Читать книгу Im Schutz der Orchideen - Karola Schmidt - Страница 8

Die Entführung

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Sam lag noch immer auf ihrer Couch und ging in Gedanken ihren Tagesablauf durch.

Erst einmal duschen, dann frühstücken, ins Geschäft gehen, mit Mom sprechen und versuchen Rick zu erreichen. Na toll, dann ist der Tag ja schon wieder zu Ende. »Also Sam, steh endlich auf!«, sagte sie zu sich selbst.

Sie rekelte sich noch einmal und langsam bewegte sie sich von ihrer bequemen Couch in eine Sitzposition. Ihr Kreislauf musste noch in Schwung kommen, bevor sie sich auf ihre beiden gesunden Beine stellte, um den gerade in Gedanken aufgestellten Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Ein Blick auf die Uhr an der Wand verriet ihr, dass es erst acht Uhr in der Früh war. Sie war somit noch ganz gut im Rennen. Trotzdem sie nur wenig Schlaf in dieser Nacht hatte, fühlte sich Sam eigentlich ganz fit. Die heiße Dusche tat ihrem Körper gut. Sie putzte sich die Zähne, kämmte ihre Haare und band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen, was sie sehr mädchenhaft aussehen ließ. Einen Spritzer ihres Parfüms und fertig. Ihr Spiegelbild gefiel ihr. Nach dem Frühstück ging sie ins Schlafzimmer, öffnete ihren Kleiderschrank und überlegte, was sie heute anziehen sollte. Sie entschied sich für eine hellgrüne Bluse, die perfekt zu ihrem dunkelgrünen Kostüm passte. Im Schuhschrank suchte sie aus der Vielfalt ihrer Schuhe noch die passenden grünen Pumps aus, dann eine kurze Drehung vor dem langen Flurspiegel und sie war mit ihrer Garderobe fast zufrieden. Es lag an ihrer Handtasche. Sie war schwarz. Im Allgemeinen war Sam sehr auf ihr Äußeres bedacht, besonders auf ihre Garderobe. Schuhe, Gürtel und Tasche mussten zusammen passen, doch jetzt hatte Sam keine Lust mehr ihre Handtasche noch umzupacken. Sie griff noch schnell Ihre Schlüssel und schon verließ sie ihre Wohnung. Im Aufzug nach unten in die Tiefgarage grübelte sie so vor sich hin. Was, wenn sich die Tür vom Lift öffnete und jemand davor stand? Sam hatte nicht die geringste Chance zu entkommen. Verrückt, was ihr heute alles so in den Sinn kam. Du spinnst langsam Samantha, sagte sie zu sich selbst. Der Lift kam zum Stehen. Samanthas Herz schlug bis zum Hals. Die Tür öffnete sich, niemand war zu sehen. Sie atmete erleichtert auf. Die Tiefgarage war zwar hell erleuchtet, doch hatte sie etwas an sich, was einem Angst machte. Da waren die vielen Pfeiler, hinter denen sich jemand verstecken konnte. In seltenen Fällen traf Sam auf einen Bewohner des Hauses. Ihr Auto stand etwas weiter vom Aufzug entfernt. Mit schnellen Schritten lief sie darauf zu, als Sam einen Motor aufheulen hörte. Gleich darauf waren durchdrehende Reifen aus einiger Entfernung zu hören. Blitzschnell schaute sie in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Zwei Scheinwerfer funkelten ihr entgegen und ein Wagen fuhr mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu. Wie gelähmt stand Sam mitten auf dem Gang. Ihre Füße waren wie Blei. Sie konnte sich vor Schreck nicht von der Stelle rühren. Gleich bist du tot, dachte sie noch, als sie zwei Arme umfassten und im letzten Moment aus der Gefahrenzone zerrten. Sam stand so unter Schock, dass sie nicht einmal schreien konnte. Die beiden Arme hielten sie solange fest, bis sie wieder richtig zu sich kam und in der Lage war sich umzudrehen, um zu sehen, wer ihr gerade das Leben gerettet hatte.

Ein Mann, groß, muskulöser Oberkörper, hübsches Gesicht und gut geformte Lippen. Lippen, die sie gestern Nacht noch geküsst hatten. »Rick«, flüsterte sie.

Sam öffnete den Mund, doch ihre Stimme versagte. Rick bemerkte ihre Unsicherheit und ohne irgendwelche Umschweife drückte er Samantha zärtlich an sich. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter und die Anspannung fiel von ihr ab. Im nächsten Moment fing sie an zu weinen. Sie legte ihre Arme um seinen Oberkörper und krallte die Hände in sein T-Shirt. Sam nahm den Geruch von herbem After Shave in sich auf.

»Schon gut Samantha, lass alles raus.«, sagte er leise und seine Hände strichen zärtlich über ihren Rücken.

Nach einigen Minuten hatte sie sich wieder gefangen. Sams Blick ruhte auf seinem Gesicht.

»Rick, du hast mir..., danke.«

Ein kleines Lächeln huschte über Ricks Gesicht. Im nächsten Augenblick wurde er wieder ernst.

»Ich werde nicht zulassen, dass dich jemand verletzt.«

Seine Sorge um ihr Wohlergehen verursachte einen wohligen Schauer durch ihren Körper..

»Warum will mich jemand töten? Ich habe doch keinem etwas getan.«

Ihre Stimme klang ängstlich. Rick rang mit sich, Sam über alles aufzuklären.

»Samantha, ich kenne diese Typen. Sie agieren im Auftrag des Drogenkartells. Sie versuchen mit solchen Aktionen deinen Vater einzuschüchtern, um ihn auf diese Weise aus seinem Versteck zu locken.«

Sam war, als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt. Sie sah zu Rick auf.

»Meinen Dad? Wie soll ich das verstehen? Er sagte, du gehörst zu denen.«

Wie ein ängstliches Tier kamen die Worte aus ihrem Mund. So als hätte sie gerade etwas Falsches gesagt.

Ricks Augen glühten sie förmlich an.

»Du hast mit deinem Vater gesprochen? Verflucht Sam, wann?«

»Gestern Nacht, kurz bevor du gekommen bist.«

Rick war außer sich, das hatte er nicht erwartet. »Samantha Black, wir müssen uns über einige Dinge unterhalten. Offenbar hat dir jemand etwas über meine Vergangenheit erzählt. Ich weiß nicht, was es war, kann mir aber denken, wer es war. Offensichtlich will man verhindern, dass du die ganze Wahrheit erfährst. Nach meinem gestrigen Auftritt bei dir, sollte ich mich eigentlich fernhalten, doch das kann ich nicht.« Ricks Worte gingen Sam sehr nahe. Er war zwar vergangene Nacht ziemlich grob zu ihr gewesen, trotzdem hegte sie keinerlei Groll ihm gegenüber. Seine Stimme wurde leiser und seine Worte klangen jetzt zärtlich aus seinem Mund.

»Sam, ich mag dich und ich würde alles für dich tun, damit dir nichts zustößt. Ich war und bin ganz sicher kein Heiliger in den letzten Jahren gewesen, aber das trifft auch auf meinen Bruder zu. Bestimmt wurde dir nicht die ganze Wahrheit offenbart. Was mir nicht egal ist. Wie es aussieht bist du die Einzige aus deiner Familie, die man im Ungewissen ließ. Ich werde das auf jeden Fall nachholen, auch wenn mich deine Eltern und mein Bruder danach verfluchen.«

Jetzt verstand Sam überhaupt nichts mehr. Worin wollte er sie denn einweihen? Was hatten ihre Eltern noch vor ihr verschwiegen? Alle wussten Bescheid, nur sie hatte keine Ahnung. In ihr staute sich Wut an. Man hätte sie beinahe getötet, ohne dass sie wusste, warum überhaupt. Sie brauchte Antworten und zwar sofort. Wie sollte sie sich Rick gegenüber verhalten? Konnte sie ihm vertrauen? Vielleicht aber war ein Gespräch mit ihrer Mom das Richtige. Von diesem ganzen Durcheinander tat ihr schon der Kopf weh. Durch eine zärtliche Berührung holte Rick sie in die Wirklichkeit zurück.

»Du fährst jetzt zu deinem Geschäft, wo wir uns ungestört unterhalten werden. Ich werde dir folgen. Ist das in Ordnung für dich?«

Sam nickte, dann stieg sie in ihren Wagen, startete und fuhr los. Im Rückspiegel konnte sie Rick am Steuer seines Autos sitzen sehen. Sie war kaum in der Lage sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. So viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Letzte Nacht hatte Ricardo Cruz noch versucht sie zu bedrohen und jetzt half er ihr. Sie verstand die Welt nicht mehr. Ein Hupen schreckte sie auf. Sofort konzentrierte sie sich wieder auf den Verkehr. Sie sah in den Rückspiegel und erstarrte. Rick war nicht mehr zu sehen. Ein schwarzer Lieferwagen fuhr hinter ihr. War das nur Zufall oder hatte sich der Wagen dazwischen gedrängt. Sofort wechselte sie die Spur. Aufregung und Panik stiegen in ihr auf. Es war ein ziemliches Gedränge auf den Straßen. Die meisten Leute fuhren um diese Zeit zur Arbeit. Stoßstange an Stoßstange. Also musste sie vorsichtig sein. Ein schneller Blick in den Rückspiegel verriet ihr, dass sie der schwarze Lieferwagen immer noch verfolgte. Sie konnte also nicht sehen, ob Rick noch in ihrer Nähe war. Verdammt, was sollte sie denn jetzt tun? Irgendwo versuchen umzudrehen, nur um ihrem Verfolgungswahn nachzugeben oder einfach zu ihrem Geschäft fahren. Entscheide dich Samantha, sagte ihre innere Stimme. Zu deinem Laden müsstest du jetzt abbiegen. In letzter Sekunde betätigte sie den Blinker, schlüpfte in eine Lücke und bog rechts ab. Es gab sofort ein wildes Gehupe, doch das war ihr egal. Was ihr nicht egal war, der Lieferwagen bog ebenfalls ab. Das war kein Zufall mehr.

In der Straße, in der ihr Geschäft lag, war reger Verkehr. An den Straßenrändern zu beiden Seiten parkten Autos. Lieferwagen standen vor einzelnen Geschäften. Einige wenige Ladenbesitzer hatten bereits geöffnet und gingen ihren täglichen Beschäftigungen nach. Vor so viel Publikum würde man ihr sicherlich nichts antun? Natürlich war L.A. eine Großstadt und natürlich geschahen auch auf offener Straße Verbrechen und das nicht nur bei Nacht.

Sie versuchte die unangenehmen Gedanken aus ihrem Kopf zu verdrängen. Also stellte sie sich auf den für sie reservierten Parkplatz. Der Lieferwagen fuhr langsam weiter. Sam atmete auf. Ihr Blick suchte die Umgebung nach Ricks Auto ab, doch sie konnte ihn nicht sehen. Dann bog er um die Ecke. Sofort beruhigte sie sich wieder. Er gab ihr ein Lichtsignal und Samantha winkte kurz mit der Hand.

Plötzlich quietschten Reifen neben ihr. Erschrocken drehte sie sich um. Sie erstarrte vor Schreck. Der schwarze Lieferwagen hatte irgendwo umgedreht und stand wie aus dem Nichts neben ihr. Die Seitentür wurde aufgezogen. Zwei maskierte Gestalten zogen sie ins Innere des Fahrzeuges. Es ging so blitzschnell, sie konnte nicht einmal um Hilfe schreien. Ihre Arme wurden auf den Rücken gedreht und mit einem Seil gefesselt. Ihr ganzer Körper zitterte vor Aufregung. Ihr Mund wurde trocken, ihr Atem schneller, jeden Moment würde sie ohnmächtig werden. »Hey, ganz ruhig bleiben.«, sagte einer von den Entführern, »Wir werden dir nichts tun, unser Boss will dich lebend.«

Sams Gedanken verschwammen. Ihr wurde schwarz vor Augen. Irgendwo in der Ferne hörte sie noch Stimmen, aber was sie sagten, nahm sie nicht mehr richtig wahr. Ihre Gedanken waren bei Rick. Er musste doch alles gesehen haben. Sie hoffte nur, dass es ihm gelang den Männern zu folgen. Er hatte sie schon zweimal aus einer heiklen Situation gerettet. Ihre ganze Hoffnung lag bei Rick!

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