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Das Nibelungenlied

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Die in diesem Epos erzählten „Abenteuer“ haben vor allem in ihren neuhochdeutschen, sprachlich für den modernen Leser geglätteten Fassungen weite Verbreitung erfahren. Die Zahl der überlieferten Handschriften zeugt aber auch davon, dass sich das Nibelungenlied schon im Mittelalter großer Beliebtheit erfreute. So sind heute nicht weniger als 37 vollständige Manuskripte und Fragmente von unterschiedlicher Länge bekannt.8 Die drei ältesten, sogenannten Haupthandschriften entstanden allesamt noch während des 13. Jahrhunderts. Sie befinden sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München (Cgm 34), der Stiftsbibliothek zu St. Gallen (Cod. 857) sowie der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (Cod. Donaueschingen 63).

Während über den Autor des Nibelungenliedes nichts bekannt ist, gilt als wahrscheinlichster Auftraggeber für dessen Abfassung der Passauer Bischof Wolfger von Erla.9 Dieser wirkte zwischen 1191 und 1204 als Oberhirte der Stadt, also zu der Zeit, die im Allgemeinen für die Entstehung des Nibelungenliedes angesetzt wird. Daneben ist in einem Zusatz zum Nibelungenlied, der sogenannten Klage, die Rede davon, dass Bischof Pilgrim von Passau seinen Schreiber Meister Konrad damit beauftragt habe, die gesamte Geschichte der Nibelungen in lateinischer Sprache niederzuschreiben (Vers 4295ff.). Als Grund für diesen Auftrag nennt der Text Pilgrims Zuneigung zu seinen Neffen, den Burgunderkönigen. Im Nibelungenlied selber erscheint der Bischof von Passau als Gastgeber seiner Nichte Kriemhild und deren Gefolge (Vers 1296–1330). So heißt es darin unter anderem: „In der Stadt Passau residierte ein Bischof. Die Unterkünfte und auch der fürstliche Hof leerten sich. Denn man eilte den Fremden auf der Straße entgegen, die nach Bayern hinaufführte, wo der Bischof Pilgrim die schöne Kriemhild traf.“ Einiges spricht dafür, in diesem Bischof Pilgrim Wolfger von Erla zu sehen. Seine Inthronisierung fiel auf den 200. Todestag seines Amtsvorgängers Pilgrim, der zwischen 971 und 991 als Bischof von Passau bezeugt ist. Ferner gelangte Wolfger auf den Patriarchenthron von Aquileia, was ihn ebenfalls zum Nachfolger eines Pilgrim machte. Schließlich aber war er auch als Kreuzzugsteilnehmer ein peregrinus, ein Pilger. Darüber hinaus ist Wolfger von Erla als Förderer der Künste bekannt.10 Dem Zeugnis eines zeitgenössischen Schriftstücks zufolge gelangte kein geringerer als der bekannte Minnesänger Walther von der Vogelweide durch die Zuwendung des Passauer Bischofs am 12. November 1203 in den Besitz eines Pelzmantels. Ein solcher Mäzen war zweifelsfrei vonnöten, um die Menge an Pergament zu bezahlen, die für die Abfassung des langen Textes erforderlich war. Zugleich deutet die Erwähnung Pilgrims von Passau möglicherweise auf den Zweck des Nibelungenliedes hin. Auch wenn der Bischof darin nur eine kleine Nebenrolle spielt, betrachtete man wohl um 1200 „am Passauer Bischofshof die Nibelungensage als Teil der eigenen Geschichte.“11 Als man im Jahre 1181 das Grab des 991 verstorbenen Pilgrim öffnete, ereignete sich angeblich eine Reihe von Wundern. Der Kult um den wundertätigen Bischof entfaltete sich also ungefähr zu der Zeit, die für die Abfassung des Nibelungenliedes angenommen wird. Somit liegt es nahe, dass das Werk mit der Absicht verfasst wurde, den Verehrungswürdigen über die Grenzen Passaus hinaus bekannter zu machen und seine Grablege als Pilgerziel aufzuwerten – ein weiterer Aspekt des vielschichtigen Nibelungenliedes.

Das Versepos vereinigt mehrere, ursprünglich voneinander unabhängige Stoff- und Sagenkreise.12 Am Anfang stehen die Ausführungen zu Siegfrieds Jugend und seinen ersten Heldentaten, in deren Mittelpunkt die Gewinnung des Nibelungenhorts und der Sieg über den Drachen stehen. Daran schließen sich die Werbung König Gunthers um die Walküre Brunhild, der Streit zwischen Kriemhild und Brunhild und der Tod Siegfrieds an. Es folgt Kriemhilds Rache am Hof Etzels, die mit dem Untergang der Burgunder endet. Als weitere Stoffkreise lassen sich die Schilderungen um Dietrich von Bern sowie Etzels Tod ausmachen.

Die ältesten Erzählmotive weisen eindeutig nach Nordeuropa, wurden allerdings erst später aufgeschrieben als das mittelhochdeutsche Nibelungenlied. So finden sich Schilderungen der Taten des altnordischen Helden Sigurd in der altisländischen Liedersammlung Edda wieder. Im Nibelungenlied zieht der junge Held Siegfried von Xanten an den Hof der Burgunderkönige Gunther, Gernot und Giselher nach Worms, um deren anmutige Schwester Kriemhild für sich zur Frau zu gewinnen. Seine Taten hatten sich schon bis dorthin herumgesprochen. So berichtet Hagen von Tronje darüber, wie Siegfried sich in den Besitz des Nibelungenhorts brachte: Als Siegfried einmal ohne Begleitung auszog, traf er auf die Nibelungen, die gerade ihren unermesslichen Hort aus einer Berghöhle herausgeholt hatten, um diesen unter sich aufzuteilen. Dieses Unterfangen gestaltete sich indes schwierig, und so ersuchten die Nibelungen Siegfried, die Teilung vorzunehmen. Doch vermochte er die Aufgabe nicht zu lösen und beging Verrat an seinen Auftraggebern. Mit Hilfe des wunderbaren Schwertes Balmung, das ihm die Nibelungen in Erwartung seiner Dienste geschenkt hatten, besiegte er die rechtmäßigen Besitzer des Horts. Zwölf Riesen und siebenhundert Krieger bezwang er dabei ganz allein und entriss schließlich dem Zwerg Alberich dessen Tarnkappe. Dadurch wurde er zu „des hordes herre“ (Vers 97). Er ließ den Schatz wieder in den Schoß des Berges zurücktragen und machte den starken Alberich zum Kämmerer.

Auch von Siegfrieds Kampf mit dem Drachen weiß Hagen zu erzählen: „Einen Drachen hat der Held erschlagen. Er badete in dem Blute, und daraufhin hat er eine Hornhaut bekommen. Deshalb verwundet ihn keine Waffe, wie sich schon oft gezeigt hat“ (Vers 100).13 Seite an Seite mit den Burgundern zieht Siegfried in den Kampf gegen die Sachsen und Dänen. Durch weitere Heldentaten mehrt sich sein Ruhm.

Bei seiner Rückkehr nach Worms sehen sich Siegfried und Kriemhild zum ersten Mal. Sie entbrennen in Liebe füreinander. Als König Gunther Siegfried seinen Plan offenbart, Brunhild zur Frau nehmen zu wollen, erklärt der Held nach einigem Zögern seine Bereitschaft zur Hilfe. Hierfür verlangt er, Kriemhild heiraten zu dürfen. Gunther willigt ein. Zur Brautwerbung um Brunhild reisen sie nach Island. Mit Siegfrieds Unterstützung, der sich unter der Tarnkappe versteckt, gelingt es Gunther, Brunhild im Wettstreit zu besiegen. Diese kommt daraufhin nach Worms. Zwischen Gunther und Brunhild sowie zwischen Siegfried und Kriemhild wird nun die Ehe geschlossen. Unter den beiden Königinnen entbrennt ein Streit darüber, welcher ihrer Männer die höhere Stellung einnimmt und wer deshalb zuerst die Kirche betreten darf. Während des Wortwechsels kommt es zu gegenseitigen Beleidigungen. Als Kriemhild ihr die Wahrheit über den Wettstreit auf Island und die Folgen entgegen schleudert, fühlt Brunhild sich entehrt. Hagen überzeugt daraufhin König Gunther, dass diese Schmach nur durch die Ermordung Siegfrieds getilgt werden kann. Bald darauf überbringen Boten die fingierte Nachricht von einer neuerlichen Kriegserklärung der Sachsen und Dänen. Umgehend erklärt sich Siegfried bereit, ins Feld zu ziehen. Unter dem Vorwand, ihren Mann schützen zu wollen, entlockt Hagen Kriemhild das Geheimnis um Siegfrieds verwundbare Stelle, die sie mit einem gestickten Kreuz auf dem Gewand kennzeichnet. Hinterrücks wird der Held von Hagen ermordet. Die trauernde Witwe Kriemhild lässt den Nibelungenhort, ihr Erbe, nach Worms bringen und verteilt großzügige Geschenke an das Volk. Hagen, der sich vor der Rache der Königin fürchtet, raubt den Schatz und versenkt ihn im Rhein. Unter gegenseitigen Schwüren der Verschwiegenheit, setzt er später die Könige über den Ort des Verstecks in Kenntnis.

Dreizehn Jahre vergehen. Da entsendet der Hunnenkönig Etzel seinen Boten Rüdiger an den Wormser Hof und wirbt um Kriemhild. Diese lehnt das Ansinnen zunächst ab, will sie sich doch nicht mit einem Heiden vermählen. Als sie jedoch Etzels Macht erkennt und die Brautwerber zudem beteuern, jedes ihr zugefügte Leid rächen zu wollen, willigt Kriemhild ein. Etzel zieht seiner Braut entgegen. In seinem Gefolge befindet sich auch der tapfere Dietrich von Bern. Kriemhild lädt ihre Brüder zu den Hochzeitsfeierlichkeiten an den hunnischen Hof. Nun folgt ihre Rache, die mit dem Tod aller Burgunder endet. Auch sie selbst fällt schließlich durch das Schwert.

Artus ohne Tafelrunde

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