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1.2 Das Parlament (Titel III, Art. 66–96)

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Das Parlament, die Cortes Generales, repräsentiert das spanische Volk und besteht aus zwei Kammern, dem Abgeordnetenkongress und dem Senat. Die Cortes verfügen über die Legislativgewalt, genehmigen die Staatshaushalte und kontrollieren die Arbeit der Regierung. Direkt verantworten muss die Regierung ihre Politik allerdings ausschließlich vor dem Kongress und nicht vor dem Senat (Art. 108). Der Kongress, die dem deutschen Bundestag vergleichbare erste Kammer, setzt sich laut Verfassung aus 300–400 Abgeordneten zusammen (in der aktuellen Legislaturperiode sind es 350), die alle vier Jahre gewählt werden. Die Wahlbezirke entsprechen den Provinzen. Die Zahl der Abgeordneten, die einen Wahlkreis vertreten, errechnet sich aus einem gesetzlich verankerten Minimum von zwei Abgeordneten pro Wahlkreis (für Ceuta und Melilla je einer) zuzüglich einem der Einwohnerzahl proportionalen Anteil. Um der neuen Demokratie von vornherein mehr Stabilität zu geben als die Zweite Republik hatte, wurde das Wahlsystem so ausgelegt, dass eine Zersplitterung in kleine Parteien möglichst ausgeschlossen wurde. Dabei gilt für den Kongress das Verhältnis-, für den Senat das Mehrheitswahlrecht. Eine Sperrklausel soll den Einzug von Splittergruppen ins Parlament verhindern: nur die Wahllisten können Abgeordnete entsenden, die mindestens 3 % der Stimmen im Wahlkreis erhalten haben. Diese Klausel ist in der Praxis allerdings nur in den Ballungszentren relevant, da in den dünner besiedelten Provinzen die Parteien ohnehin einen höheren prozentualen Anteil erreichen müssen, um überhaupt ein Mandat zu ergattern. Da die 3 %-Klausel wahlkreisbezogen gilt (im Gegensatz zur deutschen bundesweit gültigen 5 %-Hürde), wird regionalen Parteien die parlamentarische Repräsentanz überproportional ermöglicht. Das Verteilungsverfahren und die sehr unterschiedliche Größe der Wahlkreise führen dazu, dass einerseits die großen Parteien, andererseits die Regionen bevorteilt werden.

Die zweite Parlamentskammer, der Senat, wird in der Verfassung als Kammer der Territorialvertretung definiert, d.h. er soll primär die Belange der Comunidades Autónomas auf zentralstaatlicher Ebene repräsentieren. Ob er dieser Funktion aber aufgrund seiner Struktur und Kompetenzen tatsächlich gerecht werden kann, ist im Grunde seit Inkrafttreten der Verfassung umstritten. Zunächst fällt seine hybride Zusammensetzung ins Auge: Anders als im Bundesrat, in den die Regierungen der Bundesländer Mitglieder entsenden, wird im Senat der weitaus größte Teil der 259 Mitglieder, nämlich 208, wie die Kongressabgeordneten in allgemeiner und freier Wahl für vier Jahre gewählt, und zwar vier und zwei Senatoren je Provinz. Diese Wahlen finden zeitgleich mit den Kongresswahlen statt und weisen in der Regel dann auch sehr ähnliche Ergebnisse auf. Die restlichen 51 Senatoren werden durch die Parlamente der Comunidades Autónomas ernannt, und zwar je CA ein Senator plus je ein weiterer pro Million Einwohner. Bei der Ernennung wird der Parteienproporz im jeweiligen Regionalparlament zugrunde gelegt. Damit werden Autonomie-Struktur und Bevölkerungsdichte zwar ansatzweise berücksichtigt, zu einer tatsächlichen Länderkammer wird der Senat aber dadurch noch nicht.

Neben der Zusammensetzung des Senats wird die Reichweite seiner Kompetenzen seit langem diskutiert, die seinen Handlungsspielraum im Vergleich zum Kongress deutlich einengt. So verfügt er zwar auch über das Gesetzesinitiativrecht, aber die erste Lesung der Gesetzesvorlagen findet im Kongress statt. Hat dieser die Vorlage gebilligt, reicht er sie an den Senat weiter, der innerhalb einer Frist von zwei Monaten Änderungen beantragen oder – nur mit absoluter Mehrheit – sein Veto einlegen kann. Damit geht der Gesetzesentwurf an den Kongress zurück, der zu Änderungsvorschlägen mit einfacher Mehrheit Stellung nehmen muss bzw. ein Veto des Senats seinerseits mit absoluter Mehrheit zurückweisen kann. Nach Verstreichen einer Zwei-Monats-Frist genügt zum Zurückweisen des Vetos auch die einfache Mehrheit. Nur bei Anträgen auf Verfassungsänderung ist auch die Zustimmung des Senats mit ⅗-Mehrheit erforderlich. Dieses Reglement zeigt, dass der Senat, sollte sein politischer Wille dem des Kongresses zuwiderlaufen, kaum Möglichkeiten hat, diesen dem Kongress gegenüber durchzusetzen. Außerdem sind die Materien, in denen der Senat Vorrechte genießt, von wesentlich geringerer Tragweite: Er kann die Regierung autorisieren, Maßnahmen gegenüber den Comunidades Autónomas zu ergreifen, um die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen durchzusetzen; er wird vor dem Kongress gehört zu Fragen der Ausstattung und Verteilung des interterritorialen Ausgleichfonds und zur Autorisierung von Kooperationsabkommen zwischen Comunidades Autónomas.

Ein Schritt in Richtung Länderkammer wurde am 11.1.1994 mit der Änderung der Geschäftsordnung des Senats getan. Zum einen wurde der Gebrauch der Regionalsprachen, die in ihrer jeweiligen CA offiziellen Status besitzen, nun auch im Senat bei bestimmten Gelegenheiten zugelassen. Die zweite und bedeutendere Neuerung bestand in der Einsetzung der sog. Comisión General de las Comunidades Autónomas. Diese Kommission unterscheidet sich von den übrigen Senatsausschüssen in wichtigen Punkten. Sie setzt sich aus Senatoren sowie Vertretern der Zentralregierung und der autonomen Regierungen zusammen. Die Zahl der stimmberechtigten Mitglieder ist mit 50 Senatoren doppelt so hoch wie in den sonstigen Kommissionen. Darüber hinaus sind alle von den Comunidades Autónomas ernannten Senatoren, die Mitglieder der Zentralregierung sowie die Präsidenten der Comunidades Autónomas (oder von ihnen delegierte Mitglieder des jeweiligen Regierungsrats) zu den Sitzungen der Kommission zugelassen. Wie dem Senat selbst steht dieser Kommission eine Mesa, ein Präsidium, vor, das sich aus einem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und vier Sekretären zusammensetzt. Neben den üblichen Aufgaben der Parlamentsausschüsse obliegt es dieser Kommission, Berichte über die Relevanz jeder Gesetzesvorlage für die Comunidades Autónomas zu verfassen. Damit soll den Comunidades Autónomas, insbesondere ihren Regierungen, Gelegenheit gegeben werden, am politischen Entscheidungsprozess in Autonomiefragen mitzuwirken.

Im Gegensatz zu den Kompetenzen folgen die Arbeitsweisen beider Kammern weitgehend identischen Richtlinien. Beide Kammern wählen ihren Präsidenten und die weiteren Mitglieder des jeweiligen Präsidiums (Mesa). Die Abgeordneten sind, wie in Deutschland, nicht an ein imperatives Mandat gebunden. Die Fraktionsdisziplin ist dennoch in der Praxis sehr groß, da die Wiederwahl der Abgeordneten ja davon abhängt, ob sie von ihrer Partei wieder auf die Liste gesetzt werden. Die beiden jährlichen Sitzungsperioden dauern von September bis Dezember und von Februar bis Juni. Daneben können auf Antrag der Regierung, der Diputación Permanente oder der absoluten Mehrheit jeder der beiden Kammern außerordentliche Sitzungen einberufen werden. Die Diputación Permanente, die jede Kammer zu bilden hat, besteht aus mindestens 21 Mitgliedern, die die parlamentarischen Fraktionen proportional repräsentieren. Ihre Funktion ist es, außerhalb der Sitzungsperioden oder im Falle der Auflösung der Kammern deren Aufgaben zu übernehmen. Die Arbeit der Kammern findet in öffentlichen Plenarsitzungen (falls die Kammer nicht mehrheitlich den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließt), vor allem aber in Ausschüssen (Comisiones) statt, deren Zusammensetzung sich nach der Verteilung der Fraktionen im Parlament richtet. Die sog. legislativen Ausschüsse bearbeiten die dem Parlament vorgelegten Gesetzesentwürfe, während die Untersuchungsausschüsse der Kontrollfunktion des Parlaments entsprechen und sich mit allen Angelegenheiten des öffentlichen Interesses beschäftigen können.

Das Initiativrecht in der Gesetzgebung liegt, wie in Deutschland, bei der Regierung und beiden Parlamentskammern. Aber auch die Comunidades Autónomas können die Regierung um die Annahme eines Gesetzesprojekts ersuchen oder beim Präsidium des Kongresses einen Gesetzesentwurf einreichen. Und schließlich sieht die Verfassung die Möglichkeit einer Bürgerinitiative vor, die ein Minimum von 500.000 Unterschriften vorweisen muss, um Gesetzesvorschläge zu unterbreiten. Was die direkte Einflussnahme der Bürger angeht, hat der einzelne Bürger auch die Möglichkeit, schriftliche Petitionen an die Kammern zu richten, die von diesen wiederum an die Regierung weitergeleitet werden können. Bei politischen Entscheidungen von besonderer Tragweite kann der Kongress den Regierungspräsidenten ermächtigen, dem König die Ausrufung eines Referendums vorzuschlagen (wie etwa 1986 in der Frage des Verbleibs Spaniens in der NATO geschehen).

Die Cortes können die Regierung ermächtigen, Rechtsverordnungen in bestimmten Bereichen zu erlassen, die Gesetzescharakter annehmen. Diese Befugnis wird allerdings nur für den jeweiligen Gegenstand und eine festgelegte Frist erteilt und kann von der Regierung nicht weiter übertragen werden. Seit Januar 2011 können in den spanischen Cortes die offiziellen Sprachen der Nation sowohl mündlich als auch im Schriftverkehr gleichberechtigt verwendet werden.

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