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24. Szene

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Zimmer des Generalstabschefs. Conrad v. Hötzendorf allein. Haltung: die Arme gekreuzt, Standfuß und Spielfuß, sinnend.

Conrad (mit einem Blick gen Himmel): Wann nur jetzt der Skolik da wär!

Ein Major (kommt): Exlenz melde gehorsamst, der Skolik ist da.

Conrad: Was denn für ein Skolik?

Major: Na der Hofphotograph Skolik aus Wien, der was seinerzeit, während des Balkankrieges, die schöne Aufnahme gemacht hat, wie Exlenz in das Studium der Balkankarte vertieft sind.

Conrad: Ach ja, ich erinnere mich dunkel.

Major: Nein, ganz hell, Exlenz, volle Beleuchtung.

Conrad: Ja, ja, ich erinnere mich, das war glorios.

Major: Er beruft sich darauf, daß ihn Exlenz wieder bestellt haben.

Conrad: No bestellt kann man grad nicht sagen, aber eine Anregung hab ich ihm zukommen lassen, weil der Mann wirklich hübsche Aufnahmen macht. Er schreibt, er weiß sich vor die illustrierten Blätter nicht zu helfen, die Aufnahme damals hat seltenen Sükses ghabt, kurzum –

Major: Er hat auch die Bitte, ob er jetzt in Einem die Herrn Generäle aufnehmen könnt.

Conrad: Wär mir nicht lieb! Die solln sich nur ihre eigenen Photographen kommen lassen.

Major: Er sagt, die ham kan Kopf, da macht er eh nur a Brustbild.

Conrad: Ah, das is was andres. Also herein mit dem Skolik! Warten Sie – sollen wir wieder beim Studium der Balkankarte – das war ja außerordentlich – aber ich denk, zur Abwechslung vielleicht die italienische –

Major: Das paßt jetzt entschieden besser.

(Conrad v. Hötzendorf breitet die Karte aus und versucht verschiedene Stellungen. Er ist, wie der Photograph mit dem Major eintritt, bereits in das Studium der Karte vom italienischen Kriegsschauplatz vertieft. Der Photograph verbeugt sich tief. Der Major stellt sich neben den Tisch. Er und Conrad blicken starr auf die Karte.)

Conrad: Was gibt's denn schon wieder? Kann man denn keinen Augenblick – ich bin doch gerade –

(Der Major zwinkert dem Photographen zu.)

Skolik: Nur eine kleine Spezialaufnahme, Exzellenz, wenn ich bitten dürfte.

Conrad: Ich arbeite gerade für die Weltgeschichte und da –

Skolik: Ich soll nämlich für das Interessante Blatt und da –

Conrad: Aha, zur Erinnerung an die Epoche –

Skolik: Ja, auch für die Woche.

Conrad: Aber da kommt man am End zwischen unsere Generäle, das kenn ich schon, da möcht ich lieber –

Skolik: Nein, Exzellenz, darüber können Exzellenz vollkommen beruhigt sein. Bei dem unsterblichen Namen, den Exzellenz haben, versteht sich das von selbst, daß Exzellenz ganz separat erscheinen. Die andern, die kommen alle zsamm, so unter der Rubrik »Unsere glorreichen Heerführer« oder so, einzelweis kommeten s' höchstens für Ansichtskarten.

Conrad: So? Wen ham S' denn da, vergessen S' mr den Höfer nicht, das is ein gar ein tüchtiger Mann, der kriegt 2o.ooo Kronen Feldzulage dafür, daß er täglich seinen Namen lesen muß, wenn er am Ring die Extraausgab kauft.

Skolik: Is scho vorgemerkt, Exzellenz, selbstverständlich, in erster Linie.

Conrad: Was, erste Linie, hammer an Gspaß ghabt! No wo tun S' mich dann selber hinmanipuliern? Nur nicht auffallend, nur nicht auffallend mein Lieber wissen S', nicht mit die andern, diskret! immer diskret!

Skolik: Der Raum ist bereits eigens reserviert. Es wird das Titelbild sein, von der Woche nämlich. Eine sehr eine intressante Nummer, aus Wien hab ich noch die Probiermamselln von der Wiener Werkstätten und den Treumann zu liefern, es kommt aber auch noch, wie ich sicher weiß, Seine Majestät der deutsche Kaiser auf der Sauhatz, eine bisher unbekannte Aufnahme und gleich daneben sehr sensationell, Allerhöchstderselbe im Gespräch mit dem Dichter Ganghofer. Also ich glaube Exzellenz –

Conrad: No ja, nicht übel, nicht übel – aber, lieber Freund, im Augenblick bin ich leider – können S' nicht bißl später kommen, ich bin nämlich – ich sag's Ihnen im Vertrauen, Sie dürfen's nicht weiter sagen, ich bin nämlich grad beim Studium der Karte vom Balkan – ah was sag ich, von Italien –

(Der Major zwinkert dem Photographen, der zurücktreten will, zu.)

Skolik: Das trifft sich gut – das ist ein Augenblick der höchsten Geistesgegenwart, den muß man beim Zipfel erwischen. Ich siech schon die Aufschrift: Generaloberst Conrad v. Hötzendorf studiert mit seinem Flügeladjutanten Major Rudolf Kundmann die Karte des Balkan-, ah was sag ich, des italienischen Kriegsschauplatzes. Derf's so heißen, Exzellenz?

Conrad: Na also meinetwegen – weil's der Kundmann will, der kann's ja gar net erwarten – (Er starrt unablässig auf die Karte, der Major, der sich nicht vom Fleck gerührt hat, gleichfalls. Beide richten ihren Schnurrbart.) Wird's lang dauern?

Skolik: Nur einen historischen Moment, wenn ich bitten darf –

Conrad: Soll ich also das Studium der Karte vom – also von Italien – fortsetzen?

Skolik: Ungeniert, Exzellenz, setzen nur das Studium der Karten fort – so – ganz leger – ganz ungezwungen – so – nein, das wär bißl unnatürlich, da könnt man am End glauben, es is gstellt – der Herr Major wenn ich bitten darf, etwas weiter zrück – der Kopf – gut is – nein, Exzellenz, mehr ungeniert – und kühn, bitte mehr kühn! – Feldherrnblick, wenn ich bitten darf! – es soll ja doch – so – es soll ja doch eine bleibende histri – historische Erinnerung an die große Zeit – so ist's gut! – nur noch – bisserl – soo – machen Exzellenz ein feindliches Gesicht! bitte! jetzt – ich danke!

(Verwandlung.)

Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit

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