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20. Szene

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Bukowinaer Front. Bei einem Kommando. Die Oberleutnants Fallota und Beinsteller treten auf.

Fallota: Weißt also, gestern hab ich mir eine fesche Polin aufzwickt – also tulli! Schad, daß man sie nicht in das Gruppenbild hereinnehmen kann, was wir der Muskete schicken.

Beinsteller: Aha, ein Mägdulein! – Du, der Feldkurat soll fürs Intressante photographiert wern, zu Pferd, wie er einem Sterbenden das Sakrament gibt. Das wird sich ja leicht machen lassen, kann zur Not auch gstellt wern, weißt soll sich ein Kerl hinlegen und dann hat die Redaktion noch ersucht, sie brauchen ein Gebet am Soldatengrab, na das geht ja immer.

Fallota: Du, ich hab dir gestern eine Aufnahme gemacht, die aber schon sehr intressant is. Ein sterbender Russ, ein Schanerbild, mit an Kopfschuß, ganz nach der Natur. Weißt, er hat noch auf den Apparat starren können. Du, der hat dir einen Blick gehabt, weißt, das war wie gstellt, prima, glaubst daß das was fürs Intressante is, daß sie's nehmen?

Beinsteller: No und ob, zahlen auch noch.

Fallota: Glaubst? Du, richtig, also hast was versäumt, der Korpral is dir gestern ohnmächtig worn, wie er den Spion, weißt den ruthenischen Pfarrer, bei der Hinrichtung für den Sascha-Film ghalten hat, schad daß du nicht dabei warst.

Beinsteller: No was hast mit dem Kerl gmacht?

Fallota: No anbinden naturgemäß. Wer' ihn doch nicht einspirrn, wir leben ja nicht im Frieden – einspirrn, das möcht so den Kerlen schmecken.

Beinsteller: Weißt, ich versteh die Russen nicht. Die Gefangenen erzählen dir nämlich, daß es bei denen überhaupt keine solchene Strafen gibt!

Fallota: Hör mr auf mit der Schklavennation! Hast schon das Gedicht vom Kappus glesen? In Fers und sogar gereimt!

Beinsteller: No überhaupt, die Muskete is jetzt zum Kugeln der Schönpflug –

Fallota: Was, das is ganz was Andreas! Du ich schick ihr einen Witz – Du, weißt was, ich fang jetzt an ein Tagebuch, da wird alles drin stehn, was ich erlebt hab. Vorgestern vom Mullatschak angefangen. Eine fesche Polin, sag ich dir, aber schon sehr fesch – (macht eine Geste, die auf Fälle weist.)

Beinsteller: Aha, einen Busam – no ja du erlebst was, weißt ich interessier mich mehr für die Bildung. Ich lies viel. Jetzt bin ich bald mit'n Engelhorn fertig. Früher wie ich unten war – da is auch viel mullattiert worn. Bißl Musik, ja. Mir ham jetzt ein Grammophon aus'n Schloß. Da könntest du mir deine Polin leihn, daß sie dazu tanzt.

Fallota: Weißt wer auch schon viel erlebt haben muß heraußt? Der Nowak von die Vierzehner, das war dir immer ein Hauptkerl. Wenn der nicht seine sechzig Schuß täglich am Gwehr angschrieben hat, wird er schiech auf die Eigenen. Der Pühringer hat mir neulich eine Karten gschrieben, also der Nowak sieht dir einen alten serbischen Bauern drüben von der Drina Wasser holen. No weißt, Gefechtspause war grad, sagt er zum Pühringer, du, sagt er, schau dir den dort drüben an, legt dir an, bumsti, hat ihm schon. Ein Mordskerl der Nowak. Schießt alle ab. Er is auch schon eingegeben fürn Kronenorden.

Beinsteller: Klassikaner! Die Friedenspimpfe verstehn so was natürlich nicht. Weißt, neugierig bin ich wie sich der Scharinger herauswuzeln wird aus der blöden Gschicht, hast nix ghört?

Fallota: Weil er sich beim Sturm druckt hat?

Beinsteller: Aber erlaub du mir, da wird man doch nicht einen Berufs –

Fallota: Ah ja soi da war eine Gschicht, er hat den Koch, weil was anbrennt war, in die Schwarmlini –

Beinsteller: Aber nein, wegen an Mantel – weißt denn nicht, er is doch damals einzogen wo vorher der Oberst, der Kratochwila von Schlachtentreu gwohnt hat, no und da hat er halt an Mantel von ihm mitgehn lassen, der dort noch glegen is, nacher wie er wieder weg is. Weißt denn nicht? Also laß dr erzählen. Der Oberst trifft ihm und sieht den Mantel, eingepackt. Der Scharinger redet sich aus, er sagt, er hat geglaubt, es is ein Mantel vom Feind, der ihn aus'n Schloß genommen hat, und er will ihn grad zurückgeben. Ergo dessen – no du kannst dir die Sauerei vorstellen. No wird sich schon herauswuzeln.

Fallota: Ich versteh das nicht – alleweil mit so was. Ich hab bisher noch keine Schererein ghabt mit so was. Wenns Beutestück sind – also dann natürlich! No überhaupt damals! Der Josef FerdinandJoseph Ferdinand – Erzherzog Joseph Ferdinand, österr. Generaloberst, nach schwerer Niederlage 1916 seines Kommandos enthoben, † 1942 selber hat sich a schönes Gspann gnommen und Paramenten, weißt er is halt bekanntlich kunstsinnig du und Schmuckgegenständ und so. Weißt ich hab auch paar feine Sacherln kriegt damals – da hab ich dir gleich einen Spurius gehabt – no und richtig – also du ein Klavier, da muß man schon tulli sagn.

Beinsteller: No da legst di nieder.

Fallota: No was willst haben, die Generalin hat,Wäsche und Kleider aus der Einquartierung genommen, no nur zu eigenem Gebrauch natürlich, weißt die Tochter kriegt eh die Ausstattung durchs KM. Das waren halt Zeiten. Da hams Getreide und Viecher mitgehn lassen und halt sonst so Sachen, was man braucht. Und a Hetz hats immer geben, Bastonnaden und so. Alles mit Schampus. Aber jetzt is stier. Ich kann nicht sagen, daß es mich grad freut hier heraußt, abgsehn von die Menscher.

Beinsteller: Mir scheint, jetzt hams wieder ein Gusto auf ein Sturm, das is wenigstens a Abwechslung.

Fallota: Beim letzten wars zu blöd. 2000 Verwundete, 600 Tote – weißt ich bin nicht sentimental und bin immer dafür, daß gearbeitet wird –

Beinsteller: War mir auch ein Schleier.

Fallota: Nicht ein Grabenstückl, nur fürn Bericht. Vier Wochen sind die Leut glegen –

Beinsteller: Eben darum. Da hams wieder austarokiert oben. Lass mas amal stürmen, heißt's da. Wenn die Mannschaft anfangt, mit'n Dörrgemüse unzufrieden z'werden, laßt mas stürmen. Schon damit s' nicht aus der Übung kommen. Der Blade sagt nachher: Schauts, is das a Resultat? Ah was, hat's gheißen, die Leut haben sonst eh nix anderes zu tun. Aber die höhere Strategie is das nicht, das muß ich schon sagen, wiewohl ich doch gewiß nicht zu die zimperlichen gehör! Aber ich sag, wenns nicht sein muß – sparen mit'n Menschenmaterial. So erst verpulvern s' die ausgebildeten Leut, nacher schicken sie s' frisch von der Musterung. So Krepirln, was eine Handgranaten nicht von an Dreckhäufl unterscheiden können. Is das ein Ghörtsich?

Fallota: Na ja, damit tegeln s' sich beim Pflanzer ein.

Beinsteller: Na servus, der Oberst is fuchtig, wenn bei an Rückzug zu viel am Leben bleiben. Was? hat er eine Kompagnie angschrieen, warum wollts ihr nicht krepiern? System Pflanzer-Baldhin, sagen s' beim Böhm-Ermolli.

Fallota: Neulich war a Hetz mit die Verwundeten. No ja, wer hat denken können, daß das solche Dimensionen annehmen wird, waren halt nicht genug Sanitätswagen. Weißt, die Autos waren halt alle in der Stadt mit die Generäle, ins Theater und so. Da hams hineintelephoniert, aber herauskommen is keins. No da war dir ein Durcheinander!

Beinsteller: Mit die Verwundeten is immer eine Schererei.

Fallota: Auf die Eigenen sollten s' halt doch mehr schaun bei uns. Eher versteh ich noch, daß man die Bevölkerung zwickt, aber Truppen braucht man doch schließlich. In dem Monat hamr zweihundertvierzig Todesurteil gegen Zivilisten ghabt, stantape vollzogen, das geht jetzt wie gschmiert.

Beinsteller: Warens p. v.?

Fallota: Halbscheit p. u.

Beinsteller: Was war?

Fallota: No Umtriebe hams halt gmacht und so.

Beinsteller: Geh.

Fallota: Weißt, ich bin nicht fürs Standrecht, das is so a verbohrte juristische Spitzfindigkeit – immer mit die blöden Schreibereien: Zu vollziehen! Vollzogen! Hast du schon amal an Akt glesen, ich nicht. Wenn ich mir meinen Sabul umgürte, brauch ich so was nicht.

Beinsteller: Bei die Exekutionen soll man auch noch dabei sein!

Fallota: No im Anfang hat mich das sogar interessiert. Aber jetzt, wenn ich grad bei einer Partie bin, schick ich 'n Fähnrich. Man hört's eh ins Zimmer herein. Jetzt hamt a paar gute Juristen aus Wien. Aber es is doch eine Viechsarbeit. Ich bin eingegeben fürs Verdienstkreuz.

Beinsteller: Gratuliere. Du, wie gehts denn dem Floderer? Schießt der noch immer auf die Eigenen?

Fallota: Aber! Vor einem Jahr hams bei ihm Paralyse konschtatiert – nutzt nix. Immer schicken s' ihn weg, immer kommt er zrück. Wie er das macht, is mir ein Schleier. Neulich hat er ein' Feldwebel, den was der Leutnant um Munition schickt, abgeschossen, weil er sich eingebildet hat, der Kerl geht zrück. Hat ihn gar nicht gfragt, bumsti, hin war er.

Beinsteller: Einer mehr oder weniger. Du überhaupt, wenn man jetzt ein Jahr bei dem Gschäft is – ich sag dir, tot, das is gar nix. Aber mit die Verwundeten, das is eine rechte Schererei. Aufs Jahr, wenn der Frieden kommt, wirds nur Werkelmänner geben, ich halt mr jetzt schon die Ohren zu. Was wird man mit die Leut anfangen? Verwundet – das is so eine halbete Gschicht. Ich sag: Heldentod oder nix, sonst hat man sich's selber zuzuschreiben.

Fallota: Mit die Blinden is gar zwider. Die tappen sich so komisch herum. Neulich wie ich vom Urlaub fahr, komm ich in eine Station und komm grad dazu, wie Mannschaft einen herumstößt und lacht und macht Hetzen.

Beinsteller: No was willst – hättst sehn solln wie der Divisionär neulich einen Zitterer pflanzt hat.

Fallota: No ja, einen feinfühligen Menschen stiert so was, aber weißt, was ich in solchen Fällen denk? Krieg is Krieg, denk ich halt in solchen Fällen.

Beinsteller: Du, was macht dein Bursch? Wie alt is der jetzt?

Fallota: Grad 48. Gestern hat er zum Geburtstag a Watschen kriegt.

Beinsteller: Was is der eigentlich?

Fallota: No Komponist oder so Philosoph.

Beinsteller: Du, der Mayerhofer war vorige Wochen in Teschen. Der GottsöbersteGottsöberste – gemeint ist Erzherzog Friedrich, s. u. Akt 2, Szene 3 geht jetzt dort auf der Straßen, weißt wie? Mit'n Marschallsstab spaziert er herum.

Fallota: Wenn er aufs Häusl geht, nimmt er'n auch mit?

Beinsteller: Jetzt hat er vom Willi noch einen kriegt, vielleicht geht er jetzt mit beide.

Fallota: Jögerl, das schaut dann aus wie Krücken!

Beinsteller: Weißt, die dicke Jüdin aus Wien stiefelt dort wieder herum, die einflußreiche Egeria – wenn sich da was machen ließe, wär nicht schlecht –

Fallota: Dir graust vor gar nix. No weißt – ich wär auch schon froh, wenn ich wieder in der Gartenbau abends sein könnt und vorher an der Potenzecken.

Beinsteller: Was? Die Gartenbau? Damit wird sich's spießen!

Fallota: Wieso?

Beinsteller: No warst also jetzt in Wien und weißt nicht, daß jetzt ein Spital dort is?

Fallota: Ja richtig! (versunken) ja natürlich – no du aber hier bin ich auch nicht schlecht eingerichtet. Du jetz hab ich dir wieder a Klavier und a Tischlampen –

Beinsteller: Tischlampen, der Schlampen, das Schlampen.

Fallota: Du mir scheint, ein Regen kommt.

Beinsteller (sieht hinauf): Ab, sie regnet! Gehmr.

Fallota: Hast nix vom Doderer ghört? Der hat dir ein Mordsglück.

Beinsteller: Ja, der war dir immer ein Feschak.

Fallota: Ein Feschak is er, das is wahr. Aber ein Tachinierer, ujeh!

(Verwandlung.)

Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit

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