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David Friedländer, ein Vordenker der Emanzipation

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Eine Öffnung gegenüber der christlichen Umgebungsgesellschaft, wie sie der Mendelssohn-Schüler, Seidenwarenhändler und Publizist David Friedländer (1750–1834)16 und andere jüdische Notablen forderten, wurde allerdings mit einer schmerzlichen Gegenforderung gekontert: Von den Juden wurde seitens des Königs und seiner Behörden erwartet, dass sie sich im Zuge einer bürgerlichen Gleichstellung von ihren „überkommenen Traditionen und Bräuchen“ lösen würden. An anderer Stelle wird darüber noch ausführlich zu berichten sein.

Das Sich-Öffnen gegenüber der christlichen Umgebungsgesellschaft hatte für viele Juden tatsächlich schwer absehbare Konsequenzen. Zunächst kam es zu einer deutlich steigenden Konversionsrate zum Christentum, nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen preußischen Städten wie Breslau und Königsberg. Die Übertritte waren um 1800 unverhältnismäßig hoch. Dass immer mehr „Hausväter“ sich vom Judentum abwendeten, so klagte Friedländer, sei ein Sachverhalt, der unbedingt zur Kenntnis genommen werden müsse, wolle man verstehen, was das für die Juden bedeute.

Wie sehr David Friedländer, der selbst ein erfolgreicher Kaufmann und Unternehmer war, das Problem des Übertritts von Juden zum Christentum bewegte, wird deutlich in einem seiner Schreiben, die er an Karl August von Hardenberg richtete. In diesem war eine Liste mit etwa 50 Familien aufgeführt, die Angehörige durch die Taufe „verloren hatten“. Ausdrücklich erwähnt werden u.a. die Namen der Berliner Familien Itzig, Lewy, Flies, Ephraim, Magnus und Mendelssohn.17

Die Taufe, so gab Friedländer zu bedenken, beraube die Gemeinde ihrer besten und klügsten Köpfe. Dabei dachte er wohl auch an seine eigene Familie. Seine Schwiegertochter Rebecca hatte sich von seinem Sohn Moses scheiden lassen und ebenfalls den Gang zum Taufbecken gewählt. Der Staat, so meinte Friedländer seinerseits, müsste ein gesteigertes Interesse daran haben, dass die Juden im Judentum verblieben. Nur dann sei gewährleistet, dass ausreichend Steuern und Abgaben in die Kassen des Staates fließen würden.

Das Urteil über den Einfluss Friedländers bei den Beratungen, die im Vorfeld des Emanzipationsediktes von 1812 stattfanden, fällt bei den Historikern unterschiedlich aus. Die einen sehen in ihm einen Opportunisten, dem sie unterstellen, er hätte sich äußerst angepasst verhalten und eigentlich nichts wesentlich anderes im Sinn gehabt, als sich bei den tonangebenden Kreisen einzuschmeicheln.

Dieser Einschätzung haben im Rückblick manche Historiker allerdings deutlich widersprochen. Sie argumentieren ihrerseits, gerade das Beispiel Friedländer zeige, dass „er nicht bloß ein egoistischer Sprecher für seine Klasse war“, sondern dass er sich für das „Wohlergehen“ seiner Glaubensbrüder im Rahmen seiner damaligen Möglichkeiten eingesetzt habe.18

Doch wie auch immer man zu David Friedländer und seinen emanzipationspolitischen Bemühungen stehen mag: Zu seinen Gunsten spricht im Rückblick, dass seine Interventionen offensichtlich mit dazu beigetragen haben, dass es überhaupt zum Erlass eines Emanzipationsediktes kam.19 Ohne ihn hätte es vermutlich das Edikt von 1812 nicht gegeben, jedenfalls nicht in der Form, wie es dann erlassen wurde. Friedländer fertigte zahlreiche Gutachten an und war bemüht, im Rahmen seiner Möglichkeiten auf den Gang der Gesetzgebungsarbeiten Einfluss zu nehmen.

David Friedländer und seine Mitstreiter mussten allerdings immer wieder bei den Behörden antichambrieren, bis es ihnen gelang, ihr Anliegen an zuständiger Stelle vorzutragen. Erst als Karl August von Hardenberg 1810 in das Amt des Staatskanzlers berufen wurde, kam Bewegung in die Angelegenheit. Die Vorarbeiten für den Erlass einer fortschrittlicher gefassten Judenordnung traten in ein entscheidendes Stadium.

Auf jüdischer Seite war man der Hoffnung, dass es mit einer überarbeiteten Judenordnung zu einer deutlichen Verbesserung der rechtlichen und sozialen Lage der Juden kommen würde. Mit Hardenberg verband sich die Erwartung, hier hätte jemand die Verantwortung übernommen, der bereit sei, nicht nur zu reden, sondern auch politisch zu handeln.

„Der Jude“, so David Friedländer in einer seiner zahlreichen Eingaben und Stellungnahmen, die er bei den Behörden einreichte, „ist Mensch und Staatsbürger so gut wie jeder andere und in seinen Religionsbegriffen ist durchaus nichts, was seine Glaubwürdigkeit mehr zweifelhaft machen sollte, als die des Christen“. Empört widersprach Friedländer der nach wie vor in der christlichen Umgebungsgesellschaft weit verbreiteten Auffassung, eine Aufhebung der bis zu dieser Zeit geltenden Eidesbeschränkung würde eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit bedeuten. Wenn, so Friedländer, in dem neuen Gesetz nur der leiseste Verdacht zum Ausdruck käme, der Staat halte die Juden im Allgemeinen für lasterhafter als die übrigen Untertanen, so hätte die Reform eigentlich keinen Sinn.

Bedenken hatte Friedländer indes gegen die vorgeschlagene Aufhebung der jüdischen Ritualgesetze, was insofern bemerkenswert ist, als er sich noch im „Sendschreiben“ an Propst Teller, von dem noch an anderer Stelle die Rede sein wird, durchaus nicht abgeneigt gezeigt hatte, für die Gewährung der Staatsbürgerrechte Abstriche von den Ritualgesetzen zu machen. Jetzt vertrat er die Ansicht, es würde ausreichen, wenn es hieße: „Die Bekenner der jüdischen oder mosaischen Religion sind zu allen Diensten, Pflichten u. Vorschriften der Landesobrigkeit, ohne alle Ausnahme oder Einschränkung […] gleich jedem anderen Unterthanen verbunden und verpflichtet […].“20

Unterstützung erfuhren Friedländer und seine Mitstreiter insbesondere durch den braunschweigischen Kammeragenten und Präsidenten des Westfälischen Konsistoriums Israel Jacobson (1768–1828). Jacobson, befreundet oder zumindest bekannt mit Hardenberg, wandte sich am 14. Februar 1811 an diesen mit der Bitte, sich für seine Glaubensbrüder entschieden einzusetzen. „Es scheint unerklärbar“, führte er aus, „wie der preußische Staat, dessen Regenten von jeher die Fackel der Aufklärung […] am kräftigsten verbreitet haben, mit der Regeneration der Israeliten zurückgeblieben sind.“21

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