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Die Hoffnung auf bessere Zeiten

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Der Gleichstellungsprozess der Juden in Preußen ist auf diskursiver Ebene von zwei Seiten her argumentativ und engagiert angeschoben worden. Zum einen waren es gebildete Nicht-Juden, aufgeklärte Geister wie der Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing, der Buchhändler Friedrich Nicolai und der preußische Beamte Christian Wilhelm Dohm, die sich für die Juden einzusetzen begannen. Geprägt und überzeugt von den Ideen der Toleranz und Humanität, hofften auch sie, dass diese Ideen die Menschheit läutern und somit auch Auswirkungen auf die Lage der Juden haben würden. Das Bekenntnis zur Vernunft, so meinte man, würde den Umbau der rechtlichen, sozialen und politischen Verhältnisse ermöglichen.

Und die bessere Welt, von der die Aufgeklärten träumten, schien durch die allgemeinen Entwicklungen tatsächlich in erreichbare Nähe zu rücken. Überall war zu hören, der Mensch sei von Natur aus nicht nur gut, sondern auch in der Lage, vernunftgeleitet und vorbehaltlos den anderen als anderen zu akzeptieren. Lessings „Nathan der Weise“ mag bei der Ausbildung dieser Überzeugung eine wichtige Rolle gespielt haben. Das Werk, bald auch auf der Bühne zu sehen, verkörperte die neue Gesinnung, der man sich zunehmend verpflichtet fühlte.

Zu der Gruppe von nichtjüdischen Protagonisten gehörten außer Christian Wilhelm Dohm auch Persönlichkeiten wie der Staatsmann und Reformer Karl August von Hardenberg oder der Gelehrte, Schriftsteller und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt, die sich aktiv für die Gleichstellung der Juden einsetzten. Aber auch sie waren, das war deutlich erkennbar, nicht nur von den herrschenden Toleranz- und Humanitätsideen, sondern auch von Nützlichkeitserwägungen geleitet.

Zumeist waren sie Anhänger des Merkantilismus, also in der Regel auch überzeugte Rationalisten. Sie sahen keinen triftigen Grund, die Ansiedlung der Juden zu beschränken oder ihnen bürgerliche Rechte vorzuenthalten. Im Gegenteil: Ihrer Ansicht nach würden durch eine Vergrößerung der Bevölkerung – auch der jüdischen – Staat und Wirtschaft profitieren. Durch die Erteilung von Handels- und Generalprivilegien an unternehmende jüdische Kaufleute, argumentierten sie, würden ökonomische Vorteile für den preußischen Staat zu erwarten sein.

Weder die Aufklärung noch die Botschaft der Französischen Revolution von 1789 gaben jedoch den entscheidenden Anstoß für den Beginn des Emanzipationsprozesses in den deutschen Ländern. Der Historiker Heinrich Schnee vertrat sogar die Ansicht, der Emanzipations- und Gleichstellungsprozess sei hauptsächlich das Werk einzelner jüdischer Hoffaktoren gewesen. Für Preußen scheint diese These indes gar nicht so abwegig. Zweifellos haben in Preußen einzelne „privilegierte“ und „generalprivilegierte“ Juden ihren Einfluss am Hof nach Kräften genutzt, um den Prozess der bürgerlichen Gleichstellung ihrer Glaubensbrüder voranzutreiben beziehungsweise deren Lage zu verbessern.

Die Itzigs, die Ephraims, Gumperts, Fraenkels, aber auch die Friedländers haben sich nicht nur im jüdischen Gemeindeleben engagiert, sondern sind auch außerhalb der Gemeinde als Anwälte und Sachwalter jüdischer Interessen aufgetreten. Allein dadurch, dass sie mit Nachdruck Forderungen gegenüber den Behörden erhoben, haben sie dazu beigetragen, das Selbstbewusstsein mancher ihrer Glaubensbrüder zu stärken. Dies ist ein Einflussfaktor, der beim Emanzipationsprozess der Juden in Deutschland lange Zeit nicht beachtet oder unterschätzt worden ist.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts waren im Preußen von Friedrich II. auch auf jüdischer Seite zunehmend Stimmen zu hören, die die Gleichstellung sowohl aus Gründen der Humanität und Toleranz als auch aus Gründen der Nützlichkeit einforderten. Moses Mendelssohn und seinen Anhängern war durchaus bewusst, dass, wenn man im politischen Raum überhaupt etwas erreichen wollte, es erforderlich sein würde, bestimmte Argumentationsstränge miteinander zu verknüpfen. Toleranzideen und Nützlichkeitserwägungen, davon waren sie überzeugt, würden sich nicht widersprechen, sondern könnten sich sogar ergänzen.

Einer der jüdischen Protagonisten, die sich in diese Richtung auch öffentlich äußerten, war Ephraim Veitel Ephraim (1729–1803), seines Zeichens ein „Generalprivilegierter“. Wie bereits sein Vater hatte er es unter Friedrich II. zu einigem Einfluss gebracht. Über sein Leben ist gleichwohl nur wenig bekannt, so etwa, dass er sich 1782 vom damaligen Prinzen von Preußen mit den hochtrabenden Titeln eines „Wirklichen Hof-, Krieges- und Cammer-Agenten“ hatte ausstatten lassen. Dessen ungeachtet hat er in einer Denkschrift, die er 1785 veröffentlichte,10 in beachtenswerter Kenntnis der damaligen Zustände Verbesserungsvorschläge zur Lage der Juden im friderizianischen Preußen gemacht.

Vor allem wies Ephraim Veitel Ephraim in dieser Denkschrift auf die den Juden auferlegten unerträglichen Steuerlasten und die damit zusammenhängenden Ungerechtigkeiten hin. Er belegte das am Beispiel der Gelder, die als Ersatz für den Juden nicht zugänglichen Militärdienst abgeführt werden mussten. Nach Ansicht Ephraims wäre es für den preußischen Staat nützlicher und vorteilhafter, wenn diese Ungerechtigkeiten nicht hingenommen, sondern behoben würden. Die Juden sollten, so meinte er, vermehrt zu den Handwerksberufen zugelassen werden. Das hätte dann den unbestreitbaren Vorteil, dass Konkurrenz entstehen und Waren zu billigeren Preisen auf den Markt kommen würden.

Die Ephraimsche Denkschrift ist ein Beleg mehr dafür, dass die Judenemanzipation in Preußen zu gleichen Teilen von der aufgeklärten Beamtenschaft Friedrichs II. wie auch durch die Bemühungen einiger privilegierter Juden vorbereitet wurde. Dass Ephraim Veitel Ephraim stark von den Mendelssohnschen Aufklärungsideen beeinflusst war, lässt eine Bemerkung in der Denkschrift erkennen. „Die Welt“, heißt es da, „ist zu klug geworden, als daß ihr der bloße Name der Juden gehäßig sein sollte. Man ist darin einstimmig, daß Türken, Juden, Heiden usw. als Menschen anzusehen sind, sobald sie nur gegen ihre Nebenmenschen rechtschaffen handeln.“11

Mit konkreten öffentlichen Stellungnahmen hielt sich allerdings auch Moses Mendelssohn auffallend zurück. Seine Glaubensbrüder warnte er sogar, sich an der Debatte über die Emanzipation der Juden allzu sehr zu beteiligen. Ratsamer sei es, so meinte er, wenn diese Debatte nicht von Juden, sondern in erster Linie von den Nichtjuden geführt werde.

Für Mendelssohn hat diese Aufgabe der mit ihm befreundete Diplomat und politische Schriftsteller Christian Wilhelm Dohm (1751–1820) übernommen. Mendelssohn beriet ihn beim Niederschreiben seiner Schrift „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden“ (1781). Manche der in dieser Schrift, die von der Geschichtsschreibung als „Bibel der Emanzipation“ gefeiert wird, nachzulesenden Gedankengänge lassen deutlich Mendelssohnsche Überlegungen erkennen. Andere stammen zweifelsfrei von Dohm selbst und zeigen in seiner Person den aufgeklärten preußischen Beamten, der die Ansicht vertrat, die schlechte Lage der Juden sei insbesondere auf die ablehnende Haltung der christlichen Umgebungsgesellschaft gegenüber den Juden zurückzuführen.

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