Читать книгу Schwarz wie deine Liebe - Julie Craner - Страница 13

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Blinzelnd hielt sich Aurora die Hand über die Augen, als sie mittags ihre Arbeit verließ. In letzter Zeit sah sie zu selten die Sonne, meist fuhr sie direkt von der Apotheke zum Training im Kloster oder zum Fitnessstudio. Der Muskelkater, der sie manchmal zum Stöhnen brachte und ihre Kollegen kichern ließ, zeigte ihr, dass sie ihrem Körper nicht genug Schonung gönnte. Die Arbeit in der Apotheke kam ihr manchmal unwirklicher vor als ihr Leben als Vampirjägerin. Inzwischen gab es Momente, in denen sie sich auf die Zunge beißen musste, wenn die Kunden über Kleinigkeiten jammerten, während in der Stadt Leute ausgesaugt wurden.

Es ärgerte sie unwahrscheinlich, dass Bruder Michael seine Vorgesetzten in Rom fragen musste, ob sie auf Vampirjagd gehen konnte. Gregor hatte ihr heute früh eine Nachricht geschrieben, dass er seit gestern Abend mit ihren Plänen weitergekommen war. Sie konnte in seine Wohnung kommen, um die nächsten Schritte durchzusprechen, sobald er von seinem Bankerjob zurück war. Nur würde das noch bis in den späten Nachmittag dauern.

Sie drehte sich um ihre eigene Achse, betrachtete die Umgebung. Immer noch hatte sie das Gefühl, verfolgt zu werden. Das konnte nur die Leibgarde sein, die Eric ihr auf den Hals gehetzt hatte. Es war okay, wenn er damit ihren Bruder Markus schützen wollte. Immerhin trug dieser weiterhin seinen Gehgips und war nicht kampfbereit. Aber sie war nicht so wehrlos wie ihr Bruder und das wusste Eric.

Doch es war sinnlos, mit ihm zu reden. Also würde sie sich an jemanden wenden, der mehr zu sagen hatte - den König der Vampire. Sie griff nach ihrem Handy. Dieses Gespräch wollte sie lieber gleich hinter sich bringen, bevor sie ins Fitnessstudio ging und danach mit Gregor über ihren ersten Einsatz als Team sprach.

Der Efeu zog sich an der Mauer des Hinterhofgebäudes hoch. Das war das erste Mal, dass sie sah, wo Gregor jetzt wohnte. Zu dem nerdigen Banker passte dieses Zuhause weniger, doch sein zweites ich als Hexer repräsentierte der Altbau mit dem abblätternden Putz und dem rankenden Immergrün ziemlich gut.

Da sich das Fitnessstudio nicht so weit weg von seiner Wohnung befand, hatte sie eine extra Runde auf dem Laufband gedreht und sich danach einen Gang ins Dampfbad gegönnt. Ihre Muskeln hatten sich dabei besser entspannt, als bei jeder heißen Dusche der letzten Tage. Beinahe hatte sie dabei auch das frustrierende Telefonat mit dem König der Vampire vergessen, der sie zu einem persönlichen Gespräch gebeten hatte. Vom Abzug seiner Leibgarde war keine Rede gewesen. Als sie im Umkleideraum des Fitnessstudios erneut auf ihr Handy geschaut hatte, hatte Gregor ihr gerade eine Nachricht geschickt, dass er zu Hause war.

Kurz musterte sie das Klingelschild des Mehrfamilienhauses, bevor sie Gregors Namen ganz oben auf der Leiste fand. Sie wartete darauf, dass Gregor den elektrischen Türöffner bediente, bevor sie in den dämmrigen Hausflur trat. Sie ging die knarzende Holztreppe bis zur Dachwohnung hoch.

Gregor ließ sie mit einem Lächeln ein. Aus dem kleinen Flur kam sie direkt in den großen Wohnraum und sah als Erstes den kleinen Zweisitzer vor einem Flachbildschirm. Zwei Kontroller warteten davor. Eine leere Packung Chips lag zerknüllt zwischen einem Sessel und dem Sofa und Aurora konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Es sah so aus, als wäre Markus gerade da gewesen und hätte mit Gregor gezockt.

„Entschuldige, ich musste noch ein wenig länger in der Bank bleiben. Deswegen bin ich nicht zum Aufräumen gekommen.“ Kurz strich sich der große Mann durch die Haare im Nacken und drehte sich um. „Am besten, wir gehen in das kleine Zimmer. Da sind alle Sachen, die wir brauchen.“ Sie folgte ihm, als er ein Flurregal auf Rollen zur Seite schob und eine versteckte Tür öffnete.

Ein Geruch verschiedenster Kräuter begrüßte sie. Der kleine Raum hatte nur eine winzige Dachluke, doch eine Deckenlampe beleuchtete die vollgepackten Regale mit warmem Licht. Auf einem breiten Tisch war eine Glasapparatur aufgebaut. Aurora musste beim Anblick der kleinen Destille sofort an Alchemisten denken.

„Wow, suchst du den Stein der Weisen?“ Sie blieb halb in der Tür stehen, während Gregor sich neben den Tisch stellte und aus einem der Regalbretter einen Camping-Gasbrenner nahm und anzündete. Die blaue Flamme landete direkt unter einem hängenden Glaskolben mit verschiedensten bunten Zutaten darin.

„Nein, ich muss nur den Trank für den Ortungszauber fertigstellen.“

Die enthaltene Flüssigkeit fing an zu brodeln und stieg als pastellfarbener Dampf durch ein Glasrohr. Nach ein paar Tropfen stellte er die Flamme wieder aus.

„Das sollte reichen.“ Gregor holte eine Silberkette mit einem langen, spitzen Kristall aus einem der Regale. Dann breitete er eine Karte von Berlin aus, die er von einer anderen Ablage zog.

Nachdem sie die ganze Zeit mit verschränkten Armen am Türrahmen gelehnt hatte, trat Aurora näher an den Tisch heran. Auf dem Stadtplan hatte Gregor bereits ein paar Straßen markiert. Alle lagen in der Innenstadt.

„Das sind die Tatorte, oder?“

Gregor nickte ihr zu, während er sein Pendel in die destillierte Flüssigkeit tauchte. Er murmelte ein paar Worte vor sich hin, während er die Kette über den Stadtplan hielt.

Sie konnte sehen, dass es Stellen gab, an denen das Pendel mehr auszuschlagen schien.

Schließlich ließ der Hexer die Silberkette sinken und markierte mit einem Kugelschreiber ein paar neue Orte. „An diesen Plätzen könnte in den nächsten Tagen etwas passieren.“

Sie nickte. „Gut, dann sollten wir uns auf den Weg machen.“

Er schüttelte den Kopf. „Nicht heute. Ich muss noch ein paar Abwehrzauber vorbereiten, bevor wir auf die Jagd gehen.“

Nachdenklich musterte sie die Karte und versuchte, sich alle Orte zu merken. Nachher würde sie einigen davon einen Besuch abstatten. Alle lagen in der Innenstadt, genau wie die Angriffsorte vorher.

„Ich bitte dich, nicht allein loszugehen.“

Erstaunt sah sie auf. Gregor musterte sie ernst und seine Mundwinkel waren leicht nach unten gezogen.

„Ich seh es dir an, dass du nicht warten willst. Du solltest dich nicht vollkommen allein auf den Weg machen. Lass mich noch ein paar Vorkehrungen treffen. Ich verspreche dir, dass ich dich morgen begleite. Aber so ist es sicherer.“

Seufzend sah sie ihn an. Jeden Tag starben weitere Menschen. Warum es noch einen Tag aufschieben, wenn sie endlich einen Anhaltspunkt hatten?

„Versprich mir einfach, dass du noch einen Tag wartest. Zu zweit ist es sicherer. Bitte, Aurora.“

„Gut, ich tue es, wenn du mir versprichst, endlich mit meinem Bruder zu reden.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

Gregor zog seine Brauen zusammen. „Nicht heute, aber bald.“

Sie schüttelte den Kopf. „Okay, diesmal wirklich. Ich hasse es, ihm das zu verschweigen.“

„Ja, ich weiß. Ich muss mir nur genau überlegen, wie ich es ihm beichte.“

Laut atmete sie aus. „Gut. Dann sehen wir uns morgen. Schreib mir, wenn du fertig bist, wo wir uns treffen.“ Es kribbelte in ihren Fingerspitzen, als sie sich in ihr Auto setzte und zu ihrer Wohnung fuhr. Im Kopf zählte sie immer wieder die Straßen auf, die Gregor auf dem Plan markiert hatte. Sollte er es sich morgen anders überlegen, würde sie sich alle Punkte auf der Karte ansehen und die Gefahr ausschalten.

Schwarz wie deine Liebe

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