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Spezialauftrag

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Ricardo Cruz wurde ins Hauptquartier der CIA nach Langley, Virginia gerufen. Er erhielt Order, sich für einen Spezialauftrag zur Verfügung zu stellen. Wie in den meisten Fällen waren seine Aufträge gefährlich, doch in dieser Sache agierte er auf heimischen Boden. Eigens dazu sollte er in seine Heimat nach Bogota fliegen. Diese Gelegenheit bekam Rick nicht oft. Er vermisste sein zu Hause sehr und vor allem vermisste er seine Eltern. Dass ihr jüngster Sohn für eine amerikanische Behörde arbeitete, wussten sie. Es gefiel ihnen zwar nicht, dass Ricardo sich für ein anderes Land entschieden hatte, aber sie billigten es. Sein Bruder Manuel hingegen hielt sich mehr in Kolumbien als in den Staaten auf. Auf diese Weise besuchte er seine Eltern so oft, es ging. Er hatte ihnen ein schönes Haus gekauft, um ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Außerdem versorgte er sie mit Geld. Natürlich nahmen sie es dankend an, glaubten sie doch, dass die kolumbianische Regierung ihren Sohn gut bezahlte. Es wäre ihnen niemals in den Sinn gekommen, dass alles, was sie besaßen, aus Drogengeldern stammte.

Rick flog von Langley direkt nach Bogota, wo er sich auf dem Flughafen einen Landrover mietete. Er mochte diese Fahrzeuge sehr. Sie hatten Allradantrieb und waren für jedes Gelände bestens geeignet. Immer, wenn er sich in seiner Heimat aufhielt, war er von den üppigen grünen Wäldern, die sich an Plantagen reihten und an sattgrünen Weiden, auf denen Rinderherden grasten, beeindruckt. Rick zog die heimische Luft ein, als wäre es sein Lebenselixier. Vor etwa 15 Jahren wohnte er zusammen mit seinem Bruder und den Eltern in einer kleinen armseligen Behausung am Rande der Hauptstadt Bogota. Jetzt war alles anders. Das Haus seiner Eltern war ein wahres Schmuckstück. Es befand sich in einem grünen, mit Bäumen bewachsenen Hain. Mit einem unglaublich friedlichen Gefühl stand er vor der Haustür, streckte den Arm aus und legte seinen Finger auf den Klingelknopf.

»Mama!« Rick schloss seine Mutter in die Arme. Er küsste und herzte sie.

»Lass dich anschauen Mama. Du siehst gut aus.«

Wieder drückte und küsste er seine Mutter zärtlich.

Die Tränen liefen Maria Cruz über ihr sanftes Gesicht.

»Ricardo, mein lieber Junge. Du bist schmal im Gesicht geworden, du solltest mehr essen.«

Rick musste schmunzeln. Seine Mutter machte sich, solange er denken konnte, immer schon Sorgen um die Gesundheit ihrer Jungs.

Hinter Maria erschien Ricks Vater, Jose Cruz. Sie begrüßten sich wie Männer, mit einem kräftigen Handschlag. Jose machte noch nie viele Worte, trotzdem entging Rick nicht, wie sein Vater sich um Haltung bemühte. Er liebte seine Söhne, doch hatte er nie gelernt, es in Gefühle auszudrücken. Trotzdem würde er alles für seine Jungs tun.

»Komm rein Junge!«, sagte sein Vater.

Im Eingangsbereich schaute sich Rick um. Es war hell und freundlich. An den Wänden hingen Bilder mit verschiedenen Motiven. Landschaften und Stillleben, aber auch Fotografien von seinen Großeltern, seinen Eltern, von Manuel und ihm selbst, als sie noch Kinder waren. Unwillkürlich dachte er an die Zeit, in der er mit seinen Eltern und seinem Bruder, in einem viel zu kleinen Haus wohnte.

Manuel hatte an nichts gespart. Rick verurteilte, wie sein Bruder Geld verdiente, doch für diese Tat war er ihm dankbar.

Seine Eltern führten ihn durch das Haus. Es sah alles so freundlich aus. Es gab mehrere Zimmer, vielleicht waren es vier oder fünf, so genau hatte er sich das nicht gemerkt. Ein Bad mit Wanne und Dusche und eine mit einer flachen Wand abgegrenzten Toilette. Rick erinnerte sich an die Zeit, als sie noch über den Hof zur Toilette gehen mussten. Kurz schüttelte er den Gedanken ab. Vom Wohnzimmer aus gelangte man auf eine Terrasse mit Zugang zu einem wunderschön gepflegten Garten. Der Lieblingsbereich seines Vaters. Hier konnte er werkeln nach Lust und Laune. Im landwirtschaftlichen Dingen kannte sich sein Vater bestens aus.

Seine Mutter hatte den Tisch im Wohnzimmer gedeckt und natürlich seinen Lieblingskuchen gebacken. Hefeteig mit Bratapfel und Zimt. Normalerweise gab es diesen immer zu Weihnachten, aber zur Feier des Tages wurde eine Ausnahme gemacht.

»Danke Mama, das war aber nicht nötig. Du hast dir wieder viel zu viel Arbeit meinetwegen gemacht.«

Maria strahlte ihren Sohn an und sah zu, wie er zugriff und ein Stück nach dem anderen aß.

»Schmeckt es?«

»Mmmm«, raunte Rick und verdrehte dabei die Augen.

Er griff gleich noch einmal zu, als es an der Tür klingelte. Er schluckte schnell den letzten Bissen noch herunter.

»Erwartet ihr Besuch«, fragte er seine Eltern.

Sein Vater erhob sich, um zur Tür zu gehen.

Maria nahm die Hand ihres Sohnes, dann sagte sie:

»Ich habe eine Überraschung für dich.«

Rick sah sie mit großen Augen an.

»Eine Überraschung?«

»Ja Schatz. Ich dachte, dass es schön wäre einmal wieder eine komplette Familie zu sein.«

Er ahnte, was seine Mutter damit meinte, aber fand es keine gute Idee. Das konnte er ihr natürlich nicht sagen. Sie hätte es nicht verstanden.

»Guten Tag Bruderherz.«, hörte er eine ihm bekannte Stimme. Rick drehte sich um. In der Wohnzimmertür stand Manuel. Zerzauste Haare, die viel zu lang waren, eine schwarze Jeans und wie immer ein schwarzes Leinenhemd.

»Dir auch einen guten Tag, Bruder.«

Rick erhob sich und gab Manuel die Hand. Sein Bruder allerdings fackelte nicht lange, sondern drückte ihn an seine Brust. Einen Augenblick sahen sich beide in die Augen. Dann drückte Manuel seine Mutter und gab ihr einen zarten Kuss auf ihre Stirn.

»Wie schön es ist, euch zusammen hier zu haben. Jose, findest du das nicht auch?«

Papa Cruz, wie ihn viele nannten, nickte nur. Er hatte nie viele Worte um etwas gemacht. Doch wussten die Jungs, dass er auf seine Weise glücklich und bestimmt auch stolz war.

Der Nachmittag zog sich hin. Die Familie unterhielt sich über vergangene Ereignisse. Sie lachten gemeinsam und manchmal wurden sie auch etwas nachdenklich.

»Ich muss mir mal die Beine vertreten, kommst du mit in den Garten?«, fragte Manuel seinen Bruder. Zusammen gingen sie über die Terrasse in den zauberhaft, von Blumen duftenden Garten. Jose Cruz hegte und pflegte seine Pflanzen und manchmal erwischte ihn seine Frau dabei, wie er sogar mit ihnen redete.

»So Rick, wir sind jetzt unter uns. Warum bist du hier? Du kommst doch nicht einfach nur so vorbei. Hast du etwas zu erledigen in Kolumbien oder machst du etwa Urlaub?«

Der Sarkasmus in seinen Worten war nicht zu überhören.

»Beides Bruder! Beides!«, entgegnete Rick, ließ sich aber nicht provozieren.

»Hat dich dein Arbeitgeber auf die Jagd nach Drogenhändlern geschickt? Nun, ich kann dich beruhigen, du wirst keine finden. Die sind nämlich cleverer als du und lassen sich ganz bestimmt nicht von dir einfangen.«

Rick war ganz entspannt. Er wollte seinen Bruder keinen Anlass geben, etwas zu tun, was er vielleicht später bereuen würde. In einem ruhigen und gelassenen Ton sagte er schließlich:

»Weißt du, Drogenhändler gibt es in L.A. genügend, dazu muss ich nicht nach Kolumbien reisen. Nein, ich bin nicht deshalb hier. Es hat dich auch nicht zu interessieren. Übrigens, was ich dir noch sagen wollte Bruderherz, lass deine Finger von Samantha Black. Habe ich mich da klar ausgedrückt?«

Manuel erstarrte und sein Blick wechselte von überrascht zu ernst.

»Oh, der Herr ist wohl verliebt? Na was sagt man denn dazu? Was hältst du davon kleiner Bruder, wenn du die Finger von ihr nimmst?«

»Ich meine es ernst, Manuel. Wenn ich erfahre, dass du für ihre Entführung verantwortlich warst, wirst du es bereuen.«

Manuels Blick veränderte sich schlagartig.

»Willst du etwa damit sagen, Sam wurde entführt?«

»Sie wurde in den letzten zwei Wochen überfallen, fast überfahren und entführt, aber keine Angst, ich war zur rechten Zeit da, um ihr zu helfen.«

Rick konnte sehen, dass sein Bruder sichtlich betroffen wirkte. Wusste er tatsächlich nichts davon oder spielte er nur den Unschuldigen.

»Ich hatte echt keine Ahnung, dass so etwas passiert ist. Das musst du mir glauben, Rick. Wie geht es ihr jetzt, ist sie wohl auf oder wurde sie verletzt?«

»Manuel, du handelst mit Drogen. Du arbeitest für die Drogenmafia. Wer bitte hätte denn, außer deinen Leuten, Interesse daran, Samantha Black etwas anzutun. Sie ist eine ganz normale Frau, hat ein kleines Geschäft, geht abends alleine nach Hause und hat keinen Partner, im Augenblick jedenfalls. Also, wer bitte sonst? Und ja, es geht ihr gut.«

Es gefiel Manuel nicht, wie Rick mit ihm redete.

»Ich sage es dir doch, ich wusste nichts davon. Glaubst du etwa, ich erfahre von allen Vorhaben meiner Auftraggeber? Glaube mir Rick, so läuft das hier nicht. Die vertrauen nur sich selbst, sonst niemandem.«

»Nun Bruder, dann solltest du in Zukunft mal deine Augen und Ohren aufsperren um mitzubekommen, was die in L.A. vorhaben. Sollte Sam oder ihrer Mutter etwas zustoßen, mache ich dich persönlich dafür verantwortlich. Darauf gebe ich dir mein Wort.«

»Oh sieh an, mein Bruder droht mir. Hör jetzt mal gut zu Rick. Du weißt nichts von mir. Du hast nicht die geringste Ahnung, was ich mache. Also, halt dich aus allem raus. Verstehst du? Mehr habe ich dir nicht zu sagen.«

Rick hatte bei diesen Worten ein merkwürdiges Gefühl, so als hätte sein Bruder Angst um ihn. Er überlegte, ihm den wahren Grund seines Aufenthaltes zu erzählen. Vielleicht konnte Manuel ihm sogar behilflich sein. Er entschloss sich seine Karten offen zu legen.

»Nun gut Bruder.«, sagte Rick, »du wolltest wissen, warum ich hier bin? In gewisser Weise deinetwegen. Die CIA hat Informationen über einen Mann mit Namen Miguel de Vargas bekommen. Er soll der Kopf eines Drogenkartells hier in Kolumbien sein. Ich wurde beauftragt ihn zu finden und nach Möglichkeit, unschädlich zu machen.«

Manuel musste sich beherrschen um nicht loszulachen.

»Miguel de Vargas soll der Kopf eines Kartells sein? Was du nicht sagst.«

Die Reaktion seines Bruders überraschte Rick.

»Du kennst ihn, nicht wahr?«

Manuel lachte übertrieben laut.

»Kleiner Bruder, natürlich kenne ich Miguel. Er ist mein bester Freund.«

Rick traute seinen Ohren nicht. Miguel de Vargas, der beste Freund seines Bruders und ausgerechnet er selbst sollte diesen Mann stellen und der CIA übergeben. Ihm gingen die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf. Hatten die von der CIA gewusst, dass sein Bruder Miguel kannte? Ihm kam in den Sinn, dass sie nur seine Loyalität testen wollten.

»Halt dich von Miguel fern, er ist ein sehr guter Kämpfer. Du solltest also vorsichtig sein, wenn er dir über den Weg läuft. Miguel ist für seine Brutalität bekannt.«

»Warum erzählst du mir das? Willst du mir etwa Angst machen?«

»Weißt du, wir agieren nicht auf derselben Seite, aber immer noch gehören wir zu einer Familie. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt. Kannst du das vielleicht verstehen?«

Rick war überrascht.

»Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um mich. Hast du Angst davor, dieser Miguel könnte mich töten?«

Manuel wurde mit einem Mal sehr ernst.

»Er kann dich töten und weißt du auch warum? Er ist nicht allein. Er schnippt mit den Fingern und sofort laufen ein paar seiner besten Leute los, die dich unschädlich machen. Ich warne dich Rick, nimm die Sache nicht auf die leichte Schulter. Du magst ein Elitekämpfer sein, aber dem bist du nicht gewachsen.«

»Wir werden ja sehen. Du könntest mir auch bei meinem Auftrag helfen. Was sagst du dazu?«

Mit einem verschmitzten Lächeln sah Rick Manuel in die Augen.

»Du willst, dass ich meinen besten Freund verrate? Oh nein Bruder, das kannst du vergessen. Mir geht es gut, unseren Eltern geht es gut. Was will ein Mann mehr. Vielleicht noch die richtige Frau. Ach ja, ich vergaß, ich habe sie ja bereits gefunden.«

»Ich warne dich Bruder, wenn du Sam damit meinst, ich behalte dich im Auge.«

Vom Haus war die Stimme ihrer Mutter zu hören.

Gemeinsam, als wäre nichts gewesen, gingen sie zurück zum Haus. Es roch wunderbar.

»Habt ihr euch gut unterhalten Kinder?«, fragte Maria zufrieden ihre Söhne.

Manuel gab ihr einen Kuss auf die Wange.

»Ja Mama, haben wir, so wie in früheren Zeiten. Nicht war Brüderchen?«

Rick sah seinen Bruder mit zusammen gekniffenen Augen an, dann gab auch er seiner Mutter einen Kuss.

»So wie früher Mama. So wie früher.«

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