselt, jedes Muskelzucken kostete sie ungeheure Anstrengung. „Siehst du nicht, welche Macht ich über dich habe, kleiner Mensch?“ Kalte Finger tasteten unter den Saum ihres Pullovers, kratzten unangenehm über ihren Bauch.

Schnell versuchte sie, ihre Tränen fortzublinzeln, während ein Körper sich fester gegen ihren Rücken presste. „So süßes Blut. Wie gerne würde ich weiter von dir kosten, aber ich muss gehen.“ Eine kalte Nase strich an ihrem Hals entlang, gleichzeitig krallten sich Fingernägel unter ihrem Pullover in ihre nackte Haut. „Es gibt noch einen anderen Vogel, um den ich mich kümmern muss, bevor ich mich dir zuwende.“ Plötzlich war der Druck auf ihren Körper verschwunden und Aurora konnte sich wieder normal bewegen. Schluchzend atmete sie auf, während sie sich umdrehte und langsam mit dem Rücken an der Mauer hinabrutschte. Ihre Umgebung nicht aus den Augen lassend, versuchte sie möglichst leise zu sein. Nur nicht die Aufmerksamkeit eines weiteren Vampirs auf sich ziehen.

Als sie von der Straße schnelle Schritte hörte, tastete sie auf dem Boden nach einem Stein, den sie verzweifelt mit ihren Fingern umschloss. Mit etwas Glück konnte sie einen Angreifer damit stark genug verletzen, um zu entkommen.

Zuerst erkannte sie den näherkommenden Schatten durch ihren Tränenschleier nicht.

„Aurora, was ist passiert?“

Fast erleichtert schluchzte sie auf, als sie Erics Stimme identifizierte. Ohne Zögern zog er sie hoch und drückte sie an sich.

„Dir kann nichts passieren. Ich bin bei dir.“

Schluchzend presste sie ihr Gesicht an seine Brust. Wie gut, dass er sie gefunden hatte! Sie wusste nicht, wie weit dieser Vampir gegangen wäre, wenn niemand ihn unterbrochen hätte. Zitternd krallte sie sich in den weichen Stoff von Erics Wolljacke.

Seine beruhigenden Worte gingen in ihrem Schluchzen unter. Doch allein seine Nähe gab ihr Sicherheit. Nur für einen kurzen Augenblick wollte sie sich die Schwäche gönnen. Langsam schlang sie ihre Arme um seine Taille, um sich enger an ihn zu lehnen. Mit tiefen Atemzügen sog sie seinen Geruch nach Wald und Lagerfeuer ein.

Er zog sie fester an seinen Körper, drückte sein Gesicht in ihre Haare. „Ich werde dich nicht mehr aus den Augen lassen. Diesen Fehler werde ich kein zweites Mal begehen.“

Sofort musste sie an seine verstorbene Frau denken und sie versteifte sich automatisch.

„Aurora, bitte …“

„Nein.“ Ihre Stimme zitterte unüberhörbar. Schweren Herzens löste sie sich von ihm und trat einen Schritt zurück. „Es geht schon wieder.“ Tief atmete sie durch und wischte sich mit den Händen über die Augen. „Ich muss nachsehen, ob Gregor verletzt ist. Er weiß nicht, was …“

„Er weiß, dass ich dich gefunden habe. Meine Wachen sind bei ihm. Leider haben sie sich ablenken lassen und deshalb nicht auf dich aufgepasst.“ Kurz zog Eric einen Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln. „Es tut mir leid. Ich hätte von Anfang an da sein sollen.“

Aurora schüttelte schwach den Kopf. „Eric, das mit uns ist vorbei. Du brauchst dich nicht länger um mich kümmern.“

„Aber du stehst unter meinem Schutz.“

Sie sah das Flackern in seinen Augen. Fast schien er sie liebevoll zu betrachten. Ob das der Blick war, den er immer seiner Frau geschenkt hatte? Verbittert verzog sie den Mund.

„So ist das nicht. Bitte, wir müssen darüber reden. Du verstehst nicht ...“

Doch sie war müde. Heute wollte sie einfach in ihr Bett und die Schrecken des Abends vergessen. Morgen musste sie wieder zur Arbeit und so tun, als wäre nichts passiert. Sie hatte keine Zeit, sich die ganze Nacht mit Eric auseinanderzusetzen.

„Ich muss mit meinem Partner reden.“ Sie ging an ihm vorbei. Der versteckte Platz, auf dem der Angriff stattgefunden hatte, war leer. Nur Blutspuren und schwarzer Staub mischte sich auf dem Kopfsteinpflaster.

„Wo ist er?“ Hoffentlich war keine der Spuren von Gregor. Er hatte es nicht verdient, verletzt zu werden, weil sie ihn hierzu überredet hatte.

„Er wartet mit meinen Männern bei den Autos.“ Sie nickte abwesend und lief in Richtung Hauptstraße.

„Aurora, bitte …“

Sie ignorierte Eric. Heute war sie nicht mehr bereit für eine Konfrontation.

„Warte, hier sind noch deine Waffen.“ Eric streckte ihr im Gehen den Dolch und die Pistole hin. „Sie lagen in einer der Gassen.“

Schweigend griff sie danach und steckte sie mit zitternden Händen in ihre Jackentaschen. Fast erleichtert atmete sie auf, als Eric nichts weiter sagte.

Auf der beleuchteten Hauptstraße hasteten Menschen vorbei, eingemummelt in warme Jacken, Mützen und Schals. Sie schienen nichts von dem mitzubekommen, was um sie herum passierte. Aurora schlug ihren Kragen hoch und knöpfte ihn umständlich zu, damit Gregor nicht sofort den Biss an ihrem Hals sah. Ihre zitternden Hände schob sie in die Jackentaschen und lief zu ihrem Trainingspartner.

Gregor stand neben zwei dunkel gekleideten Männern vor einem schwarzen Van. Als er sie erblickte, rannte er auf sie zu und zog sie in seine Arme.

„Aurora, geht es dir gut? Ich wollte dir helfen, doch es waren zu viele.“

Kurz erwiderte sie seine Umarmung, bevor sie sich von ihm löste. „Sie haben mich zu ihrem Meister gebracht. Eric kam, bevor …“ Schwer schluckte sie. Sie konnte nicht darüber reden.

„Was ist passiert?“ Gregors Stimme klang belegt, während sein Blick ihren Körper absuchte.

„Lass uns nach Hause gehen. Ich bin müde.“

Unter seinen braunen Locken visierte er einen Punkt hinter ihr an. „Hast du etwas damit zu tun?“

„Nein“, antwortete ihm Erics Stimme kalt. „Wer auch immer versucht hat, Aurora anzugreifen, war sehr mächtig. Sobald ich aufgetaucht bin, ist er spurlos verschwunden.“ Erics Hand legte sich leicht auf ihre Schulter und drückte sie aufmunternd. „Ich werde Lorenzo anrufen, vielleicht kann er etwas finden, was ich übersehen habe. Aber ich fürchte, wir werden wieder ohne einen brauchbaren Hinweis enden.“

Leicht drehte sie den Kopf in seine Richtung, sodass sie Eric aus den Augenwinkeln sehen konnte, und nickte ihm zu.

„Geht nach Hause und ruht euch aus. Und beim nächsten Mal solltet ihr einen von uns zu Hilfe rufen und nicht auf eigene Faust losziehen. Es ist zu gefährlich.“

Schnaubend schüttelte Gregor den Kopf. „Wir werden sehen.“ Aurora konnte dem Hexer ansehen, dass er keine Lust hatte, mit den Vampiren zusammenzuarbeiten. Er traute ihnen nicht.

„Danke für eure Hilfe.“ Sie trat einen Schritt zur Seite, um Erics Berührung zu entkommen. Mit einer Geste ihres Kinns in Richtung Parkplatz setzten sie und Gregor sich in Bewegung.

Als sie am Steuer saß, musste Aurora mehrmals tief durchatmen, um ihre zitternden Hände an das Lenkrad zu legen.

„Soll ich nicht lieber fahren?“ Gregor fragte sie sanft und leise, als wäre sie ein Vogel, der im nächsten Moment aufschrecken und davonfliegen würde.

Seufzend startete sie den Motor. „Nein, es ist alles gut.“

„Aurora …“

„Es geht mir gut“, erklärte sie mit fester Stimme. „Ich möchte einfach nur ins Bett. Es war ein langer Tag.“

Schweigend fuhr sie zu Gregors Wohnung. Sein Blick lag die ganze Zeit auf ihr, als versuchte er, sie stumm zum Reden zu animieren. Doch sie konnte nichts sagen, nicht über die Ereignisse sprechen.

„Wir sehen uns morgen beim Training?“ Gregors Stimme klang unsicher. Sie nickte, ohne ihn anzusehen. „Bist du sicher, dass du allein nach Hause fahren willst? Ich könnte auf deinem Sofa schlafen.“

„Es geht mir gut.“ Es kostete sie viel Anstrengung, ihre Stimme fest klingen zu lassen. Sie konnte Gregor nicht ansehen und war froh, als die Autotür hinter ihm ins Schloss fiel.

Wie sie nach Hause gekommen war, wusste sie nicht mehr. Plötzlich stand sie auf dem Parkplatz vor ihrem Wohnhaus und starrte zu Erics unbeleuchteten Fenstern hinauf.

Heute hatte sie Glück gehabt, doch beim nächsten Mal würde es vielleicht anders enden.

Auch wenn sie es gerne allein schaffen wollte, sie brauchte seine Hilfe. Einer Übermacht von Vampiren war sie einfach nicht gewachsen.

Seufzend ging sie in ihre Wohnung. In ihrem Bad versorgte sie die übel aussehende Bisswunde an ihrem Hals. Statt zweier punktueller Einstichpunkte wirkte es, als hätte jemand einen Fetzen Haut herausgerissen. Ein Wunder, dass der Vampir dabei nicht schlimmeren Schaden angerichtet hatte. Sie bedeckte die schmerzende Verletzung mit einem Pflaster und wusch sich lange unter der kochend heißen Dusche. Trotz allem konnte sie die Kälte aus ihrem Körper nicht vertreiben. Das Zittern wollte nicht aufhören. Schnell kuschelte sie sich in ihren Flanellschlafanzug und legte sich ins Bett.

Bisher hatte sie alles von sich schieben können, doch jetzt stürzten die Ereignisse des Abends auf sie ein.

Laut schluchzend rollte sie sich unter ihrer Decke zusammen.

Sie hatte solche Angst gehabt!

Schwarz wie deine Liebe

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