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„Glückselig“ – keine Zukunftsmusik
Оглавление„Selig“ oder „glückselig“ – das kann im Deutschen schnell gefühlsduselig klingen. In den biblischen Grundsprachen aber bezeichnet „glückselig“ kein Gefühl und auch keinen bloßen Wunschzustand, sondern eine reale Gegebenheit. Die Wörter ‘āšîr (hebräisch) und makarios (griechisch) „beschreiben […] einen schon bestehenden Zustand des Glücklichseins oder des Glücks“.68 Das heißt, sie bestätigen eine bereits vorhandene Eigenschaft geistlichen Lebens. In den Seligpreisungen steht dafür das griechische Wort makarios, das mit „selig“ oder „glückselig“ übersetzt wird. Die dritte Seligpreisung bei Matthäus z. B. sollte man also nicht in folgendem Sinne verstehen: Wenn ihr sanftmütig seid, werdet ihr das Land erben. Die Seligpreisungen als Ganzes bedeuten ebenfalls nicht: „Selig sind die Menschen, die ‚A‘ tun, denn sie werden ‚B‘ empfangen.“ Es geht nicht darum, die Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu ermahnen. Stattdessen sollte man die Seligpreisungen mit dem Gedanken lesen: „Schaut euch das Glück der Menschen an, die ‚B‘ haben oder erhalten werden.“
Ein konkrete, vergleichbare Aussage wäre: „Wie glücklich ist die Tochter von Herrn Holtz, denn sie wird das Familienanwesen erben.“ Die Frau, um die es geht, ist bereits die glückliche Tochter von Herrn Holtz. Sie muss sich das Anwesen nicht erarbeiten. Jeder weiß, dass die Aussicht, eines Tages das Anwesen zu besitzen, ein wichtiger Grund ihres glücklichen und sicheren Lebens ist. Die erste Aussage bekräftigt einen Glückszustand, der bereits existiert. Die zweite Aussage bekräftigt eine Zukunft, die ihr bereits jetzt ein glückliches Leben ermöglicht. Hauck schreibt: „Die Gruppe μακάριος [makarios], μακαρίζειν, μακαριμός hat im NT ihre Besonderheit daran, dass sie ganz überwiegend auf die einzigartige religiöse Freude bezogen ist, die dem Menschen aus dem Teilhaben am Heil des Reiches Gottes erwächst.“69
Unter Berücksichtigung dieser Definition wenden wir uns nun den Seligpreisungen selbst zu.