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KAPITEL 8

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Bissspuren

Quellen: E. L., Madame S.

Ein Boot wäre die schnellere Verbindung zurück zur Stadt gewesen, doch selbst wenn ich eines gefunden hätte, wäre ich durchnässt und seekrank angekommen, die Fährfrau hätte mich im Kampf gegen den Wind einmal zur Hölle und zurück geschickt. So saß ich nun dankenswerterweise in der dunklen Kabine einer Kutsche, nur der leichte Schimmelgeruch, das zeitweilige Geräusch des Regens und der Hufschläge leisteten mir Gesellschaft. Ich hoffte, ich wäre nicht zu spät dran und Madame Sparv würde mir einen starken Kaffee mit Zuckerstücken und Sahne kochen.

Nahe der Sankt-Nikolai-Kirche stieg ich aus, um noch ein wenig frische Luft zu schnappen, und wankte die dunkle, nebelverhangene Gråmunkegränd hinunter. Aus den Vorderfenstern kam ein einladender Lichtstrahl, also stieg ich die Treppen hinauf und klopfte. Katarina öffnete einen Spaltbreit, sagte aber nichts, ihre müden Augenringe sahen aus wie blaue Flecke.

»Ich wurde um elf erwartet, Katarina, habe mich aber leider verspätet.«

»Madame Sparv hat eine private Unterredung, Herr Larsson, und es ist schon spät.« Sie wollte mir wieder die Tür vor der Nase zumachen, aber ich zog die Spitzenrolle aus meinem Ledersack und reichte sie ihr. Ihre Augen weiteten sich ungläubig, sie nahm die Rolle und sagte, ich solle ihr in den Warteraum folgen. Sie ging auf Zehenspitzen, und ich tat es ihr in meinem betrunkenen Zustand gleich, denn ich wollte die Hausherrin nicht stören, die sicherlich mit den Geistern der Geschäftstüchtigkeit verbunden war.

Nach dem Spaziergang war mir nass und kalt. Ich zog mein Cape und die Stiefel aus, hängte sie zum Trocknen neben den Ofen und setzte mich. Meine Füße verbreiteten einen fürchterlichen Gestank, und so öffnete ich das Fenster, um zu lüften, zitterte aber bald in der kalten Nachtluft. Vor Unbehagen ging ich auf und ab und steckte alle paar Runden meinen Kopf durch die Tür, um nachzusehen, ob Madame Sparvs später Kunde sich endlich verabschieden würde. Dann hörte ich tatsächlich ihre Schritte auf der Treppe, und die Tür öffnete sich knarzend.

»Sie kommen zu spät«, sagte Madame Sparv.

»Aber ich habe einen Eid abgelegt.«

Sie sah auf meine nackten Füße und rümpfte die Nase, dann brachte sie ihren Kunden hinaus. Ich zog schnell meine Stiefel an. Als Madame Sparv zurückkam, stellte sie sich mit verschränkten Armen in die Tür. »Haben Sie eine Entschuldigung?«

»Ich wurde bei der Arbeit auf Skeppsholmen aufgehalten. Sie wissen, dass meine Stelle beim Amt auf der Kippe steht, und ich kann mich nicht drücken, nicht einmal um des Oktavos willen«, sagte ich.

Empört schüttelte sie den Kopf, und wir gingen ins obere Zimmer hinauf.

»Heute Nacht erscheint der Kurier. Ich hoffe, er ist bereits in der Nähe, denn ich bin sehr müde.« Gähnend legte sie das Diagramm und das Kartendeck auf den Tisch.

Doch der Kurier muss in Schonen gewesen sein – er brauchte fast neun Runden, um zu kommen.

»Sehen Sie sich das an – noch mehr Stempelkissen. Aber auf dem Paket, das er trägt, steht ein Weingefäß, das Zeichen Ihres Gefährten«, sagte sie.

»Ich habe Carlotta heute einen Brief geschrieben«, sagte ich und versuchte fieberhaft, mich an die Einzelheiten von heute Morgen zu erinnern. »Der Sohn meiner Vermieterin hat ihn überbracht.«

Madame Sparv ignorierte meine Erregung. »Ihr Kurier wird ein zuverlässiger Bote sein, entweder bringt er Ihnen ein Schreiben, oder er liefert eines für Sie aus. Das kann ein Mal oder auch öfter geschehen. Denken Sie doch, wie viele Leben sich verändert haben durch einen Brief, der verlorenging, oder durch eine Nachricht, die genau in der Stunde der Not eintraf.«

»Ich muss mich vergewissern, ob der Brief überbracht wurde«, sagte ich und erhob mich halb vom Stuhl.

Madame Sparv tätschelte meinen Arm. »Konzentrieren Sie sich auf das hier. Die Vier ist geerdet, der Kurier wird also seriös und ehrlich sein, ein praktisch veranlagter Mann, der mit wertvoller Ware handelt. Und er ist fleißig, denn hier sind wieder Rohrkolben. Nach seinen eleganten Kleidern zu urteilen, ist er auch erfolgreich. Aber er blickt zurück auf etwas, und das ist nicht sein Gehilfe. Er hat Angst, dass man ihm folgt. Oder vielleicht empfindet er Reue.«

»Es kann gar keinen anderen Weinhändler geben außer Vingström«, sagte ich und drehte mich zur Tür.

»Haben Sie mir überhaupt zugehört?«, fragte sie.

Draußen setzte ein Regenschauer ein. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her und sah wieder Madame Sparv an. »Vielleicht haben Sie sich in Bezug auf diese Vision geirrt – ich hatte noch nie Glück im Leben.«

»Nein, es war kein Irrtum, die Vision bezog sich auf Sie. Und Glück ist meistens das Ergebnis harter Arbeit«, sagte sie mit müde klingender Stimme.

Ich nickte und spielte mit dem flüssigen Wachs, das sich in einem erloschenen Kerzenstumpen sammelte.

»Emil, warum zaudern Sie?«, fragte sie nun liebevoller.

»Es … es hieß früher, ich sei verflucht, Madame Sparv.«

»Das halte ich für unwahrscheinlich.« Sie zündete die Kerze wieder an, ging aber nicht zum Tisch zurück, sondern setzte sich in einen der beiden Lehnstühle am Ofen. »Aber erzählen Sie mir davon, ein mitfühlenderes Ohr werden Sie nicht finden.«

»Ich war fast zwölf, als meine Mutter mit einem unehelichen Kind schwanger war. Sie fürchtete, die Geburt nicht zu überleben, und wollte mir unbedingt von meiner eigenen Geburt erzählen. Anscheinend wurde ich mit zwei winzigen Zähnchen in meinem rosafarbenen Unterkieferzahnfleisch geboren. Meine Mutter behauptete, ich sei begnadet, die alte Hebamme aber holte umgehend den Pfarrer und nannte es das ›Zeichen der Bestie‹. Sie erzählte es überall herum, und die alten Weiber in der Katharinenkirche spuckten auf den Boden und hoben abwehrend die Hand gegen den bösen Blick, als meine Mutter mich dort taufen ließ. Bald tuschelte ganz Södermalm. Die Hausnachbarn vom unteren Stockwerk meinten, ich sei wohl ein Troll und man solle mich in die Berge zurückbringen. Andere schlugen meiner Mutter vor, mich zum Barbier zu bringen und diese Zähne ziehen zu lassen – besser, gar keine Zähne zu haben, denn als Sohn des Satans heranzuwachsen und dem Gesegneten die Hand abzubeißen. Mutter weigerte sich, und die Nachbarn verziehen es ihr nie.« Ich ging auf die andere Seite des Raums und setzte mich auf die Armlehne des Stuhls Madame Sparv gegenüber. »Als ich größer wurde, sorgte Mutter dafür, dass ich immer in ihrer Nähe war, und ließ mich verschwinden, indem sie mich in die Falten ihrer Röcke drückte. Sie brachte mir bei, den Mund zu halten und unter keinen Umständen auf mich aufmerksam zu machen. So lernte ich, zu beobachten und zuzuhören. Ich lernte, ein Niemand zu sein. Als ich meine Mutter fragte, was aus diesen Babyzähnen geworden sei, sagte sie mir, dass sie binnen vierzehn Tagen nach meiner Geburt wundersamerweise verschwunden wären.«

Madame Sparv war ganz rot geworden vor Ärger über meinen Bericht. »Und wie das?«

»Ich glaube, Mutter hat sie gelockert und gezogen. Vielleicht sind sie auch ausgefallen. Jedenfalls sind mein Vater und meine Mutter im Grab gelandet, und meine Schwester wurde tot geboren. Manchmal frage ich mich, ob ich wirklich verflucht bin.« Ich schluckte trocken und fing dann wieder ihren Blick auf. »Sehen Sie doch, wie die Dinge jetzt mit Carlotta stehen! Wie soll ich Liebe und Verbundenheit finden, wenn der Teufel mich ausersehen und gezeichnet hat?«

»Unsinn. Der Teufel kann Sie nicht zeichnen. Aber manche Leute wollen sein Zeichen unbedingt in anderen sehen, vor allem in unsicheren Zeiten. Die Angst übertrumpft die Vernunft, und bevor die Leute überhaupt anfangen, das Gute zu suchen, haben sie das Schlechte schon gefunden.« Sie stand auf, ging zum Tisch und beugte sich über die fünf Karten. »Sie sind zu etwas ganz anderem ausersehen, Herr Larsson. Wenn das Oktavo vollständig ist, werden Sie es verstehen.«

Das Stockholm Oktavo

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