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2. Formale Anforderungen an die Selbstbefreiungsentscheidung

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Der Selbstbefreiungstatbestand selbst enthält keine formalen Anforderungen zur Art und Weise der Selbstbefreiung. Der ESMA Final Report verlangt allerdings, dass ein Prozess eingerichtet wird, um die Information hinsichtlich der Insiderrelevanz zu untersuchen und auch die Notwendigkeit eines Aufschubs zu eruieren.[129] Die Selbstbefreiungsentscheidung selbst, so die ESMA, sollte von einer eindeutig zu identifizierbaren Person beim Emittenten mit entsprechender Entscheidungsgewalt getroffen werden, als Beispiel wird ein Mitglied des Vorstands genannt.[130] Die BaFin geht davon aus, dass die ESMA in ihrem Final Report von einem „one-tier-system“ ausgegangen ist und deshalb in Deutschland die Verwaltungspraxis der BaFin bestehen bleibt,[131] wonach die Entscheidung des Emittenten über die Selbstbefreiung durch einen Beschluss des Vorstands herbeizuführen ist.[132] Obwohl ein Vorstandsbeschluss ein Handeln des Vorstands als Kollegialorgan voraussetzt und somit die Mitwirkung nur eines Vorstandsmitglieds hierzu nicht ausreichen würde, lässt es die BaFin genügen, wenn nur ein ordentliches Vorstandsmitglied an der Entscheidung mitwirkt.[133] Die Auffassung der BaFin dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass auch andere Gremien als das geschäftsführende Organ den Befreiungsbeschluss fassen können, sofern mindestens ein ordentliches Vorstandsmitglied an der Entscheidung beteiligt ist.[134] Zwingend ist auch das nicht. Das WpHG enthält, anders als etwa das HGB bzw. Aktiengesetz, z.B. für die Aufstellung und Unterzeichnung des Jahresabschlusses und Lageberichts[135] oder für die Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung,[136]keine Regelung, die die Wahrnehmung kapitalmarktrechtlicher Pflichten durch den Vorstand selbst zwingend vorsieht. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Vorstand nicht gehindert ist, die Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht im Ganzen oder in Teilen, wie die Entscheidung über eine Selbstbefreiung, auf Mitarbeiter des Unternehmens zu delegieren.[137] Noch nicht einmal die von der BaFin geforderte Mitwirkung eines Vorstandsmitglieds ist danach erforderlich.[138] Lediglich die Letztverantwortlichkeit für die gesetzeskonforme Erfüllung der delegierten Aufgaben und eine diesbezügliche Kontrollpflicht verbleibt bei dem Vorstand als Organ des Emittenten.[139] Dennoch sollten Emittenten der Auffassung der BaFin Rechnung tragen und die Beschlussfassung über eine Selbstbefreiung entweder durch den Vorstand vornehmen lassen oder, z.B. in eilbedürftigen Fällen, durch ein Gremium unter Mitwirkung eines Vorstandsmitglieds. Im Interesse einer praxisgerechten Handhabung der Selbstbefreiung sollte es in Übereinstimmung mit der hier vertretenen Ansicht ausreichen, wenn eine Abstimmung z.B. im Umlaufverfahren, telefonisch oder auch nachträglich als Bestätigung einer zuvor von einem Ad-hoc-Gremium beschlossenen Selbstbefreiung durch den Gesamtvorstand erfolgt.[140]

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In vereinzelten Fällen kann auch der Aufsichtsrat kraft Annexkompetenz zur Selbstbefreiungsentscheidung berufen sein. Insbesondere, wenn die relevante Insiderinformation nicht in den Wissensbereich des Vorstands gelangt, sondern im Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats entsteht (z.B. Personalmaßnahmen, die den Vorstand betreffen).[141] Die Zuständigkeit zur Veröffentlichung der Insiderinformation hingegen verbleibt beim Vorstand, sodass der Aufsichtsrat den Vorstand zum Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen der Selbstbefreiung unverzüglich über die aufgeschobene Insiderinformation unterrichten muss, damit der Vorstand die Veröffentlichung vornehmen kann.[142]

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