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2. Identifikation des Forschungsgegenstands Verfassungsgerichtsbarkeit

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Gegenstand dieses Bandes ist die Verfassungsgerichtsbarkeit, die er ungeachtet der zuvor beschriebenen Schwierigkeiten begrifflich identifizieren muss. Ein Begriff impliziert jedoch kein Modell. Doch auch bei der Begriffsbildung ist vorsichtig vorzugehen. Wie die Beiträge dieses Bandes zeigen, lagern im Begriff der Verfassungsgerichtsbarkeit zentrale und bisweilen inkommensurable konstitutionelle Erfahrungen des jeweiligen Mitgliedstaates.[87]

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Ein Begriff für den innereuropäischen Vergleich von Verfassungsgerichtsbarkeit muss verarbeiten, dass drei ganz unterschiedliche Entwicklungslinien verfassungsgerichtliche Institutionen hervorgebracht haben und weiter prägen, die allerdings in keinem Exklusivverhältnis stehen.[88] Eine Linie ergibt sich aus der föderalen Spannungslage, für die in diesem Band vor allem Österreich, die Schweiz und Belgien stehen.[89] Die zweite Linie erklärt sich aus der Reaktion auf autoritäre Herrschaft und die Unsicherheiten demokratischen Regierens. Für sie stehen in diesem Band die Verfassungsgerichte Deutschlands, Italiens, Polens, Portugals, Spaniens und Ungarns. Die dritte Linie ist europäischen Entwicklungen zu verdanken, dem Erstarken der Menschenrechte im Rahmen der EMRK und der europäischen Integration. So werden in den Niederlanden alle Gerichte als europäische Verfassungsgerichte begriffen.[90] Diesen Entwicklungen sind auch die Innovationen in Finnland,[91] die gar nicht mehr so zarten Ansätze verfassungsgerichtlicher Funktionen im Vereinigen Königreich[92] sowie die komplizierte Dynamik in Frankreich zu verdanken.[93]

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Ein Begriff der Verfassungsgerichtsbarkeit, der diese Entwicklungen fasst, kann nur ein fuzzy concept sein.[94] So formuliert das Statut der Konferenz der europäischen Verfassungsgerichte, dass Mitglieder mit der Wahrung der Verfassungsmäßigkeit betraute Institutionen aus Europa sein können, die ähnlich wie Verfassungsgerichte über liberaldemokratische Verfasstheit wachen. Dies verlangt nach § 6 des Status eine verfassungsgerichtliche Zuständigkeit, insbesondere im Bereich der Normenkontrolle, richterliche Unabhängigkeit, Verpflichtung auf demokratisch-rechtsstaatliche Grundsätze und den Schutz der Menschenrechte. Noch weiter ist das Verständnis der Venedig-Kommission: “For the purposes of this study, the term ‘constitutional courts’ refers not only to judicial bodies with the name ‘Constitutional Court’ but also to equivalent bodies of last instance which review constitutionality.“[95] Sie umfasst auch die Gerichte Finnlands und der Niederlande und entspricht dem hier zugrunde gelegten Verständnis. Dies erlaubt es, auch den EuGH und den EGMR mit ihrer verfassungsgerichtlichen Funktion für den europäischen Rechtsraum darunter zu fassen; entsprechend sind sie Gegenstand des Bandes VII des Ius Publicum-Projekts.

§ 95 Verfassungsgerichtsbarkeit im europäischen Rechtsraum › III. Eckpunkte innereuropäischer Verfassungsgerichtsvergleichung › 3. Methodische und rechtliche Grundfragen

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