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5. Irrtümer bei der Erforschung menschlicher Anlagen. Vom Einfluß vorangegangener Leben auf die Entwicklung im Irdischen
ОглавлениеIrrtümer, die bei materieller Lebensauffassung in der Menschenkenntnis und Erforschung der menschlichen Anlagen und Fähigkeiten begangen werden, stehen heute zur Debatte. Das Bemühen, dem Menschen im Kampf und Streben nach Erfolg zu helfen, ist sicher vorhanden und mit viel gutem Willen zu einer Wissenschaft entwickelt worden, die – wenn auch noch in ihren Anfängen – eine geeignete Grundlage darstellt, darauf weiterzubauen und wissenschaftliche Fortschritte zu erzielen. Der große Irrtum besteht, wie bereits dargetan darin, daß man gewissermaßen oder bis zu einem gewissen Grad alle Menschen über einen Leisten biegen will.
Nun ist aber, wie wir gehört haben, das Lebensziel nicht von zwei Menschen das gleiche und der Weg zu einem gemeinsamen oder anscheinend gleichen Ziel für jeden ein anderer. Für den einen ist es notwendig, daß Hemmungen und Schwierigkeiten bereitet sind, für den anderen soll ein geebneter Weg zum Aufstieg bereitet sein.
Wer kann das entscheiden und erkennen? Wohl sicher nicht der materielle Mensch mit seinem begrenzten Horizont, mit der Unfähigkeit, weiter zurück zu blicken als höchstens bis zur Geburt.
Im materiellen Bereich muß aber mit größter Vorsicht vorgegangen werden, um für jeden hilfesuchenden Menschen die richtige und geeignete Methode zu finden.
Die Seele, das zarte Instrument, auf dem zu spielen in erster Linie dem Geistwesen vorbehalten ist, verlangt größte Schonung von außen und eine Pflege, die – nicht zu vergleichen mit Körperpflege – die bedeutendste und schönste Aufgabe der Psychologen ist. Es ist nicht sinnvoll, dort stehenbleiben zu wollen, wohin in ihren Erkenntnissen unsere Vorfahren und Lehrer gekommen sind. Ich darf verraten, daß sie heute alle ihre Irrtümer einsehen und gerne auf dem Weg, den ich beschreiten durfte, die Menschen darüber aufklären möchten. Nehmt mich als ihren Vertreter und glaubt mir, daß wir alle in Übereinstimmung erkannt haben, was von unseren Lehrern gut und was unrichtig und voll von Irrtum war.
Immer wieder muß ich sagen, daß der Hauptgrund für diese Irrtümer in der materiellen Lebensauffassung liegt und in dem Glauben, es gäbe nur ein Leben auf dieser Erde für jeden Menschen. Mit dieser Auffassung kann man niemals zu einer richtigen Beurteilung von Seele und Geist gelangen. Man kann bestenfalls feststellen – durch Vergleich mit anderen –, welche gemeinsamen Fähigkeiten und Grundlagen vorhanden sind, wie die Einflüsse der Außenwelt auf die Menschen wirken, welche gemeinsamen Merkmale da festzustellen sind und welche Einflüsse schädlich und welche im Allgemeinen von Nutzen sind.
Ich sagte schon, daß manche Einwirkungen, die dem Außenstehenden als unbedingt negativ erscheinen müssen, zum Lebensbild eines Menschen gehören können und daß die Meisterung und Überwindung eben die Aufgabe für das Erdendasein darstellt. Jeder sollte dazu aus eigener Kraft in der Lage sein, ohne fremde Hilfe. Und sie wäre auch sicher nicht erforderlich, wenn nicht rein materielle Störungen, also ererbte körperliche Minderwertigkeit oder Schwäche, die eigene Kraft nicht in genügendem Maß zur Geltung kommen ließen.
Und da allein müssen der Arzt und die menschliche Gesellschaft einsetzen und erkennen, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind, nicht nur materielle, die aus der Umgebung resultieren, sondern seelische und geistige, die nur auf der noch unvollkommenen Entwicklung des Geistwesens und der Seele beruhen.
Es ist für mich nicht leicht, mich ganz in die irdische Auffassungsgabe der Gelehrten zu versetzen und nur das als Basis für die wissenschaftliche Forschung zu akzeptieren, was durch die rein materielle Sehkraft als gegeben angenommen werden kann. Um eine einwandfreie und wahrhaft erfolgbringende Menschenkenntnis zu betreiben, ist nun einmal der Einblick in die Vergangenheit, in die bereits absolvierten Lebensabschnitte nötig – oder, umgekehrt ausgedrückt – für den materiellen Menschen ist Menschenkenntnis immer nur Stückwerk und es bedarf einer besonderen Fähigkeit, die Regungen eines Menschen zu teilen, möchte ich sagen, in eigene und fremde, in anerzogene.
Gute Regungen, auch anerzogene und erst im irdischen Dasein erworbene, müssen nicht untersucht werden. Anders bei den Irrtümern und Fehlern, gegen die die Seele nur nicht die Kraft hat anzukämpfen.
Die Erfolge in der Erziehung der Menschen müssen daher sehr verschieden und problematisch sein. Es kommt ja in der Hauptsache darauf an, das Einzelindividuum zu erfassen und dazu können schon gemeinsame Richtlinien aufgestellt und genutzt werden.
Das Urteil aber bei Gegenüberstellung von zwei Menschen ist nicht vergleichbar. Wie gesagt, ist es kein Nachteil, wenn ein Geistwesen einseitige Fähigkeiten aufweist, weil der Mensch und Psychologe nicht wissen kann, wieweit andere Gebiete schon in einem verflossenen Dasein bewältigt wurden.
Aber noch ganz andere Irrtümer spielen da eine Rolle. Die Ehe zum Beispiel, die in der materiellen Welt als das unbedingt und für jeden gesunden und normalen Menschen erstrebenswerte Ziel betrachtet wird, ist sicher nicht die große Erfüllung, die in ihr gesucht, aber sehr selten gefunden wird. Erfüllung im wahrsten Sinn des Wortes ist sie nur dann, wenn sie die im Himmel geschlossene Ehe ist, das heißt, das Zusammentreffen der sich ergänzenden Geistwesen des Duals. Ich habe schon einmal darauf hingewiesen, daß kein Geistwesen aus sich allein zur Vollkommenheit gelangen kann, daß es dazu seiner Ergänzung bedarf, die von vornherein für ihn bestimmt ist. Wann eine Vereinigung stattfindet, wann die zueinander bestimmten Geistwesen sich vereinigen dürfen, das steht – möchte ich sagen – in den Sternen. Es ist nicht für zwei Paare gleich, ist aber nach den unendlichen Naturgesetzen geregelt und festgesetzt.
Die materielle Ehe ist aber deshalb auch nicht der Willkür der Menschen anheimgestellt, sie ist eine Vereinigung, die eben dazu bestimmt ist, die Fortpflanzung und Erhaltung der Menschheit zu sichern. Erhaltung der Menschheit bedeutet Erhaltung der Grundlagen, die dem Geistwesen, das den Wunsch hat, in die materielle Welt zurückzukehren, die notwendigen und geeigneten Grundlagen für seine irdische Existenz geben. Eine Ehe, die nicht der Fortpflanzung dient, ist keine Ehe in höherem Sinn, sondern bestenfalls eine kameradschaftliche oder freundschaftliche Vereinigung nach jenseitiger Auffassung.
Nach irdischer Auffassung ist Ehe gleich Befriedigung triebhafter Liebe oder nur Begierde, die mit Harmonie der Seelen nicht viel oder oft gar nichts zu tun hat.
Die Kirche hat daraus eine himmlische Institution gemacht, das ist schon deshalb abwegig, weil es im Jenseits keine Geschlechter gibt, es fehlt dazu der materielle Körper. Trotzdem ist es auch im irdischen Dasein eine Einrichtung, die eine Verpflichtung zwischen den Partnern bedeutet, und Verpflichtungen, die man mit einem Eid auf Treue und Ergebenheit eingegangen hat, müssen auch gehalten werden. Das ist natürlich leicht gesagt. Auch darin gibt es Irrtümer und nicht immer sind die Menschen stark genug und meinen sie es so ernst mit der Beschwörung, daß sie sich ihrer großen Aufgabe auch bewußt und in der Lage wären, auf Biegen oder Brechen den einmal eingeschlagenen Weg zu Ende zu gehen. Auch auf diesem Gebiet irrt die Menschheit noch in weitem Maße.
Wie schon angedeutet, gelingt es nur selten, den wahren Charakter eines Menschen zu erkennen und nach Wegfall der Schranken, die das Milieu oft dem jungen Menschen setzt, findet man oft erst das wahre Gesicht. Dann aber meint man aus Furcht vor dem bösen Urteil der Mitmenschen oder weil einfach der Mut und die Kraft fehlen, alles auf sich nehmen zu müssen, ohne nur den Gedanken an eine Trennung zu erwägen. So unendlich viele Auffassungen und Überlegungen sind in dieser Hinsicht berechtigt, weil nicht zwei Ehen restlos übereinstimmen.
Man kann zum Beispiel noch lange nicht die Norm aufstellen, daß eine Ehe, in der die Harmonie der Seelen fehlt, getrennt werden soll. Niemand sollte sich in dieser Frage zum Schiedsrichter machen, aber behilflich sein, den Weg, den ein enttäuschter Mensch einzuschlagen gewillt ist, richtig und nach menschlichem Ermessen gerecht und hilfreich zu ebnen. Das ist Aufgabe der Gemeinschaft. Niemals ist Kritik am Platz, denn sie ist ohne genaue Kenntnis der Verhältnisse geübt und kann niemals die Wahrheit treffen. Darum muß auch hier die Menschenkenntnis nicht nach einem feststehenden Schema betrieben werden sondern mit ganz besonderem Einfühlungsvermögen, abgestellt auf die jeweilige Persönlichkeit.
Die Mannigfaltigkeit der Charaktere und die durch die unendlichen Gesetze bedingten Unterschiede in der geistigen Reife erfordern so viele verschiedene Betrachtungsweisen als es Menschen gibt. Man kann nicht sagen, ein Mensch erfüllt die Erfordernisse eines Idealbildes, wenn er in Ehe, Freundschaft und Beruf ein angemessenes Gebiet beherrscht. Welches Gebiet ist angemessen? Darauf kann es keine Antwort geben, denn allein die Tatsache, daß zum Beispiel aus einer Ehe soundso viele Kinder kommen und nach Ansicht der Umwelt in der Familie reinste Harmonie herrscht, ist bestimmt noch nicht der richtige Maßstab. Der liegt allein im Geistigen und das zu beurteilen, ist dem materiellen Menschen nur in sehr bescheidenem Maße möglich. Für heute genug.