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Rechnen als „römische Kompetenz“ – Aufbaukurse beim „calculator“
ОглавлениеIm Alltag benötigte man auch das Bruchrechnen, und zwar sowohl den Duodezimal- als auch den Dezimalbruch. Wer – wie Handwerker und Geschäftsinhaber – auf „handfeste“, anwendbare Schulbildung Wert legte, suchte für sein Kind sicher vorrangig eine Schule aus, in der diese Rechenkompetenz nicht vernachlässigt wurde. Bezeichnenderweise rühmen sich Freigelassene im Roman des Petron der „Rechenkünste“ ihrer Söhne: Der eine, noch ganz junge Sohn „kann schon durch vier teilen“, der andere wird als besonders tüchtig gelobt, weil „er durch zehn teilen kann“20. Das war jedenfalls für den, der keine weitere Schulbildung anstrebte, das Alltagsrüstzeug, das ausreichte, um „ihm ein Handwerk beibringen oder ihn den Friseurberuf ergreifen zu lassen oder den eines Auktionators: Etwas, das ihm nur die Unterwelt wieder wegnehmen kann“21.
Der patente Vater lässt seine Gesprächspartner zusätzlich wissen, welchen Rat er seinem Sohn stets mit auf den Schulweg gibt: quid discis, tibi discis, „was du lernst, lernst du für dich“. Das waren schon zur Römerzeit die „Sprüche“, die sich Jugendliche von ihren Eltern anhören mussten.22 Und das traf, auch wenn es so schrecklich floskelhaft daherkam, auch damals schon zu.
Das Rechnen hat in römischen „Grundschulen“ wohl einen größeren Raum eingenommen als bei den Griechen. Horaz jedenfalls grenzt diese „römische“ Kompetenz deutlich von der „griechischen Muse Talent, dem Zauberfluss der Rede“, ab.23 Für kompliziertere Rechenoperationen wurde anscheinend ein Speziallehrer, der calculator, hinzugezogen. Abgesehen davon, dass es solche spezialisierten Rechenlehrer gab, erfahren wir nichts darüber, wie sie organisatorisch in den Unterricht eingebunden wurden. Es ist durchaus denkbar, dass die eher praktisch veranlagten Absolventen der Elementarschule eine Art Aufbaukurs beim calculator besucht haben24 – zumal der Rechenlehrer höhere Honorare fordern konnte als der normale ludi magister.25 Es wäre aber auch denkbar, dass der Betreiber einer „Grundschule“ die eine oder andere Mathematikstunde an den – dann von ihm per Werkvertrag bezahlten – calculator abgetreten hat. Ähnliche Unsicherheiten gibt es im Hinblick auf Spezialfächer wie Musik, Tanz und Sport. Sie alle gehörten nicht zum Basisangebot der Elementarschule, wurden aber von dem einen Schüler oder der anderen Schülerin nachgefragt – wenn auch wohl nicht in nennenswertem Umfang. Als Unterrichtsgegenstände beim ludi magister spielten sie indes keine Rolle.