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28. Ein Kölner Meister

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Zu Ende des XIV. Jahrhunderts.

(Nach Ghiberti.)

Du hast, Ghiberti, scharf und streng und richtig

Beurteilt meine Kunst und mich gelobt;

Das Lob aus deinem Munde klang gewichtig.

Ich habe dir, den ich als Freund erprobt,

Von meines Meisters Kunst zu Köln am Rheine

den höchsten, seltensten Genuß gelobt.

Blick her! du glühest wie von jungem Weine:

Worauf dein Auge fällt, ein Meisterstück!

Du jauchzest, und du siehest, daß ich weine.

Entschwundne Tage ruft mir dies zurück,

Und auch den Tag, wo ich ihn trug zu Grabe,

Der liebend mich und lehrend war mein Glück.

Auf diesem Bruchstück hier, der blonde Knabe,

Der von der Stirne sich die Locken streicht,

Der bin ich, wie ich einst gedient ihm habe.

Er hat mir treu die Führerhand gereicht,

Ich wurde stark in seinem milden Strahle;

Nun hat der Winter mir das Haar gebleicht.

Die griech'schen Meister sind dir Ideale:

Sei selbst du zwischen ihm und ihnen Richter:

Auf welche Seite neiget sich die Schale?

Sieh, wie er hochgelehrt und doch mit schlichter

Natürlichkeit das Nackte hier gestaltet,

Und hier die hohe Schönheit der Gesichter.

Die Kunst bewundre, die er hier entfaltet,

Die Zierlichkeit der Arbeit, die Vollendung,

Und dieser Riß: da hat wohl Gott gewaltet.

Das Werk bestimmte seines Schicksals Wendung,

Es sollt' ihn zu des Ruhmes Gipfel tragen,

Und ward das Werkzeug einer höhern Sendung.

Ich muß vom frommen Meister mehr dir sagen;

Wie lieblich er in seiner Kunst erscheint,

War selbst er liebenswert in seinen Tagen.

Anjou, der mit der Kunst es gut gemeint,

Hat ihn geehret vor den Meistern allen,

Die huldreich er an seinen Hof vereint.

Für Anjou hat der Meister den Metallen

Das Siegel seines Geistes eingedrückt,

Und Kirchen ihm verziert, Altar und Hallen;

Auch seinen Schenktisch hat er ihm geschmückt,

Geschmiedet ihm Pokale, Krüge, Schilde,

Die jedes Kunsterfahrnen Blick entzückt.

Da wollte denn der Fürst in seiner Milde,

Daß noch aus lauterm Golde, sondergleichen,

Sein Meisterstück er, eine Tafel bilde;

Versehen sollt' er die mit seinem Zeichen,

Auf daß die Nachwelt seinen Ruhm erfahre,

Und staunend ihm den Lorbeer möge reichen.

Hier liegt der Riß dir vor, den ich bewahre;

Am Werke selbst hat meines Meisters Hand

Gehämmert und gefeilt drei volle Jahre.

Und wie er fertig war, wie er's gesandt

Dem guten Fürsten, welcher es bestellt,

Da hatte sich das Glück von dem gewandt.

Die Feindschaft weißt du, die sich eingestellt

Verderblich zwischen ihm und Lanzelote

Und aufgereget eine halbe Welt;

Da kam zum Meister ein betrübter Bote:

Einschmelzen hatt' er jene Tafel lassen,

Weil ihm kein Geld, kein schnödes, zu Gebote.

Da sahn den guten Meister wir erblassen,

Erschrocken schweigen eine lange Zeit,

Und krampfhaft nach dem wunden Herzen fassen.

Dann, niederkniend in Unterwürfigkeit,

Sprach er und hob die Arme himmelwärts:

Auch das war eitel! eitel Eitelkeit!

Am ird'schen Abglanz hing mein töricht Herz,

An dem vergänglichen des ew'gen Lichtes:

Nun faßt um Eitles mich ein eitler Schmerz!

O Herr, was falsch und eitel war, vernicht es!

In meinem Busen dienen dir und büßen,

Das will ich bis zum Tage des Gerichtes.

So stand er auf und sah uns an mit süßen,

Wehmüt'gen Blicken, schritt sodann hinaus,

Rückschauend nur noch einmal uns zu grüßen.

Und in die Berge, in der Wildnis Graus

Trug weltverlassend ihn sein Fuß, zu bauen

Einsiedlerisch Kapell' und niedres Haus.

Da mocht' er Unvergänglichem vertrauen

Und suchen, klares Auges, reines Licht,

Vermeidend in das Nebeltal zu schauen.

Wie fromm er war, ein Frömmler war er nicht;

Oft suchten wir ihn auf, er sah uns gerne

Und gab uns lächelnd Rat und Unterricht.

Er liebte noch die Künste wie die Sterne,

Und seine lieben Schüler und Genossen;

Er hielt sein Herz nur von dem Schlechten ferne.

Einst fanden wir wie schlummernd hingegossen

Am Kreuz ihn, wo zu beten er gepflegt;

Sein altermüdes Auge war geschlossen.

Wir weinten, als wir ihn zur Ruh' gelegt.

A. v. Chamisso.

Sagen aus dem Rheinland

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