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1. Vom Schicksal und vom Schicksalhaften

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Wir sprachen zuletzt von „Verstehen“ und „Verzeihen“ und daß Kinder schon in frühen Lebensjahren dazu erzogen werden müssen. Manche Mutter wird fragen, wie man das anstellen soll. Das ist gar nicht so schwer. Freilich wird das Kind die Ausdrücke „Verstehen“ und „Verzeihen“ nicht so schnell erfassen, wenngleich es den Sinn sehr bald erfaßt, wenn nur bei passender Gelegenheit bemerkt wird, daß man versteht, was es gerade wünscht, aber warum es nicht sein darf oder weshalb man den Wunsch erfüllen könne.

Ein Verstehen in positivem Sinn ist natürlich immer besser als in Verbindung mit einer Absage. Statt verzeihen wird man eben nicht böse sein und das auch betonen. So viele Möglichkeiten sind im täglichen Leben geboten, bewußt diese Einstellung zu pflegen.

Immer aber ist der beste Lehrmeister das Vorbild. Ein Vater, der von seinem Kind verlangt, daß es stets verzeiht, ohne zu zürnen, selbst aber bei jeder Gelegenheit in Zorn gerät und mit Prügeln droht oder sie gar verabreicht, wird niemals einen erzieherischen Einfluß in dieser guten Richtung ausüben können, weil das Kind mehr dem Vorbild nachstrebt als gesprochenen Worten. So viel von der Erziehung des Kindes. Auch hier muß beobachtet werden, wieweit die eigene Veranlagung das richtige Verhalten bietet, und ob das Kind nicht ohnedies alle Voraussetzungen in sich birgt.

Schwerer ist es schon für den Erwachsenen, der in seiner Kindheit kein gutes Vorbild hatte und jede kleine Verfehlung schwer büßen mußte. Bei solchen Menschen kommt es darauf an, ob die Anlagen und Erfahrungen aus früheren Leben dazu angetan sind, den richtigen Weg durch eine gütige Einstellung finden zu lassen, oder ob der Mensch, noch minder entwickelt in seiner seelischen Verfassung, für die ihm widerfahrene Unbill Rache nehmen will. Wie viele böse Taten und Verbrechen sind darauf zurückzuführen. Ich möchte sagen, fast alle.

Ich empfehle das Studium des Milieus, aus dem so ein Verbrecher kommt, und man wird diese Behauptung bestätigt finden. Wie schon betont, ist es die Schwäche der Seele, die nicht imstande ist, mit den negativen Einflüssen – und nur um solche handelt es sich – fertig zu werden und sich von dem ungesunden Milieu innerlich oder auch äußerlich frei zu machen. Es ist aber in keinem Fall mit Willkür zu solchen Konstellationen gekommen.

Es ist eben in den unendlichen Gesetzen begründet, daß alle Schwierigkeiten erst besiegt und gemeistert werden müssen, ehe ein wahrer Fortschritt möglich ist. Das bedeutet aber nicht, daß jeder Mensch ganz auf sich allein gestellt den richtigen Weg finden muß. Diejenigen, die ihm voraus sind in der Entwicklung, haben die Pflicht, ihre Hand zu reichen und zu helfen. Freilich kann man keinen Menschen zwingen, sich helfen zu lassen. Sein freier Wille muß bereit sein, die Hilfe zu erbitten oder anzunehmen, wenn sie ihm angeboten wird.

Es gibt kein Schicksal, das unumstößlich mit den Menschen machen kann, was es will. Schicksal ist nur das, was an Schönem oder Gutem oder auch an Schwierigkeiten auf Grund der von der göttlichen Allmacht vorgezeichneten Gesetze zur Grundlage den Menschen ins irdische Dasein mitgegeben wird. Sein freier Wille gibt ihm die Möglichkeit, sie nach eigenem Gutdünken zu gebrauchen und zu genießen oder damit fertig zu werden und im Sinne des geistigen Fortschritts zu ertragen und zu meistern.

„Der Mensch entgeht seinem Schicksal nicht“ ist eine vielbeliebte Phrase. Es ist aber nur eine Phrase und keineswegs richtig. Es wäre ein recht uninteressantes und gleichgültiges Leben, wollten wir uns darauf verlassen, daß wir eben soundsoviele Leben zu absolvieren haben, ohne daß wir auf den Ablauf und seine Entwicklung einen Einfluß hätten. Freilich sind die markanten Grundzüge nicht wegzudenken oder zu umgehen. Ein Mensch, der im irdischen Dasein die materiellen Güter überschätzt, wird eben in einem späteren Leben vielleicht in notdürftigen Verhältnissen leben müssen, um zu lernen, wieviel er für sich beanspruchen darf. Die notdürftigen Verhältnisse sind ebenso schicksalshaft wie in einem früheren Leben der übermäßige Reichtum. Beide Grundlagen geben nur das Fundament zum Aufbau, zum Beweis und zur Nutzung für den Fortschritt im Geiste.

Darum mag einer noch so reich in diesem Erdendasein sein, es bringt ihm nichts ein, wenn er es nicht richtig zu nutzen weiß. Im Gegenteil, er wird seinen Fortschritt eher mehr hemmen als derjenige, der sein Leben in Not und Elend oder Krankheit mit menschlicher Würde und Gleichmut – um nicht zu sagen in Dankbarkeit – trägt.

Manch einer ist unglücklich über sein armseliges Schicksal und erkennt den Wert erst, nachdem er am Ziel angelangt ist und einsieht, daß es die wunderbare Grundlage für seinen geistigen Fortschritt gewesen ist. Wenn die Menschen erst erkannt haben werden, daß materielle Güter nur dann Segen bringen, wenn sie eine bescheidene Grenze nicht überschreiten, oder falls sie im Übermaß vorhanden sind der Allgemeinheit dienstbar gemacht werden müssen, dann können Neid und Habgier sich nicht mehr im Denken verankern und so viel Unruhe und Unsicherheit verursachen, wie es jetzt noch der Fall ist.

Mit großen Irrtümern muß da noch aufgeräumt werden. Warum glauben – nach irdischer Auffassung – große Männer, die an der Spitze eines Volkes oder Staates stehen, daß sie ein riesiges Vermögen besitzen müssen, mehr als irgendeiner ihrer Untertanen? Es liegt kein Grund dafür vor. Es ist genug, daß sie auf Staatskosten erhalten werden und für ihren Lebensunterhalt nicht sorgen müssen. Materielle Güter anzuhäufen, wodurch dem Volk wertvolle Lebensgrundlagen oft entzogen werden, ist unsinnig und wertlos. Freilich ist heute die Auffassung noch zu sehr verbreitet, daß eben Reichtum, und nur dieser, Glück bedeutet.

Langsam aber erkennen die Menschen, daß das eine verkehrte Auffassung ist. Nicht zuletzt wird dieses klar nach großen Katastrophen, durch die materielle Güter zerstört und vernichtet werden. Manch einer hat solchen Verlust schon als eine Befreiung betrachtet und erkannt, daß in materiellem Besitz das Lebensglück nicht zu finden ist.

Solange man aber den wohlhabenden Mann höher schätzt als den in bescheidenen Verhältnissen lebenden, so lange zwingt man die Menschheit, dem Mammon zu frönen und ideelle Werte in den Hintergrund zu schieben. Wieder sind es die Ärzte, auf die diese Überlegung in erster Linie anzuwenden ist. Macht kein Geschäft aus eurer Berufung oder auch nur aus diesem Beruf! Nehmt die Menschen wie sie sind entkleidet aller materiellen Unterschiede! Erkennt endlich, daß jeder Mensch das gleiche Recht auf eure Hilfe hat, ob arm, ob reich, daß aber gerade die Armen und Mittellosen eurer Zuneigung mehr bedürfen als alle anderen. Das soll nicht heißen, daß ein reicher Mann weniger Hilfe braucht. Es ist eben, wie schon so oft festgestellt, die materielle Lage kein Maßstab für die geistige Reife und den Fortschritt eines Menschen. Auch irdische Würden und einflußreiche Stellungen bedeuten noch lange nicht einen bestimmten Grad oder eine bestimmte geistige Entwicklungsstufe.

Auch hier sei noch einmal festgehalten: Geistige Entwicklungsstufe ist nicht gleichbedeutend mit geistiger Entwicklung im irdischen Sinn, also Entwicklung im Bereich des Wissens. Sie ist und bleibt die Entwicklung des Geistwesens, also Wissen und Weisheit in Verbindung mit allumfassender Liebe.

Betrachtet einmal die großen Gelehrten oder Künstler oder auch die großen Politiker und Staatsmänner und prüft genau, wieweit sie diesen Erfordernissen gerecht werden. Nur sehr wenige sind es. Die meisten sind zufrieden, in ihrer materiellen Tätigkeit ihren ganzen Mann zu stehen, ihre Seele wird vernachlässigt und hat an ihrem Beruf keinen oder doch nur geringen Anteil.

Sobald die Grundsätze für die Bewertung eines Menschen einmal richtig erkannt sein werden, wird man in der Lage sein, auch diese Menschen richtig zu beurteilen. Sie werden dadurch verpflichtet und angeregt sein, ihr Leben mehr unter Kontrolle zu nehmen und sich nicht im Vertrauen auf ihr höheres und reicheres Wissen über andere stellen zu wollen. Viel Bescheidenheit gehört dazu und Selbstkritik, und soweit ein Mensch aus Überheblichkeit eine solche nicht findet, ist es wieder in erster Linie der Seelenarzt, der ihn auf den richtigen und einzig wertvollen und Erfolg verheißenden Weg bringen muß. Warum ich das dem Arzt auftrage? Weil ein einseitiges Lebensbild etwas Krankhaftes an sich hat und die Seele eines Tages ihren Dienst versagen wird bei solch unrichtigem Verhalten.

Große Künstler, Staatsmänner und Gelehrte sind ein großer Teil der Gesamtzahl von Patienten bei einem Nervenarzt. Nicht die Überbeanspruchung durch ihre Arbeit ist es, die sie ihm zuführt, sondern nur die unrichtige Einstellung zum Leben überhaupt und die meist unrichtige Bewertung ihrer eigenen Persönlichkeit.

Es ist das, was ich schon an früherer Stelle hervorhob, die einseitige Entwicklung des Geistes, beziehungsweise der geistigen Betätigung und die damit verbundene mangelhafte Pflege der Seele. So entsteht eine Unausgeglichenheit, weil der Geist und das Geistwesen eine raschere Entwicklung nimmt als die Seele. Soll so ein irrender Mensch geheilt werden, so muß er diese Tatsache erkennen lernen, sie seinem Gefühlsleben näher bringen und auf dieses lenken.

Es ist nicht immer leicht, weil gerade rein geistig orientierte Menschen sehr eigenwillig sind und sich schwer einem fremden Einfluß öffnen. Wir wollen für heute schließen und morgen fortsetzen mit Gedanken über die Erziehung, nicht nur des Kindes, sondern auch Erwachsener, die in ihrer Kindheit eine gesunde Erziehung entbehren mußten. Es ist ein weites Gebiet und erlaubt eine vielseitige Betrachtung.

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