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19. Szene

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Kriegsfürsorgeamt.

Hugo v. Hofmannsthal (blickt in eine Zeitung): Ah, ein offener Brief an mich? – Das is lieb vom Bahr, daß er in dieser grauslichen Zeit nicht auf mich vergessen hat! (Er liest vor.) »Gruß an Hofmannsthal. Ich weiß nur, daß Sie in Waffen sind, lieber Hugo, doch niemand kann mir sagen, wo. So will ich Ihnen durch die Zeitung schreiben. Vielleicht weht's der liebe Wind an Ihr Wachtfeuer und grüßt Sie schön von mit –« (Er bricht die Vorlesung ab.)

Ein Zyniker: No – lies nur weiter! Schön schreibt er der Bahr!

Hofmannsthal (zerknüllt die Zeitung): Der Bahr is doch grauslich –

Der Zyniker: Was hast denn? (Nimmt die Zeitung und liest bruchstückweise vor) »Jeder Deutsche, daheim oder im Feld, trägt jetzt die Uniform. Das ist das ungeheure Glück dieses Augenblicks. Mög es uns Gott erhalten! – Es ist der alte Weg, den schon das Nibelungenlied ging, und Minnesang und Meistersang, unsere Mystik und unser deutsches Barock, Klopstock und Herder, Goethe und Schiller, Kant und Fichte, Bach, Beethoven, Wagner. – Glückauf, lieber Leutnant –«

Hofmannsthal: Hör auf!

Der Zyniker (liest): »Ich weiß, Sie sind froh. Sie fühlen das Glück, dabei zu sein. Es gibt kein größeres.«

Hofmannsthal: Du, wenn du jetzt nicht aufhörst –

Der Zyniker (liest): »Und das wollen wir uns jetzt merken für alle Zeit: es gilt, dabei zu sein. Und wollen dafür sorgen, daß wir hinfort immer etwas haben sollen, wobei man sein kann. Dann wären wir am Ziel des deutschen Wegs, und Minnesang und Meistersang, Herr Walter von der Vogelweide und Hans Sachs, Eckhart und Tauler, Mystik und Barock, Klopstock und Herder, Goethe und Schiller, Kant und Fichte, Beethoven und Wagner wären dann erfüllt. –« Wie hängen denn die mit dir zusammen? Ah, er meint vielleicht, daß sie enthoben sind. »Und das hat unserem armen Geschlecht der große Gott beschert!« Gott sei Dank! – (liest) »Nun müßt ihr aber doch bald in Warschau sein!«

Hofmannsthal: Aufhören!!

Der Zyniker: »Da gehen Sie nur gleich auf unser Konsulat und fragen nach, ob der österreichisch-ungarische Generalkonsul noch dort ist: Leopold Andrian.« (Er bekommt einen Lachkrampf.)

Hofmannsthal: Was lachst denn?

Der Zyniker: Der is wahrscheinlich nach Kriegsausbruch in Warschau geblieben, um den einziehenden Truppen das Paßvisum auszustellen – das is ja im Krieg unerläßlich – sonst können s' nicht nach Rußland! (liest) »Und wenn ihr so vergnügt beisammen seid, und während draußen die Trommeln schlagen, der Poldi durchs Zimmer stapft und mit seiner heißen dunklen Stimme Baudelaire deklamiert, vergeßt mich nicht, ich denk an euch! Es geht euch ja so gut – »

Hofmannsthal: Hör auf!

Der Zyniker: »– und es muß einem ja da doch auch schrecklich viel einfallen, nicht? –« Was dem alles einfallt!

Hofmannsthal: Laß mich in Ruh!

Der Zyniker: Du kommst doch sowieso bald nach Warschau? Auf Propaganda, mein' ich oder so. Wirst wieder deinen Hindenburg-Vortrag halten?

Hofmannsthal: Ich sag dir, laß mich in Ruh –

Der Zyniker: Du, eine Kälten hats heut wieder – ich muß doch läuten, daß er das Wachtfeuer nachlegen kommt.

Hofmannsthal: Also das is eine Gemeinheit – du – pflanz wen andern, laß mich arbeiten!

(Der Poldi tritt ein.)

Der Poldi (heiße, dunkle Stimme): Gu'n Tog, du Hugerl weißt nix vom Bohr?

(Hofmannsthal hält sich die Ohren zu.)

Der Zyniker: Habe die Ehre, Herr Baron, Sie kommen wie gerufen.

Der Poldi: Du Hugerl is wohr daß der Bohr in dem Johr noch nicht do wor oder is er gor eingrückt?

Der Zyniker: Was, der auch?

Hofmannsthal: Du der Mensch is zu grauslich – komm, gehn wir da hinein –

Der Poldi: Du Hugerl, der Baudelaire is ganz gscheidt, ich trog dir ein poor Sochen vor.

Hofmannsthal: Und ich zeig dir meinen Prinz Eugen!

Der Poldi: Wunderbor!

(Verwandlung.)

Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit

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