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17. Szene

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Wien. In der Kaffeesiedergenossenschaft. Vier Cafefiers, darunter Riedl, treten auf. Alle reden heftig auf ihn ein.

Der Erste: Das geht nicht, Riedl, du bist ein Padriot und schlichter Gewerbsmann, du därfst das nicht – schau, es is ja nur solang der Krieg dauert, später kriegst es ja eh wieder zruck.

Der Zweite: Riedl, mach mich nicht schiach, du komprimierst den ganzen Stand, dessen Zierde du heute bist – du mußt, ob du wüllst oder nicht, du mußt!

Der Dritte: Loßts 'n gehn, mir folgt er. Riedl, sei net fad. Bist du ein Wiener? No alstern! Bist du ein Deutscher? No alstern!

Riedl: Aber schauts, wie schaut denn das nacher aus im nächsten Lehmann – immer war ich der, der was am meisten Orden im Weichbild Wiens g'habt hat, so viel wie über mich steht – über keinen drin –

Der Erste: Riedl, ich kann dir's nachfühlen, daß dir das schwer fallt, aber du mußt ein Opfer bringen. Riedl, das wär eine Blamage, das wär geradezu Hochverrat, wo bei dir so viele Schlachtenlenker verkehren und einer gar Stammgast is!

Der Zweite: Schau, wir alle bringen Opfer in dera großen Zeit, ich hab sogar den Schwarzen statt auf vier fufzig bloß auf vier vieravierzig hinaufgsetzt, a jeder muß heuntigentags sein Scherflein beitragen –

Der Dritte: Lächerlich, das kann ich gar nicht glauben, daß der berühmte Padriot Riedl, der Obmann, der Kommandant von die Marine-Veteraner – hörts mr auf, der Tegethoff drehert sich im Grab um, wann er das erfahret. Dös glaub i net! Riedl, du, der einzige von uns, der schon bei Lebzeiten ein Denkmal hat –

Riedl: Bitte und eins, was ich mir selber gsetzt hab! Ich bin nämlich ein Senfmadlmann durch und durch – an meinem eigenen Haus, meiner Seel und Gott, jedesmal wann ich z'haus komm, hab ich eine Freud mit dem schönen Relif!

Der Erste: Na alstern, hast du da die Pletschen von unsere Feind nötig? Alle mußt ablegen Riedl, alle, selbst von Montenegro, und sogar den Orden von der Befreiung von der Republik Liberia!

Riedl: Hörts auf, den auch? Speziell der war immer mein Stolz. Schauts, wo ich aufs Jahr ohnedem mich mit dem Gedanken trage, zurückzutreten – nein, es ist unmöglich!

Der Zweite: Riedl, du mußt.

Der Dritte: Riedl, es bleibt dir nix übrig.

Riedl: Am End den Franzjosefsorden auch?

Der Erste: Aber im Gegenteil, den kannst jetzt im Lehmann fett drucken lassn!

Riedl (kämpft mit sich, dann mit großem Entschluß): Alstern gut ich will es tun! Ich weiß, was ich dem Vaterlande schuldig bin. Ich verzichte auf die Ehrungen, die mir die feindlichen Regierungen erwiesen haben, die Saubeuteln! Ich würde nicht einmal das Geld für den Klumpert zrucknehmen!

Alle (durcheinander): Hoch Riedl! – Das is halt doch unser Riedl! – Es lebe die Wienerstadt und unser Riedl! – Der Stephansturm soll leben und unser Riedl daneben! – Gott strafe England! – Er strafe es! – Nieder mit Montenegro! – Schmeiß'n weg! – Der Riedl is der größte Padriot!

Riedl (sich die Stirn wischend): Ich danke euch – ich danke euch – gleich telephonier ich zhaus, daß sie's zum Roten Kreuz hintragen. Morgen werds ihr schon lesen können – (er wird nachdenklich) Hier steh ich, ein entleibter Stamm.

Der Zweite: Schauts, wie gebildet der Riedl is, jetzt redt er sogar schon klassisch.

Riedl: Das is nicht klassisch, das sagt immer der Doktor vom Exrablatt, wenn er im Angehn verliert. Jetzt – (gebrochen) verlier ich!

Der Dritte: Nicht traurig sein, Riedl! Nicht traurig sein! Was d' jetzt hergibst, später kriegst es doppelt und dreifach wieder herein. Und vielleicht früher, als wie du glaubst.

(Ein Kellner stürzt in das Zimmer.)

Der Kellner: Herr von Riedl, Herr von Riedl, eine Karten is kommen, d' Fräuln Anna hat g'sagt, ich soll laufen – das is großartig – das ganze Lokal is in Aufregung –

Riedl: Gib her, was is denn – (liest, vor freudigem Schreck zitternd) Meine Herrn – in dieser Stunde – es is ein historischer Augenblick – ich hab als Padriot und schlichter Gewerbsmann, wo ich von meinen Mitbürgern zahllose ehrende Beweise ihrer Anhänglichkeit – indem ich als Obmann – aber so etwas – nein – schauts her –

Alle: Ja, was is denn?

Riedl: Mein glorreichster Stammgast – unser erstklassigster Schlachtenlenker – hat – während der Schlacht – an mich – gedacht! Halts mich! Das muß ich – dem – Extrablatt –

(Alle halten ihn und lesen.)

Der Erste: No geh, ich hab weiß Gott was glaubt. Was der für G'schichten macht! Ich hab gestern eine Karten vom Brudermann kriegt – (zieht sie aus der Tasche).

Riedl: Hör auf, das is mir peinlich –

Der Zweite: No hörts, was is denn da dabei, ihr seids ja narrisch – mich touchiert so etwas nicht. Ich hab nämlich vorgestern vom Pflanzer-Baltin – (zieht sie aus der Tasche.)

Der Dritte: Ihr bildts euch alle an Patzen ein. Ich hab zufällig schon vorige Wochen vom Dankl – (zieht sie aus der Tasche.)

Alle drei (lesen gleichzeitig vor): In dieser Stunde, in der ich sonst in Ihren mir so trauten Räumen saß, denke ich an Sie und Ihr Personal und sende Ihnen herzliche Grüße aus fernem Feldlager. Dankl-Pflanzer-Brudermann.

Riedl (ausbrechend): Das gibts nicht! Das is ein Plagat! Ein Plagat is das! A Schwindel! Ihr seids Flohbeutln gegen mich. Ich laß mir das net gfallen! Vorläufig hab ich noch kan Orden zruckg'Iegt, fallt mr gar net ein, und wenn mir der Auffenberg das nicht sofort aufklärt – behalt ich sie alle!

(Verwandlung.)

Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit

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