Читать книгу triste - Katrin Sell - Страница 11

Zufuhr an Gedanken

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Zu ihnen gelangten die Schirme der Trauer, damit bedecken sie sich,

geradewegs von den Landstraßen und Kohlenhalden kommend,

gegen eine Welt, die ihr eigenes Gesicht gesehen hat, nun selbst sichtbar,

Leuchtkäfern ähnlich, wissen sie von einem geheimen Schmerz, in Körpern

eingeschlossen und nur als schweres Auge fühlbar. Schwer sind auch die

zermürbten Kleider der Frauen, ihre Jahrmarktshände und die gebrochenen

Lippen. Was habt ihr gesehen? – So sei es, flüstert der Prophet, von tausend

Wahrheiten umspannt, die unter seinen Röcken nagen,

denn niemand sagte ihm, dem heiseren Sänger, dass auch er ein Mensch ist,

der nicht alle Zutaten verträgt, nämlich die wilden Essenzen, den unbewegten

Novemberdunst und das Schlangengift.

Dabei hatte er allein die Botschaft, biblisch fast und von heiligen Säumen

umgeben, nicht nachzugeben der Verwahrlosung in den Hospitälern,

sondern aufzurichten, noch sterbend Schuhe zu ordnen und die

massiven Früchte zu sammeln, wie den Kürbis, als Zeichen der Gesundheit;

immer, weil der Tod das Vorübergehende ist, nur eine Ansammlung

von Knochen. Das will jeder gern glauben, in Sterbegewänder gehüllt den Tod

ausspucken, wieder gehend wie ein frisch rasierter Advokat.

Jenseits, dieses Wort merke dir. Seine Verbreitung ist eine Linie voller Angst,

die nicht zu überschreiten ist. Auch Verlassenheit.

Zu meinen gewöhnlichen Leidenschaften gehört es, mit dem Leben zu spielen,

es als leises Geräusch zu betrachten oder als Wärme weiblicher Brüste,

um es dann, in einem unwiderstehlichen Moment, im Fluss zu versenken

wie ein morbider Jüngling, sehnsüchtig Seidenstrümpfe streichelnd

und wissend, dass die Losung etwas anderes ist: Luftröhren zu öffnen in

Krankenhäusern, Geburten zu zählen und sich selbst ans eigene Sein zu hängen.

Ich täte es – und noch mehr: mit rücksichtslosen Armen Soldaten bekehren

als stille Kämpferin; und den grausamen Wilderer töten.

Das ist nur der Anfang, der überwunden werden muss, die stählerne Hürde,

gerade dies zu wagen, ein freies Leben trotz Zurechtweisung und

deines derben Schlags in mein Augenlicht.

Nimm das von mir: das unterdrückte Schluchzen, die Mandelfäule und

die Suche nach dir, mein entrücktes Gegenüber, so eingeschrieben in den Leib

wie die blutrauschenden Adern, doch auch hilflos, weil nichts zu finden war,

obwohl eine Frau mit ihren Röcken an Bahnhöfen entlangging, stets vor einer

großen Reise. Auch ihr kennt diese Reise. Woanders gibt es ebendies:

den Gitarrenspieler und Mondsüchtigen und beinahe das ewige Leben.

Wünsch dir nichts, wurde oft gesagt, und der Rotz lief so unterirdisch, noch im

Alter, als der gebrochene Herzschlag längst dazugehörte; er war der Ritterschlag

der hässlichen Fragen und Trennungen. Glaubst du denn der göttlichen Stimme?

triste

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