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Sehnsucht nach einer besseren Zeit

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Die zweite Voraussetzung für die Legendenbildung baut auf dem Fundament der positiven Propaganda auf. So wird in vermeintlich schwierigen Zeiten an bessere Tage unter der Herrschaft eines guten Königs erinnert. Häufig ist diese Erinnerung gar mit einer Art Endzeiterwartung verknüpft. Nach diesen Vorstellungen ist der Herrscher nicht tot. Er schläft nur in einem Berg oder ist sonstwie in unnahbare Ferne entrückt, woher er zurückkehrt und die Herrschaft wieder übernimmt. Dieses Bild wird geprägt von der Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden sowie wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stabilität, die eine „gute“ Herrschaft ausmachen. Deutlich wird dies in der Vorrede zu den Gesta Friderici I., den „Taten Friedrichs I.“ aus der Feder des Bischofs Otto von Freising. Darin heißt es:

Da sich nun die Dinge zum Besseren gewendet haben, nach den Zeiten des Weinens die Zeit des Lachens, nach der Zeit des Krieges die Zeit des Friedens jetzt gekommen ist, so erachte ich es für unwürdig, herrlichster Kaiser, Friedrich, nachdem ich die Taten der anderen Könige und Kaiser der Reihe nach erzählte, die deinen mit Stillschweigen zu übergehen. Ja, um mehr der Wahrheit gemäß zu sprechen, ich hielt es für das Würdigste, den Tugenden früherer Fürsten die deinen wie dem Gold die Edelsteine voranzustellen.“15

Als der Verfasser im Jahre 1160 seinem königlichen Neffen das Werk überreichte, waren in der Tat schwierige Jahre vorüber. Sie waren unter anderem geprägt von dem glücklosen zweiten Kreuzzug, an dem Friedrichs Vorgänger auf dem Thron, Kaiser Konrad III. (1093/94–1152), 1147/48 teilgenommen hatte, sowie von der langen Auseinandersetzung der Staufer mit Heinrich dem Löwen um das Herzogtum Bayern. Da Ottos Werk in den ersten Regierungsjahren Friedrich Barbarossas entstand, wirkte seine Vorrede gleichsam programmatisch. Sie hat noch im ausgehenden 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund nationalstaatlichen Gedankengutes das Bild von einer stabilen, „guten“ Stauferherrschaft geprägt.

Die Sehnsucht nach einem guten König zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des mittelalterlichen Abendlandes. In Zeiten der Krise taucht das Motiv immer wieder auf. So etwa während der Herrschaft König Philipps IV., des Schönen, von Frankreich zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als im Volk angesichts der voranschreitenden Münzverschlechterung der Wunsch der Rückkehr zum „guten“ Geld von Philipps Großvater Ludwig IX., dem Heiligen, laut wurde. Eine besondere, in ihren Motiven nicht vorrangig auf irdische Führungskraft gestützte Legendenbildung umrankt solche heiligen Herrscher. Mit ihnen gelangte das legendäre Element zu einem Höhepunkt. Immerhin ist die Heiligsprechung unmittelbar mit Wundertätigkeit verknüpft. Der heilige König wird dadurch vom irdischen Herrscher zum himmlischen Heiler. Der sakrale Aspekt des mittelalterlichen Königtums, der in unterschiedlicher Ausprägung zwischen Zeremoniell und Symbolik – wie etwa den langen Haaren der Merowingerkönige oder der vermeintlichen Kraft zur Heilung der Skrofulose der französischen und englischen Könige durch Handauflegung – gelangt mit dem heiligen König gewissermaßen zur Vollendung.16 Der Kult um den Herrscher sichert ein weit verbreitetes und ewiges Andenken. Zudem trieb er die weitere Legendenbildung voran, wann immer über neue Wunder an der Grablege des Herrschers berichtet wurde.

Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie sich jede Generation ihr eigenes Geschichts- und Herrscherbild schafft. Im Falle der legendären Herrscher wirkt dieser Umstand in unserer Gegenwart auf besondere Weise. Historische Romane, mehr oder weniger wissenschaftliche Fernsehdokumentationen, Spielfilme und Internetseiten prägen gängige Vorstellungen vom Mittelalter im Allgemeinen und von seinen Herrschern im Besonderen.

Artus ohne Tafelrunde

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