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6. Vorsorgliche Selbstbefreiung

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Unter § 15 WpHG a.F. war die Möglichkeit der vorsorglichen Selbstbefreiung umstritten, wurde jedoch anerkannt.[155] Die Frage der vorsorglichen Befreiung stellt sich insbesondere bei gestreckten Sachverhalten, da bei wesentlichen Zwischenschritten schon eine Insiderinformation vorliegen kann. Eine vorsorgliche Selbstbefreiung bedeutet, dass die Insiderinformation nach Auffassung des Emittenten zwar zu einem identifizierten späteren Zeitpunkt eintritt, er sich jedoch hilfsweise bzw. rein vorsorglich, für den Fall, dass die Aufsichtsbehörde oder ein Gericht einen früheren Anknüpfungspunkt für das Entstehen der Insiderinformation annimmt, ab einem näher zu bezeichnenden Zeitpunkt selbst befreit. Eine solche vorsorgliche Selbstbefreiung dient insbesondere der Vermeidung potenzieller, in der Höhe unabsehbarer zivilrechtlicher Ansprüche.

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Die Diskussion um eine vorsorgliche Selbstbefreiung ist letztlich für die Praxis unerheblich, da nur zwei Varianten möglich sind. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer Insiderinformation bei rückwirkender Betrachtung vor, so ist sie als echte Selbstbefreiung zu behandeln. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat auch die Selbstbefreiung keine Relevanz.[156]

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Eine vorsorgliche Selbstbefreiung kommt insbesondere bei komplexen Sachverhalten, wie Unternehmensübernahmen, aber auch bei sonstigen gestreckten Sachverhalten, wie der Veröffentlichung von Geschäftszahlen, in Betracht. Eine Veröffentlichung der Geschäftszahlen wird regelmäßig erst erfolgen, nachdem sich der Gesamtvorstand mit ihnen befasst hat. Fraglich ist jedoch, wann bei einer unterstellten Kurserheblichkeit des Geschäftsergebnisses eine Insiderinformation vorliegt; erst mit Befassung des Gesamtvorstands mit den Zahlen oder bereits zuvor, beispielsweise wenn die Bilanzabteilung, die aus ihrer Sicht endgültigen Zahlen an den Finanzvorstand übermittelt oder zu einem noch früheren Zeitpunkt, wenn sich im Prozessverlauf aus Sicht der Bilanzabteilung ein überwiegend wahrscheinliches Gesamtbild der Zahlen ergibt. Nach früherer Auffassung der BaFin entsteht die Veröffentlichungspflicht erst, wenn das Geschäftsergebnis dem Vorstand oder dem sonst für die Veröffentlichung nach § 15 WpHG a.F., nunmehr Art. 17 MAR, Verantwortlichen des Unternehmens zur Verfügung steht.[157] Danach wäre mithin auf die Kenntnisnahme durch den Gesamtvorstand abzustellen und eine Selbstbefreiung im Vorfeld nicht erforderlich, es sei denn, ein anderes Gremium wäre für die Ad-hoc-Veröffentlichung verantwortlich. Die Befassung eines Ad-hoc-Gremiums mit den Zahlen, das jedoch lediglich einen Vorschlag zur Beschlussfassung zur Publizität für den Vorstand erstellt, würde mangels Verantwortlichkeit danach nicht die Ad-hoc-Publizitätspflicht auslösen.[158] Es steht zu erwarten, dass die BaFin Ihre Verwaltungspraxis, auch vor dem Hintergrund zum Umgang mit Zwischenschritten, anpassen dürfte. In ihren FAQ zu Art. 17 MAR hat die BaFin die bisherige Meinung nicht übernommen, dass die Veröffentlichungspflicht erst vorliegt, wenn diese den Verantwortlichen des Unternehmens zur Verfügung stehen. Nach ihrer derzeitigen Auffassung entsteht eine Insiderinformation im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss dabei i.d.R. bereits vor Aufstellung/Feststellung des relevanten Abschlusses, allerspätestens aber mit Aufstellung durch den Vorstand.[159] Dies hat zur Folge, dass eine Selbstbefreiung ggf. nicht erst mit Aufstellung durch den Vorstand, sondern bereits zuvor vorzunehmen ist.

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