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22. Richmuth von der Aducht

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Die alte Stadt von Köllen ist aller Welt bekannt,

Sie wird an vielen Stellen die heilige genannt.

Das Blut im Glaubensstreite hier manchem Held entrann,

Bis er nach seinem Leide die Marterkron' gewann.

In grauen Zeiten lebte ein Mann da schlecht und recht,

Hochhin ins Alter strebte sein adelig Geschlecht.

Sein Haus und Türmlein lagen am Neumarkt, wohlbekannt,

Wo hoch die Zinnen ragen, Apostelnstift genannt.

Vom Stamm der Aducht führte Herr Mengis Schild und Nam',

Sein Haus Richmodis zierte, die er zum Weibe nahm.

Sie lebten treu und friedlich mit Gott und mit der Stadt,

Und schafften unermüdlich den Armen Rat und Tat.

Der beiden treuer Liebe kein Kindlein war geschenkt,

Drum sah man gram und trübe sie stets in Trau'r versenkt.

Wer soll in alten Tagen ihr Stab und Pfleger sein?

Sie sind in Leid und Klagen dann allzusehr allein.

Drob grämte sich der Ritter gar sehr in stillem Schmerz;

Es floß so schwer und bitter der Kummer in sein Herz.

Richmodis aber sandte nur Seufzer zu dem Herrn,

Und an Maria wandte sie sich so treu, so gern.

Da mochte ihr einst bedünken, als ob der Jungfrau Bild

Ihr huldreich täte winken und wunderlieb und mild:

Als öffnet sie das Mündlein und ihre Augen zart,

Und würd' vom fernen Stündlein ihr etwas offenbart.

Ein Totenköpflein reichet Maria ihr mit Huld,

Und Frau Richmodis schweiget und nimmt es in Geduld.

Doch aus dem Schädel heben drei Rosen sich hervor,

Aus deren Dufte schweben drei Englein sanft empor.

Richmodis sieht das Zeichen, doch dunkel ist der Sinn.

Die Kräfte ihr entweichen, sie sinkt aufs Lager hin.

Und stets in süßen Träumen drei Rosen vor ihr blühn,

Stets wie aus Himmelsräumen sieht sie drei Englein ziehn.

Allein ihr ist so bange, das Herz wird ihr so schwer,

Herr Mengis bleibt so lange, das kümmert sie so sehr.

Der saß im hohen Rate, sein Lieb das war so krank,

Und als er endlich nahte, sie mit dem Tode rang.

Der Ritter sich entsetzte, ihr Weh das Herz ihm brach,

Ihr Lager er benetzte mit Tränen Nacht und Tag.

Er konnte nicht erfragen der Trauten Schmerz und Not,

Und schon nach dreien Tagen da war Frau Richmod tot.

Drob sank in Trau'r und Leiden der tiefbetrübte Mann,

Wollt' auch von hinnen scheiden, wollt' mit der Lieben gan.

Er zierte sie mit Golde und reichem Edelstein,

Es sollte stets die Holde ihm noch verbunden sein.

Auch ließ als Pfand der Treue er ihr den goldnen Ring,

Den sie in heil'ger Weihe als Braut dereinst empfing.

Den nahm von ihm die Gute hinunter in das Grab.

Er sprach in trübem Mute: „Sänk' ich auch bald hinab!“

Da lag in kühlem Grunde geziert so schön und reich

Zur mitternächt'gen Stunde Frau Richmod starr und bleich,

Und stets ihr noch in Träumen drei schöne Röslein blühn,

Stets wie aus Himmelsräumen sieht sie drei Englein ziehn.

Doch sie den Röslein saget. „Ihr blühet nicht für mich!“

Doch sie den Englein klaget: „Ihr zieht nicht her für mich!

Denn seht, ich muß hier weilen in tiefer dunkler Nacht

Bis sich die Wolken teilen und neu der Morgen tagt.

Schwebt auf, ihr süßen Düfte, zu Gottes Mutter hin!

Schwebt auf in hohe Lüfte, ihr schönen Seraphin!

Maria, keine Rose, kein Englein sende mir,

Mir wird wohl nur zum Lose ein Totenköpflein hier.“ –

Und als sie so noch denket, vom Schlummer sie erwacht

Und fühlt sich nun versenket in tiefe Grabesnacht:

„Maria, wird gerochen mein Kleinmut alsosehr,“

Sprach sie, „so nimm“ – ein Pochen hört sie rings um sich her,

Das Grab, der Sarg sich lüften – „so nimm doch nun mich auf!“

Sprach's: von den Totengrüften eilt was in schnellem Lauf.

Der Totengräber fliehet, und läßt den reichen Schatz,

Um den er sich bemühet angstvoll an seinem Platz:

Verläßt auch die Laterne zusamt und sein Gerät

In großer Furcht schon gerne, wie es da liegt und steht.

Frau Richmod sich erhebet, sieht nach dem Grab sich um,

Hört fern den Mann noch, bebet und dankt Gott still und stumm.

Und mit dem Lämpchen schleichet sie von dem Kirchhof fort,

In Graus und Frost erreichet sie ihres Hauses Pfort'.

Sie pocht so wie Gespenster mit matten Händen an,

Bis endlich wird ein Fenster behutsam aufgetan.

Der Ritter war's. Der fragte: „Wer stört hier meine Ruh'

In finstrer Nacht?“ und machte das Fenster wieder zu.

Allein Richmodis Pochte von neuem mehr und mehr.

Die kalte Nachtluft mochte sie drücken allzusehr.

Der Ritter kehret wieder: „Könnt Ihr in Nacht und Graus,

Mein Ehherr und Gebieter, mich schließen vor das Haus?

O traget doch Erbarmen, viellieber Hauswirt mein!

Gönnt der erstandnen Armen Eu'r kleinstes Kämmerlein.“

So sagt die Frau. Der Ritter erschrickt ob dieser Mär',

Und spricht durchs Fenstergitter: „Mein Lieb kehrt nimmermehr!

Ist's gleich auch ihre Stimme, ist's doch nur ein Gesicht!“

Zu wehren Gottes Grimme er De profundis spricht.

Allein Richmodis weinet, hüllt sich ins Todeskleid,

Fleht, daß ihr nun erscheinet der Herr in ihrem Leid.

„So mögen denn zum Zeichen erst meine Rosse nun

Hinauf zum Boden steigen, statt in dem Stall zu ruhn!“

Sagt er. Und Gottes Güte viel Wunderding' vermag,

Zu frein ein fromm Gemüte aus schwerer Pein und Klag':

Herr Mengis hört die Gäule, wie sie mit schwerem Gang

Zum Söller ziehn in Eile schon seiner Stub' entlang.

Da greift ihn Furcht und Schauer, er rennt zu seinem Weib;

Die stand an feuchte Mauer gelernt den müden Leib.

Er weinte, fleht' und faßte sie küssend in den Arm,

Trug schnell dann die Erblaßte zum Bette sanft und warm.

Herr Mengis, seine Mägde und Diener hocherfreut,

Ein jeder ihrer Pflegte in Lust und Herzlichkeit.

Da ward von allen Seiten viel Treu' und Lieb' geübt:

Gott kann zur Freude leiten, wen er zuvor betrübt.

Auch ward in wenig Tagen Frau Richmod ganz gesund,

Und nach so vielen Klagen ward jung die Hochzeitstund'.

Oft schien noch die Geschichte der Frau und ihrem Mann,

Als hätt' sie ein Gesichte getäuscht in Trug und Wahn.

Auch scholl zu jedem Ohre alsbald die Wundermär',

Und zu des Hauses Tore drängt bunt die Menge her.

Und traun! da sehn die Pferde vom Söller stumm und starr

Hinunter auf die Erde, und sehn noch manches Jahr.

Richmodis aber spinnet still in dem Kämmerlein,

Und lacht nie mehr und sinnet dem Herrn zu Dank zu sein.

Sie weihet manche Gabe Maria und dem Kind,

Die selbst im tiefsten Grabe ihr hold gewesen sind.

Und wie drei Röslein schweben zu ihr drei Kindlein hin,

Die als drei Englein leben und für den Himmel blühn.

So ward am End' erfüllet Richmodis' heiß Begehr,

In ihrem Herzen quillet stets Gottes Lob und Ehr'.

Sie wob ein schön Gebilde mit eigner zarter Hand,

Das sie dann fromm und milde zu ihrer Kirche sandt'.

Da war es lang' zu sehen, es hing zur Fastenzeit

Im Chore von den Höhen in Pracht und Künstlichkeit.

Maria und die Jünger sah man am Kreuze stehn,

Wie sie zum starken Ringer fürs Heil der Menschheit flehn.

Am Kreuze liegt der Schädel, auf dem die Rosen blühn;

Und rechts und links hochedel die Rittersleute knien.

Und aus den Rosen heben drei Englein sich empor,

Die zu dem Heiland schweben in wundersüßem Chor.

So hat uns zum Gedächtnis Richmod das Tuch gestickt,

Und es dann zum Vermächtnis in jenes Stift geschickt.

Lang stöhnt' es auf dem Grabe, das nun das Paar vereint,

So schauerlich, als habe das Leichentuch geweint.

Allein den frommen beiden gab Gott auf seinem Thron

Nach ihren vielen Leiden der treuen Liebe Lohn.

E. v. Groote.

Sagen aus dem Rheinland

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